Schwerpunkt Zukunft des Wohnens

Eine Stadt für alle - kommunale Wohnraumversorgung aus Sicht der Kölner Stadtkämmerei

Wie soll das Leben in der Stadt idealerweise aussehen? Welche Infrastruktur muss bereitgestellt werden, um eine Stadt als Heimat für alle regierbar, attraktiv, zukunftsfähig zu halten und dabei sozialen Frieden in einer heterogenen Gesellschaft sicherzustellen?

Das - im aristotelischen Sinne - "gute Leben" in der Stadt erfordert Antworten auf immer vielfältigere Entwicklungen - ein fordernder Prozess. Er verlangt städtischerseits kurzfristig in Konflikt stehende Ziele langfristig auszutarieren. So ist es auch mit dem Grundbedürfnis nach gutem Wohnen in der Stadt. Heute bedeutet dies in Köln als (demografisch junger) Metropole mit deutlicher Zuwanderung:

- private und öffentliche Investitionen in bezahlbaren und qualitativ ansprechenden Wohnraum,

- private und öffentliche Investoren, um diesen Wohnraum zu schaffen und ihren Beitrag zu leisten, die Nachbarschaften langfristig zu entwickeln.

Köln bedarf eines vielfältigen, angemessenen Angebots an Wohnraum für alle, die ihre Heimat in der Stadt suchen und finden, in Räumen, die Sicherheit und Zusammenleben, Qualität und Solidarität gewährleisten. Das in einer Zeit, in der die Wohnungsmärkte allein überfordert sind, den erforderlichen Ausgleich herzustellen.

Angespannte Wohnungssituation

Während Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren mit einem Bevölkerungsrückgang zu rechnen hat, ist Köln mit seinen derzeit 1 044 555 Einwohnern und rund 50 000 zusätzlichen Bewohnern bis zum Jahr 2020 eine Stadt auf Wachstumskurs. Bis zum Jahr 2029 bedeutet das einen zusätzlichen Bedarf von rund 52 000 Wohnungen.

Die Menschen, die hier arbeiten, sowohl in Köln als auch in der Region, benötigen immer mehr Wohnraum, und sie benötigen ihn in sämtlichen Preislagen, auch in den günstigen Segmenten. Der Zuzug von neuen Einwohnern und der entsprechende Anstieg der Wohnungsnachfrage haben allerdings auch die Immobilienpreise in den letzten Jahren erheblich anziehen lassen. Der Wohnungsbestand in Köln insgesamt ist zwar gewachsen, gleichzeitig schrumpft das Angebot an geförderten Wohnungen aber massiv. Dies liegt unter anderem daran, dass das Kontingent an geförderten Wohnungen aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren aus der Mietpreisbindung herausfällt. Zudem war die Wohnungsbauförderung 2012 erheblich rückläufig.

Das Interesse von Investoren an sozialem Wohnungsbau ist zwar erkennbar, allerdings scheinen die Anreize nicht wirklich zeitnah und bedarfsgerecht zu greifen. Wurden im Ergebnis im Jahr 2012 nur 210 Mietwohnungen mit Landesmitteln in Höhe von 22,1 Millionen Euro gefördert, so waren es 2011 noch 663 Wohnungen, die mit Landesmitteln in Höhe von 66,1 Millionen Euro gefördert wurden. Nur etwa 25 Prozent der bereitgestellten Landesmittel konnten eingesetzt werden, ein neues städtisches Förderprogramm, das die Landesförderung ergänzen sollte, kam gar nicht erst zum Zug.

Damit verschärfen sich Probleme der Bevölkerungsgruppe, die mit geringen oder mittleren Einkommen auf dem Wohnungsmarkt Kölns mit höheren Einkommensgruppen konkurrieren müssen. Die Gefahr einer weiteren Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich nimmt weiter zu, ebenso wie die Gefahr, dass durch die zunehmende Gentrifizierung das Wohnen in Städten bald nur noch für Besserverdienende erschwinglich sein wird und Stadtzentren "Reichenghettos" werden, in denen diejenigen sich das Wohnen nicht mehr leisten können, deren Hilfsleistungen unabdingbar sind (Krankenschwestern und Polizisten zum Beispiel).

