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Kick-back- Rechtsprechung des BGH: Brüche in der Argumentation

Immer wieder und in ansteigender Zahl beschäftigen sich die Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof (BGH) mit der Haftung von Banken aus Prospekten und fehlerhafter Anlageberatung. Dabei geht es regelmäßig um Fälle, in denen - sei es im Prospekt, sei es durch Erklärungen im Beratungsgespräch - nicht zutreffend über die Eigenschaften einer Kapitalanlage aufgeklärt wurde und dadurch dem Anleger ein finanzieller Verlust entstanden ist.

Die relativ hohe Zahl solcher Verfahren, welche für die Anleger erfolgreich gestaltet werden können, sei es durch Vergleich oder Klage stattgebendem Urteil, zeigt, dass die Vorwürfe der Bankkunden gegenüber den Instituten nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind. Zweifelsohne gibt es aber auch Fälle, in denen sich Anleger von den Folgen ihrer eigenen selbstbestimmten Entscheidung lösen wollen, weil sich eine Kapitalanlage anders als von ihnen erwartet entwickelt hat. In solchen Fällen versuchen Anleger anhand einer für sie vorteilhaften Rechtsprechung Ansatzpunkte zu finden, um sich von einer nicht positiv entwickelnden Kapitalanlage zu trennen.

Mehr Verwirrung als Rechtsklarheit

Wie eine uneinheitliche Rechtsprechung in diesem Zusammenhang mehr Verwirrung als Rechtsklarheit schafft, zeigt für den Bereich der Beraterhaftung sehr anschaulich die sogenannte Kick-back-Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH.

Im Rahmen der sogenannten Kick-back-Rechtsprechung hat der XI. Zivilsenat des BGH festgestellt, dass Banken verpflichtet sind, Rückvergütungen, die - etwas unfreundlicher - auch als "Kick-backs" bezeichnet werden, dem Grunde und der Höhe nach offenzulegen.

Nachdem sowohl in Rechtsprechung und Literatur als auch zwischen Banken und Anlegern lange umstritten war, wann aufklärungspflichtige Rückvergütungen im Sinne des BGH überhaupt vorliegen, hat der XI. Zivilsenat in einem Beschluss vom 9. März 2011 Klarheit geschaffen: Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind demnach regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die aus beispielsweise in Pros pekten offen ausgewiesenen Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren an die beratende Bank gezahlt werden, ohne dass diese Bank konkret als Empfänger dieser Zahlungen offenbart wird, sodass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entsteht, der Anleger aber auch nicht das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage erkennen kann.

Ob schon die Wurzeln der Kick-back-Rechtsprechung bereits in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu finden sind, hat erst das Urteil des BGH vom 19. Dezember 2006 eine breitere Beachtung gefunden. Der XI. Zivilsenat hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Bank, die ihrem Kunden den Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds bei einer Kapitalanlagegesellschaft empfiehlt, verpflichtet ist, den Kunden darüber aufzuklären, ob und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und Verwaltungskosten von der Fondsgesellschaft erhält. Der BGH entschied, dass die Aufklärung über Rückvergütungen notwendig sei, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt der Bank offen zu legen. Dieses Erfordernis ergebe sich aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Erst durch eine entsprechende Aufklärung werde der Kunde in die Lage versetzt, das Umsatzinteresse der Bank selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob die Bank ihm einen bestimmten Titel nur deswegen empfiehlt, weil sie selbst daran verdient. Würden dem Kunden derartige Rückvergütungen verschwiegen, könne dieser Schadensersatzansprüche geltend machen und verlangen, das gesamte Geschäft rückabzuwickeln.

Aufgrund der Tatsache, dass der BGH in seinem Urteil vom 19. Dezember 2006 auf das WpHG verwies, wurde von den Instanzgerichten zunächst vertreten, dass die Kick-back-Rechtsprechung nur auf den Vertrieb von Wertpapieren anwendbar sei. Doch mit Beschluss vom 20. Januar 2009 stellte der XI. Zivilsenat klar, dass das Postulat der Vermeidung von Interessenkonflikten und daraus resultierend die Pflicht zur Aufklärung nicht auf Wertpapierdienstleistungen beschränkt sei. Es mache keinen Unterschied, ob der Berater Aktienfonds oder geschlossene Fonds vertreibe. Der aufklärungspflichtige Interessenkonflikt sei in beiden Fällen gleich. Auch bestehe die Aufklärungspflicht unabhängig von der Rückvergütungshöhe. Selbst über geringe Rückvergütungen im niedrigen Prozentbereich sei grundsätzlich aufzuklären.

Instanzgerichte sehen Missbrauchsgefahr

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsprechung des BGH in sich schlüssig. Dass die Gefahr des Interessenkonflikts unabhängig vom empfohlenen Kapitalanlageprodukt und per se zunächst unabhängig von der Rückvergütungshöhe besteht, ist einleuchtend und nachvollziehbar.

