Aktuelle Rechtsfragen

Sanierungsfall(e) Geschlossene Fonds

Während es bisher für Gesellschafter Geschlossener Fonds in Form einer GbR im Fall einer drohenden Insolvenz ausschließlich die Alternativen "Sanieren" oder "Ausscheiden" zu geben schien, weicht der BGH diesen Grundsatz nun erheblich auf. Der Weg, den Gesellschafter jetzt im Sanierungsfall einschlagen, will gut bedacht werden - denn eine Fehlentscheidung kann unter Umständen kostspielig werden.

Die alte Rechtssprechung und ihre Aufweichung

Mit seiner Grundsatzentscheidung des BGH vom 19. Oktober 2009 (Aktenzeichen II ZR 240/08) schien der BGH für Geschlossene Fonds im Sanierungsfall eine klare Richtlinie vorzugeben: "Sanieren oder Ausscheiden". Wurden in der Gesellschafterversammlung somit die Sanierung und der Ausschluss der sanierungsunwilligen Gesellschafter beschlossen, so mussten eben alle beteiligten Gesellschafter Geld nachschießen und sich an seiner Sanierung beteiligen. Als einzige Alternative gab es die Möglichkeit, einen (höheren) Auseinandersetzungsfehlbetrag zu zahlen und sodann aus der Gesellschaft auszuscheiden.

Eine im April veröffentlichte Entscheidung des BGH (Aktenzeichen II ZR 122/09) überrascht nun mit einer neuen Variante: Es ist fortan möglich, dass sanierungsunwillige Anleger - trotz eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses - nicht aus dem Fonds ausgeschlossen werden können. Die gesellschafterliche Treuepflicht verpflichtet Sanierungsunwillige laut dem Urteil aus Karlsruhe nicht, im Falle einer Abstimmung über "Sanieren oder Ausscheiden", dem Beschluss zuzustimmen. So können Anleger in der Gesellschaft verbleiben, auch wenn sie sich an einer Sanierung nicht beteiligen.

Die praktische Konsequenz ist erheblich, da auch das sogenannte negative Auseinandersetzungsguthaben, das nicht sanierungswillige Gesellschafter vermeintlich zu zahlen hätten, in diesem Fall nicht geltend gemacht werden kann. Dieses Urteil bedeutet für betroffene Anleger, dass sie ihre Möglichkeiten im Falle einer erforderlichen Sanierung differenzierter zu betrachten haben. Ob es sinnvoll ist, sich an der Sanierung zu beteiligen, sollte mit fachkundiger Hilfe unter Beachtung aller rechtlichen und finanziellen Konsequenzen sorgfältig geprüft werden.

Die Parteien und der Gesellschaftsvertrag des Fonds

In dem Fall, welcher der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, handelte es sich bei der beklagten Partei um einen Geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend "Gesellschaft"). Die Fondsgesellschaft war mit dem Zweck gegründet worden, den Bau und die anschließende Vermietung zweier Wohnhäuser sowie eines Wohn- und Geschäftshauses auf gesellschaftseigenem Grundstück zu betreiben.

Der Gesellschaftsvertrag enthielt folgende Bestimmungen:

"§ 4

(5) Die Erhöhung des Gesellschaftskapitals ist nur mit Zustimmung aller Gesellschafterstimmen zulässig, sofern bei Überschreitung der Gesamtkosten für das gesellschaftseigene Bauvorhaben Eigengelder soweit zu erhöhen sind, wie es die Beendigung des Bauvorhabens erforderlich macht.

Kommt ein einstimmiger Beschluss nicht zustande, so sind die zustimmenden Gesellschafter berechtigt, ihre Einlagen - soweit erforderlich zu erhöhen. Die nicht zustimmenden Gesellschafter haben in diesem Fall eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen."

"§ 12

(1) Die Gesellschafterversammlung beschließt über

[...]

e) die Änderung des Gesellschaftsvertrages,

f) die Auflösung der Gesellschaft

g) die Festsetzung eventuell notwendiger Nachschusszahlungen

[...]

(2) Beschlüsse gemäß Absatz 1 e) und f) bedürfen einer qualifizierten Mehrheit. Die qualifizierte Mehrheit beträgt 75 Prozent aller in der Gesellschaft vorhandenen Stimmen. Für Beschlüsse gemäß Absatz 1 g) gilt die Regelung des § 4 Absatz 5 entsprechend."