Gemeinsame Lösungen

Verdrängung und Exklusion von Gesellschaftsgruppen mit geringem oder schwachem Einkommen bergen ein erhebliches Risiko, von den sozialen Folgekosten auch für den städtischen Haushalt ganz zu schweigen. Eine segmentierte Stadt verliert für die gut gebildeten und weltoffenen Mittelschichten an Anziehungskraft, wie Studien zeigen. Das wiederum wirkt sich auf die Standortattraktivität für Unternehmen aus. Verfestigt sich ein solcher Prozess, entstehen Risiken für die Erträge - Einkommenssteueranteil wie Gewerbesteuer sind betroffen. Das regionale Bruttoinlandsprodukt wird die negativen Folgen messbar machen. Das ist nicht wünschenswert. Die Erhaltung der Stadt als Heimat für alle ist elementar wichtig - Ausgrenzung kann und will sich Köln nicht leisten.

Eine Kommune muss sich diesem Spannungsverhältnis zwischen dem Handeln zahlungskräftiger Investoren auf dem freien Markt einerseits und der Bereitstellung von günstigem Wohnraum andererseits durch eine realistische Marktanalyse und kluge Maßnahmen stellen und Lösungen anbieten.

Das "gute Leben in einer Stadt" liegt nicht in der alleinigen Verantwortung der öffentlichen Hand. Auch für einen Standort wichtige Unternehmen können dazu beitragen. Gerade für in den Renditeerwartungen nachhaltig aufgestellte, nicht auf den "schnellen Euro" angewiesene Unternehmen kann sich ein Engagement an einem finanziell stabilen Standort wie Köln mit seiner positiven demografischen Dynamik durchaus mittelfristig rechnen. Köln ist unter anderem ein wichtiger Standort für Versicherungen. Warum profitiert der Standort nicht stärker von einem Engagement dieser Branche? Wa rum liegt der Bestand, den Erstversicherer und regulierte Versorger überhaupt noch in Immobilien direkt halten bei lediglich 2,3 Prozent der Kapitalanlagen?

Betrachtet man die Investitionstätigkeit von Versicherungen und Pensionsfonds in den vergangenen Jahren, so zeigt sich, dass direkte Investitionen in Immobilien unattraktiv geworden sind. Sie müssen im Direktbestand aus dem Eigenkapital finanziert werden, sodass laufende Abschreibungen, Modernisierungen, Verwaltungsaufwendungen direkt als Aufwand zulasten der Rendite gehen. Bei einer Investition über Fonds bestehen diese Nachteile nicht.

Es geht also darum, der Metropole Köln verbundene Unternehmen auch als Wohnrauminvestoren zu gewinnen und gemeinsam nach Wegen zu suchen, die Chancen von Immobilieninvestitionen am Standort Köln zu erkennen. Finanziell stabil und als Zuwanderungsregion mit Zukunftsclustern lassen sich hier zwar keine Spitzenrenditen, aber stabile Erträge bei einem gut einschätzbaren Risiko erzielen.

Die wesentlichen Fragen, die hierbei gestellt werden müssen, sind: Wie können institutionelle Investoren mit Interesse an nachhaltigen Finanzanlagen in Anbetracht des historisch niedrigen Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt und der im freifinanzierten Segment erzielbaren hohen Mieten wieder für die (soziale) Wohnraumförderung gewonnen werden? Müssen die Förderbedingungen verändert werden? Oder sind anstatt neuer Anreize klare Vorgaben für Unternehmen der Wohnungswirtschaft gefragt, neben freifinanzierten Wohnungen auch Sozialwohnungen zu errichten?

In Köln wird an diesen Fragestellungen intensiv gearbeitet. Eine aktuelle Beschlussvorlage, die im Dezember 2013 im Kölner Rat behandelt wurde, stellt das "Kooperative Baulandmodell" vor. Der Leitgedanke hierbei ist, dass diejenigen Investoren, die von der städtischen Bauplanung profitieren, auch einen Beitrag zur Entwicklung Kölns leisten sollen.