Die Instanzgerichte jedoch erkannten relativ früh die außerordentlichen Konsequenzen der höchstrichterlichen Kick-back-Rechtsprechung für die Banken. Denn weit bis ins Jahr 2007 wurde - bis auf ganz wenige Ausnahmen - in Prospekten und/oder anderen schriftlichen Unterlagen, vor allem bei geschlossenen Fonds, keine ordnungsgemäße Aufklärung über den Anfall und den Zahlungsfluss von Rückvergütungen vorgenommen. In solchen Fällen bestand für Anleger nunmehr nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Möglichkeit, sich durch Rückabwicklung in Form von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung von nicht rentablen oder verlustreichen Investitionen zu lösen, auch wenn im Beratungsgespräch über die sons tigen Eigenschaften und Risiken des Kapitalanlageobjekts ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.

Um dieser Missbrauchsgefahr zu begegnen, wurde teilweise von der Instanzrechtsprechung vertreten, dass Banken vor 2006 noch keine Kenntnis von der Aufklärungspflicht über Rückvergütungen haben konnten und deshalb den Instituten die unterbliebene Aufklärung nicht anspruchsbegründend vorgeworfen werden könne. In anderen Fällen wurde vertreten, dass eine Aufklärung über eine Rückvergütung in Höhe von beispielsweise 2,5 Prozent den Anleger vom Erwerb der Kapitalanlage nicht abgehalten hätte, die fehlende Aufdeckung des Zahlungsflusses daher für den Schaden nicht ursächlich sei. Auch würde sich ein Anleger, der mit einer Kapitalanlage ersichtlich allein auf die Erzielung von Steuerersparnissen abzielt, von einer Provision für das ihn beratende Bankhaus nicht abhalten lassen.

Der BGH hielt zunächst jedoch mit fast stoischer Gelassenheit an dem von ihm eingeschlagenen Weg fest. Fast schien es, als habe der BGH die Reichweite seiner Kick-back-Rechtsprechung noch nicht erkannt.

Mit Urteil vom 12. Mai 2009 hat der BGH zunächst deutlich gemacht, dass die höchstrichterlich anerkannte Vermutung der Ursächlichkeit eines Beratungsfehlers für die Anlageentscheidung (sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens) uneingeschränkt auch auf die pflichtwidrig unterlassene Offenlegung von Rückvergütungen anzuwenden ist.

Kein unvermeidbarer Rechtsirrtum

Nach diesem Urteil konnte nun nicht mehr argumentiert werden, dass die unterbliebene Aufklärung über eine geringe Rückvergütungshöhe nicht ursächlich für die Kaufentscheidung des Anlegers war. Mit dieser Entscheidung stellte der BGH im Ergebnis die fehlende Aufklärung über Rückvergütung mit jedem anderen Beratungsfehler gleich. Ein Ergebnis, das bei einer nur geringen Rückvergütungshöhe zumindest fraglich ist.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2010 hat der XI. Zivilsenat dann noch ausgeführt, dass sich eine Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum über Bestehen und Umfang einer Aufklärungspflicht über verdeckte Rückvergütungen berufen kann.

Spätestens mit seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 9. März 2012 hat der BGH jedoch zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Missbrauchsgefahr seiner Kickback-Rechtsprechung bewusst ist.

Mit Beschluss vom 9. März 2011 hat der BGH den Anwendungsbereich seiner Kick-back-Rechtsprechung mit der bereits dargelegten Definition daher auf Rückvergütungen beschränkt und gleichzeitig ausgeführt, dass Bankberater nicht verpflichtet sind, über Innenprovisionen aufzuklären. Unter Innenprovisionen versteht der BGH nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die aus dem Anlagevermögen gezahlt werden. Mit anderen Worten:

Wenn in einem Prospekt die Vertriebsprovision ausgewiesen ist, aber die Bank nicht als deren Empfänger offenbart wird (Rückvergütung), besteht eine Aufklärungspflicht des Beraters, da der Anleger ohne diese Aufklärung nicht das besondere Interesse der beratenden Bank erkennen kann, gerade diese Anlage zu empfehlen.

Wird die Vertriebsprovision nicht ausgewiesen, weil sie aus dem Anlagevermögen gezahlt wird (Innenprovision), muss über den Interessenkonflikt der beratenden Bank nicht aufgeklärt werden. Ein Ergebnis, das nicht überzeugen kann und in sich nicht stimmig ist. Denn der Interessenkonflikt der Bank bei der Beratung ist ersichtlich nicht davon abhängig, ob die Provisionen offen ausgewiesen sind oder nicht.