Die Gesellschaft geriet in eine finanzielle Schieflage und gab aus diesem Grund ein Sanierungskonzept in Auftrag. Dieses stellte die Sanierungsbedürftigkeit fest. Die Gesellschaft erwirtschaftete eine "wachsende strukturelle Unterdeckung", durch die ihr "ohne Umsetzung geeigneter Sanierungsmaßnahmen spätestens 2009 die Zahlungsunfähigkeit drohe".*)

Sanierungskonzept und Gesellschafterbeschlüsse

Als Lösung schlug das Sanierungskonzept vor, das Fremdkapital auf einen "geringeren, leichter bedienbaren Valutenstand zu reduzieren". Das finanzierende Kreditinstitut stimmte diesem Sanierungskonzept zu, machte dafür allerdings eine Kapitalerhöhung zur Bedingung. Daraufhin wurde eine Gesellschafterversammlung einberufen, in der folgende Beschlüsse mit der für Satzungsänderungen vorgesehenen Stimmenmehrheit - jedoch ohne Zustimmung des Klägers - gefasst wurden:

"§ 4 wird wie folgt neu gefasst:

(1) Das Gesellschaftskapital wird [...] erhöht.

§ 18 wird wie folgt neu gefasst:

(7) Ein Gesellschafter, der nicht spätestens bis zum 28. Februar 2006 einen seiner bisherigen Beteiligungshöhe entsprechenden Anteil am Neukapital [...] gezeichnet hat, scheidet rückwirkend zum 1. Januar 2006 aus der Gesellschaft aus, ohne dass es einer weiteren Erklärung seitens der Gesellschaft bedarf".

Der Kläger zeichnete nicht einen seiner bisherigen Beteiligungshöhe entsprechenden Anteil am Neukapital. Daraufhin betrachtete die Gesellschaft den Kläger als ausgeschieden und erteilte ihm eine Auseinandersetzungsrechnung. Das Landgericht Berlin stellte im folgenden Rechtsstreit fest, dass der Gesellschafterbeschluss zur Neufassung des § 18 Absatz 7 des Gesellschaftsvertrags unwirksam sei und das Gesellschaftsverhältnis der Beklagten zu dem Kläger unverändert fortbestehe. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg, ebenso die Revision.

Der BGH erläutert in seiner Urteilsbegründung zunächst, dass die Kapitalerhöhung wirksam beschlossen werden konnte, da durch § 4 Absatz 5 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages explizit festgelegt sei, dass auch bei nicht einstimmigem Beschluss die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen. Eine Kapitalerhöhung sei daher nach dem Gesellschaftsvertrag auch dann wirksam, wenn keine Einstimmigkeit erreicht wurde. Allerdings wäre in diesem Fall jedem einzelnen Gesellschafter die Erhöhung seiner Einlage freigestellt. § 4 Absatz 5 Satz 3 regele für diesen Fall, dass ein Gesellschafter, der seine Einlage nicht erhöhen wollte, eine Verringerung seines Gesellschaftsanteils hinzunehmen habe.

Urteilsbegründung des BGH: Kapitalerhöhung wirksam

Gemäß § 12 Absatz 1 Buchstabe g, Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages gilt - so der BGH - für Nachschusspflichten Entsprechendes. Nach der Auslegung des Gesellschaftsvertrages durch den BGH müssen daher sowohl eine Kapitalerhöhung wie auch eine Nachschusspflicht entweder einstimmig beschlossen werden oder eine Kapitalverschiebung dergestalt zur Folge haben, dass sich die Beteiligungsverhältnisse der nicht zustimmenden Gesellschafter verringern. Aus seiner Schlussfolgerung leitet der BGH sodann ab, dass ein Beschluss, nach dem die nicht zustimmenden Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden - zumindest gegenüber dem Kläger, der nicht zugestimmt hat - unwirksam ist.

Anders als man nach der Sanieren-oder-Ausscheiden-Entscheidung des BGH vom 19. Oktober 2009 (Aktenzeichen II ZR 240/09) hätte meinen können, verhielte sich der Kläger nach der neuen Entscheidung des BGH auch nicht treupflichtwidrig. Denn ein Gesellschafter sei im Allgemeinen nicht verpflichtet, einer seine eigene Gesellschafterstellung aufhebenden Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen. Der BGH führt aus, dass Grundlage gesellschafterlicher Treuepflichten der Gesellschaftsvertrag bilde. Erlaube ein eingegangenes Gesellschaftsverhältnis - wie im vorliegenden Fall keine berechtigte Erwartungshaltung gegenüber einzelnen Gesellschaftern, bestehe auch keine Treuepflicht.

Abgrenzung zu der Sanieren-oder-Ausscheiden-Entscheidung

In diesem Punkt grenzt sich der BGH eindeutig von seiner im Jahr 2009 gefällten Sanieren-oder-Ausscheiden-Entscheidung ab (Aktenzeichen II ZR 240/08). Darin sprach er noch davon, eine Zustimmungspflicht aus gesellschafterlicher Treue komme in Betracht, wenn sie mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis dringend erforderlich ist und die Änderung des Gesellschaftsvertrages dem Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen Belange zumutbar ist.