Das Baulandmodell

Das Modell sieht eine Beteiligung der Bauherren an den Kosten etwa für Erschließung und soziale Infrastruktur und bei Bauprojekten ab 20 Wohnungseinheiten einen Mindestanteil an öffentlich geförderten Wohnungsbau von 30 Prozent vor. Wo das Baulandmodell nicht anwendbar ist, will die Stadt mit einem Zuschuss von 150 Euro je Quadratmeter Wohnfläche finanzielle Anreize bewirken.

Dieses Modell unterstützt die Haushaltskonsolidierung in Köln, die neben den notwendigen kurzfristigen Einspareffekten auf langfristig stabile Sanierungseffekte für den Haushalt setzt. Erfahrungen anderer Städte, zum Beispiel Münchens zeigen: Es wurden keine Preiseinbrüche auf dem Grundstücksmarkt beobachtet, sondern starke Preisanstiege und Spekulationsgewinne verhindert.

Im Rahmen eines "Stadtentwicklungskonzepts Wohnen" werden weitere Optionen geprüft, zum Beispiel die Umwidmung von Bauland für Ein- und Zweifamilienhäuser zugunsten des Geschosswohnungsbaus, die Umwandlung von Gewerbeflächen sowie die Ausschreibung und der Verkauf von Flächen mit einer wohnungspolitischen Zielsetzung an solche Investoren, die das beste Konzept zur Wohnungsbebauung vorweisen können und nicht nur den höchsten Preis zahlen.

Infrastrukturen enden nicht an den Stadtgrenzen. Es entspricht einer zukunftsorientierten Sicht, die gesamte Metropolregion im Blick zu haben und Potenziale sinnvoll zusammenzuführen. Als Teil der europäischen "Metropolregion Rhein-Ruhr" ist die "Metropolregion Köln/Bonn" seit 2008 im "Initiativkreis Europäischer Metro polregionen in Deutschland" (IKM) etabliert.

Netzwerke

Eine wichtige Funktion in dem Rahmen übernimmt auch der Verein "Region Köln/Bonn e.V.", der seit 1992 als Zusammenschluss der kreisfreien Städte Köln, Bonn und Leverkusen sowie der Kreise Rhein-Sieg-Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Rhein-Kreis Neuss, Oberbergischer Kreis und Rheinisch-Bergischer Kreis agiert. Als zentrale Informations- und Koordinierungsstelle konzentriert sich der Verein auch darauf, regionalpolitische Grundsatzfragen und Handlungsfelder in der Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung Köln und dem Land Nordrhein-Westfalen abzustimmen und sich in der Bundesrepublik und der Europäischen Union zu positionieren.

Zudem hat sich das Kölner Netzwerk "Daseinsvorsorge" mit Spitzenvertretern aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft gegründet. Das Netzwerk repräsentiert dabei wichtige kommunale Dienstleister, die mit ihrem Angebotsspektrum die Grundversorgung der Bürger in der Metropolregion dauerhaft und nachhaltig gewährleisten wollen. Hierbei ist die "Wohnraumversorgung" als wichtiges Feld der "Daseinsvorsorge" identifiziert worden bei dem Handlungsnotwendigkeit besteht.

Das Thema öffentlich geförderter Wohnungsbau beziehungsweise regulierter Wohnungsmarkt hat längst eine europäische Dimension angenommen. Fast 30 europäische Städte haben sich kürzlich in einer Resolution an die Europäische Kommission gewandt, und gefordert, den geförderten Wohnungsbau nicht ausschließlich auf einkommensschwache Gruppen zu begrenzen, sondern weiterhin breiten Bevölkerungsschichten zu ermöglichen. Für Städte ist es im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip unabdingbar, die Kriterien für den sozialen Wohnungsbaubau auch in Zukunft selber festlegen zu können.

Viel ist zu tun, manche Rahmenbedingungen sind zu ändern. Aber: "Eine Stadt für alle" als Baustein stabiler Kommunalfinanzen in Köln ist unverzichtbar.

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