Beweispflicht für die Bank erleichtert

Mit seiner Entscheidung vom 8. Mai 2012 setzt der BGH seine Bemühungen, die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung seiner Kick-back-Rechtsprechung zu verhindern, fort. Zwar hält der XI. Zivilsenat weiterhin an der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens fest und führt aus, dass die Bank beweispflichtig dafür ist, dass der Kunde die empfohlene Anlage auch bei Kenntnis der Rückvergütung abgeschlossen hätte, die fehlende Aufklärung also nicht ursächlich für die Kaufentscheidung war. Allerdings erleichtert der BGH der Bank diese Beweisführung. So soll die Kenntnis des Anlegers von Rückvergütungen, die die Bank bei vergleichbaren früheren Anlagegeschäften erhalten hat, ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte.

Sollte ein Anleger in Bezug auf eine vergleichbare Kapitalanlage, die er vor oder nach der streitgegenständlichen erworben hat, erst nach dem Erwerb der jeweiligen Beteiligung Kenntnis von Rückvergütungen erhalten, so kann sich ein Indiz für die fehlende Kausalität der unterlassenen Mitteilung über Rückvergütungen auch daraus ergeben, dass der Anleger an den vergleichbaren - möglicherweise gewinnbringenden - Kapitalanlagen festhält und nicht unverzüglich Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt.

Über das Ziel hinausgeschossen

Zumindest letztere Argumentation des BGH ist ersichtlich dem Bestreben des höchsten Gerichts geschuldet, der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Kick-back-Rechtsprechung durch Anleger zu begegnen, die versuchen, ihr Portfolio nach der Rosinentheorie von letztlich Verlust bringenden Kapitalanlagen schadlos zu befreien. Allerdings dürfte der BGH hier übers Ziel hinausgeschossen sein.

Es entspricht zwar ständiger Rechtsprechung, dass der Schaden bei einer fehlerhaften Anlageberatung darin besteht, dass der Anleger eine Anlage erworben hat, die er bei richtiger Aufklärung nicht erworben hätte, unabhängig von dem gegenwärtigen Vermögensstand der Anlage. Da der BGH - wie ausgeführt - die fehlende Aufklärung über Rückvergütungen mit jedem anderen Beratungsfehler gleichstellt, muss dieses vermögensunabhängige Verständnis vom Schaden auch bei Beratungsfehlern über Rückvergütungen gelten.

Allerdings entspricht es ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass es an einem Schaden dann fehlt, wenn die Anlage für den Anleger insgesamt nicht nachteilig ist, weil der Wert der Gegenleistung die Leistung des Anlegers zumindest erreicht. Wenn aber kein Schaden besteht, dann fehlt einem klagenden Anleger natürlich auch das Rechtsschutzinteresse und er läuft Gefahr, schon mangels eingetretenen Schadens mit seiner Klage abgewiesen zu werden.

Im Übrigen muss es einem Anleger natürlich per se erlaubt sein, von seinen Investitionen die besonders verlustreichen für ein Klageverfahren auszusuchen. Immerhin sind mit der Durchführung eines Klageverfahrens im Kapitalanlagerecht erhebliche Kosten verbunden. Es ist daher legitim und kann nicht zulasten des tatsächlich geschädigten Anlegers gehen, wenn er bezüglich seiner Investitionen eine entsprechende Auswahl trifft, um die Kosten einer Klage nicht ausufern zu lassen. Nach der Entscheidung des BGH vom 8. Mai 2012 kann diese Vorgehensweise dem Anleger jedoch negativ angelastet werden.

Kick-back-Rechtsprechung noch nicht am Ende

Es ist bedauerlich, dass die Kick-back-Rechtsprechung des BGH durch ihre Uneinheitlichkeit dazu beigetragen hat, dass diejenigen Prozesse, in denen es um verschwiegene Rückvergütungen geht, insbesondere von den Bankenvertretern zunehmend als generell missbräuchlich diskreditiert werden.

Zweifelsohne gibt es auch solche Fälle. Was aber daran verwerflich sein soll, dass ein Anleger behauptet, er hätte beispielsweise einen geschlossenen Fond nicht gezeichnet, wenn er gewusst hätte, dass die beratende Bank über das Agio hinaus weitere 8,5 Prozent an der Empfehlung verdient, ist nicht ersichtlich. Berücksichtigt man, dass bei vielen geschlossenen Fonds die "Verdienstspanne" der Banken durchaus auch höher ausgefallen ist, erscheint der allgemeine Missbrauchsvorwurf als nicht gerechtfertigt. Ob sich dies bei einer nur geringen Rückvergütung anders darstellt, ist vom Einzelfall abhängig. Eine verallgemeinerungsfähige Regel dürfte es hier nicht geben.

Die Kick-back-Rechtsprechung ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht am Ende. Zu stark sind hierbei die Brüche in der Argumentation. Vor dem Hintergrund dieser uneinheitlichen Rechtsprechung ist dem Bankberater, der sicher gehen will, bei der Beratung keinen Fehler zu machen, dringend anzuraten, dem Kunden bei der Beratung jegliche Art und Weise der im Zusammenhang mit dem Geschäftsabschluss fließenden Zuwendungen offen zu legen. Aufsichtsrechtlich ergibt sich eine entsprechende Pflicht ohnehin aus dem WpHG.

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