Wörtlich heißt es in der Sanieren-oder-Ausscheiden-Entscheidung weiter: "Den , risikobereiten' Gesellschaftern war es nicht zumutbar, die Gesellschaft mit den nicht zur Investition weiteren Kapitals bereiten Gesellschaftern fortzusetzen. Die Annahme des Berufungsgerichts, hier liege ein , normaler' Fall der Kapitalerhöhung vor, bei dem der nicht teilnehmende Gesellschafter (ohnehin) die Verwässerung seines Gesellschaftsanteils hinnehme, was keinesfalls zusätzlich seinen Ausschluss als , Bestrafung' für die Nichtzeichnung rechtfertige, weil diese Folge letztlich eine , mittelbare Nachschusspflicht' begründe, beruht auf einer unvollständigen tatrichterlichen Würdigung und rechtfertigt daher nicht die Ablehnung einer Zustimmungspflicht aus gesellschafterlicher Treuepflicht."

Weder Ausschluss noch Auseinandersetzungsfehlbetrag

Im aktuellen Urteil führt der BGH nunmehr aus, nach dem Gesellschaftsvertrag, mit dem sich jeder Gesellschafter vor Beitritt einverstanden erklärt hätte, konnte keine allgemeine Erwartungshaltung an die Gesellschafter gestellt werden und die Gesellschafter durften nicht darauf vertrauen, dass Mitgesellschafter im Fall einer Schieflage der Gesellschaft zu weiteren Einlagen bereit seien.

Nach der aktuellen Auffassung des BGH ist es nicht gerechtfertigt, eine vertretbare gesellschaftsvertragliche Regelung zu ändern, "nur" weil dies für angemessener erachtet wird. Der Kläger ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs also noch immer Gesellschafter des Fonds und hat auch keinen Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, da dieser erst bei Ausscheiden aus der Gesellschaft zu entrichten wäre.

Wie der BGH in seinem aktuellen Urteil selbst einräumt "kann diese Regelung (...) zu einer Besserstellung derjenigen Gesellschafter führen, die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen, indem sie durch den Beitrag der übrigen Gesellschafter zumindest teilweise von den auf sie entfallenden Gesellschaftsschulden frei werden und sogar - wenn auch in geringerer Höhe - an dem Gewinn beteiligt sind (...)."

Konsequenz: mögliche Besserstellung für Nichtzahler

Auch wenn der BGH hier vorsichtig formuliert, dass es zu einer Besserstellung kommen kann, ist dies praktisch zweifelsfrei der Fall. Eine solche Besserstellung sei - so der BGH - im zu entscheidenden Fall jedoch "in den Regelungen des Gesellschaftsvertrages selbst angelegt und daher von allen Gesellschaftern mit ihrer Beitrittsentscheidung in Kauf genommen worden."

Das neue Urteil des Bundesgerichtshofs hat enorme Bedeutung für Gesellschafter Geschlossener Fonds, die sanierungsbedürftig werden. Während der BGH in seiner Sanieren-oder-Ausscheiden-Entscheidung die konkrete Sanierungssituation als besonders gelagerten Ausnahmefall zu sehen schien, der die gesellschafterliche Treuepflicht begründen würde, stellt sich nach der neuen Entscheidung im Moment der Sanierung die Frage, ob denn nun ein "besonders gelagerter Ausnahmefall vorliegt, aus dem sich gesellschafterliche Treuepflichten ergeben" oder ein Fall, bei dem die "Besserstellung" derjenigen Gesellschafter, die nicht an der Kapitalerhöhung teilnehmen, hinzunehmen ist.

Die praktische Bedeutung des aktuellen Urteils geht über dessen ohnehin bemerkenswerten Inhalt weit hinaus. Mit der neuen Entscheidung weicht der BGH seine eigene Rechtsprechung derart auf, dass es fraglich wird, ob Sanierungsbemühungen vor diesem Hintergrund überhaupt noch erfolgreich sein werden, wie sich in der Praxis bereits jetzt - wohl auch als Reaktion auf die BGH-Entscheidung - zeigt.

Anleger müssen nach dem Urteil fürchten, dass sie durch die Zahlung eines Sanierungsbeitrages möglicherweise schlechter gestellt werden, als wenn sie nicht zahlen würden.

Wortlaut entscheidend

Dabei gilt es, viele Einzelfaktoren wie den genauen Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, das angestrebte Ergebnis der Sanierung sowie die finanziellen Konsequenzen der unterschiedlichen Möglichkeiten genau zu prüfen. Eine fundierte rechtliche Beratung wird deshalb für Gesellschafter immer wichtiger, um sich vor folgenschweren Fehlentscheidungen zu schützen.

Anlegern sei es geraten, sich im Sanierungsfall an einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht zu wenden. Der Prüfungsumfang für Anwälte wird sich durch das BGH-Urteil wesentlich erhöhen. Denn nur durch eine differenzierte Prüfung aller Einzelfaktoren kann sichergestellt werden, dass der eigene Mandant bestmöglich beraten wird.

Fußnote

*) Dieses und alle folgenden Zitate sind dem Urteil des Bundesgerichtshofs Aktenzeichen II ZR 122/09 vom 25. Januar 2011 entnommen.

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