Leitartikel

Eine stabile Säule?

"Die Landesbanken sind nicht nur in besonderem Maße von der Krise betroffen, sie weisen auch häufig eine geringe Rentabilität und wenig tragfähige Geschäftsmodelle auf. Der Sachverständigenrat empfiehlt deshalb, diese Institute zu privatisieren." Und weiter kritisieren die sogenannten Wirtschaftsweisen im aktuellen Jahresgutachten: "Sie (die Landesbanken, Anm. d. Red.) treten unter allen untersuchten Aspekten - betriebswirtschaftliche Effizienz und Zukunftsfähigkeit, gesamtwirtschaftlicher Wachstumsbeitrag durch eine effiziente Kapitalallokation sowie Stabilität - als Schwachpunkt des deutschen Finanzsystems hervor." Derber konnten die Zentralinstitute des deutschen Sparkassensektors kaum abgewatscht werden. Zu Recht?

Die Kritik ist harsch und über die Schlussfolgerung - vor allem über das Wie der angemahnten Privatisierung - wäre sicherlich noch trefflich zu streiten. Dennoch ist sie nicht ganz unberechtigt. Denn dass die Landesbanken auf geschäftspolitischer Orientierungssuche sind, beweisen allein schon die an Verzweiflungstaten grenzenden Fusions-Gedanken-Spielereien. Dabei offenbart sich freilich, dass die Gruppe trotz vieler Gemeinsamkeiten nicht homogen ist - was übrigens auch die Sachverständigen einräumen. So sind die Institute von der Finanzkrise durchaus unterschiedlich stark betroffen. Offensichtlich sind Helaba und Nord-LB bei der Bewältigung der Krise erfolgreicher als ihre Schwesterinstitute. Bezogen auf die Bilanzsumme und das Eigenkapital haben sie die niedrigsten Wertberichtigungen. Dagegen schneiden LBBW, HSH Nordbank, LBB, Bayern-LB und WestLB deutlich schlechter ab, auch wenn deren Belastungen längst nicht so gravierend sind wie bei der inzwischen unter dem LBBW-Dach als Sachsen-Bank firmierenden Sachsen-LB.

Insgesamt entfallen von den umgerechnet 48,8 Milliarden US-Dollar Wertberichtigungen deutscher Banken im Jahr 2007 mit 21 Milliarden US-Dollar überproportionale 43,1 Prozent auf die Landesbanken. Wurde hier doch nicht die konservative Risikopolitik gefahren, welche die Institute in der Vergangenheit so gerne und oft für sich reklamierten, oder wurde gar aus übertriebenem Sicherheitsdenken mehr abgeschrieben als nötig? Ersteres darf wohl als sicher gelten, Letzteres dagegen kaum. Über den Bedarf hinausgehende Korrekturen wären gegenüber den Bürgern (und dem Finanzplatz) unverantwortlich, denn schlussendlich haben die Steuerzahler die Lasten zu schultern. Und weil das so ist und sich die Geschäftsmodelle der Landesbanken vom Ursprung - nämlich Girozentrale der Sparkassen und Förderer der regionalen Wirtschaft zu sein - entfernten, ist das Plädoyer der Wirtschaftsweisen für eine Privatisierung durch Umwandlung der Institute in Aktiengesellschaften mit höchstens 25 Prozent öffentlichem Besitz, während den Rest Stiftungen und Sparkassen halten könnten, durchaus eine denkbare Perspektive für die Landesbanken und eine politische Option.

Die Ausweitung des Auslands- und des internationalen Interbankengeschäfts ist eine der Ursachen für die massiven Abschreibungen der Landesbanken. Gleichzeitig sorgte aber gerade deren Fokussierung auf internationale Finanzierungen dafür, dass die Probleme der Landesbanken einen allenfalls geringen Einfluss auf die Kreditkonditionen der inländischen Unternehmen haben. Um nämlich nicht mit den Sparkassen in der Region zu konkurrieren, verstärkten die meisten Landesbanken in den vergangenen Jahren ihre Auslandsaktivitäten - auch in der Immobilienfinanzierung. Inzwischen macht das internationale Kreditgeschäft knapp die Hälfte der Bilanzsumme von zusammen 1 587 Milliarden Euro dieser Institutsgruppe im Jahr 2007 aus. Ob in London, Paris oder New York, in Tokio oder Singapur, in Prag, Warschau oder Bukarest - weltweit stecken die Landesbanken ihre Setzlinge, um am Wachstum der Märkte zu partizipieren. Inzwischen sind es auch immer öfter Immobilien und Infrastrukturen, die weltweit finanziert werden.

Dagegen erreichen inländische Wohnungsbaukredite gerade einmal 3,6 Prozent und heimische Unternehmenskredite 13,5 Prozent der Bilanzsumme. Nach aktuellen Zahlen der Bundesbank (Stand März 2008), entfallen nur 94 Milliarden Euro beziehungsweise rund acht Prozent der inländischen Hypothekarkredite auf die Landesbanken (exklusiv der zu den Realkreditinstituten zählenden Landesbankentöchter Berlin Hyp und Westdeutsche Immobilienbank). Wird jedoch nach Nutzungsarten differenziert, so zeigt sich, dass die Spitzeninstitute des Sparkassensektors zwar bei wohnwirtschaftlichen Hypotheken weiterhin Marktanteile einbüßen und auf unter fünf Prozent rutschten, aber bei den gewerblichen Hypothekarkrediten zulasten der Realkreditinstitute und der Großbanken zulegen konnten: Mit 46 Milliarden Euro beziehungsweise einem Marktanteil von 18 Prozent rangieren sie nur noch knapp hinter Sparkassen (23 Prozent), Realkreditinstituten (22 Prozent) und Kreditgenossenschaften (20 Prozent).

Den Erfolg in der Immobilienfinanzierung belegen auch die jüngst vorgelegten Neugeschäftszahlen. Helaba (19,3 Milliarden Euro), LBB (10,2 Milliarden Euro), WestLB-Tochter Westdeutsche Immobilienbank (9,0 Milliarden Euro), LBBW (6,5 Milliarden Euro) und Nord-LB (6,0 Milliarden Euro) verzeichnen teils zweistellige Steigerungsraten. Dabei profitieren sie erheblich von der Schwäche jener akquisitionsstarken Wettbewerber, die ihre Forderungen derzeit nicht verbriefen können, sondern syndizieren müssen. Entsprechend sind die Zuwächse der Landesbanken weniger durch eigene Arrangements zustande gekommen, sondern im Konsortialgeschäft begründet. Wie günstig Kreditbeteiligungen momentan einzukaufen sind, offenbaren die Eigenkapitalrenditen der Landesbanken im Immobiliengeschäft. Diese sind so unverschämt gut, dass sie die meisten Institute für nicht kommunizierbar halten. Von 27 Prozent zum Beispiel bei der Bayern-LB und mehr ist die Rede. Doch gelten diese Werte für Balancesheet-Lender als nicht nachhaltig.

Deshalb sollten die Landesbanken jetzt ihre relative Stärke nutzen, um die Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu machen. Ein trotziges "Es geht doch" als Reaktion auf die Forderungen der Wirtschaftsweisen wäre kontraproduktiv. Diese Erkenntnis muss freilich auch die politischen Entscheider erreichen, denn vor allem deren nicht marktgerechter Einfluss auf die Geschäftspraxis "ihrer" Banken wird gerügt. Wozu dies führt, haben Sachsen und Nordrhein-Westfalen erst jüngst gezeigt. Mehr

Lehrstücke sollte es nicht brauchen. L. H.

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