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In die Tiefe und in die Breite - Technische Due Diligence

Technische Due Diligence hat heute kaum noch etwas mit dem zu tun, was Anfang des Jahrtausends aus dem angloamerikanischen Raum nach Deutschland kam. Die ursprüngliche Due Diligence war eine relativ oberflächliche Untersuchung beim Ankauf von Immobilien, die in der Regel unter hohem Zeitdruck durchgeführt wurde und daher nur eine recht grobe Risikoabschätzung künftiger Kosten war. Die Prüfkriterien variierten je nach Auftraggeber, gingen jedoch über eine Zustandsbeschreibung von Außenanlagen, Erschließungssituation, Dach, Fassade, Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen sowie der baurechtlichen Situation selten hinaus. Hinzu kam, dass sie insbesondere bei großen Portfoliotransaktionen nur stichpunktartig durchgeführt wurde.

Von der Ankaufszur Bestandsprüfung

Mit der gegenwärtigen Schwäche des Transaktionsmarkts jedoch wandelt sich die technische Due Diligence zunehmend zu einem Instrument für Bestandshalter. Sie dient immer häufiger der detaillierten Analyse der eigenen Immobilie und umfasst deutlich mehr Prüfkriterien als früher - bei Bedarf auch über rein technische Aspekte hinaus. Die neuen Prüfkriterien haben entsprechend nicht nur den Schwerpunkt, die kurz-, mittel- und langfristigen technischen Mängel einer Immobilie zu identifizieren. Im Fokus stehen darüber hinaus mögliche Maßnahmen, die die Markteigenschaften des Gebäudes verbessern. Sie werden abgeleitet aus Markt- und Standortanalysen, der Analyse der Drittverwendungsfähigkeit aufgrund der baurechtlichen und der Marktsituation oder einfach aus den Nutzerbedürfnissen - dies kann beispielsweise der Vorschlag sein, einen zusätzlichen Aufzug zu installieren, wenn die Kapazitäten der vorhandenen Anlage nicht ausreichen.

Definiert sind die Prüfkriterien jedoch nicht, sodass Unternehmen wie Dekra je nach Objekt zunächst den Rahmen der Prüfung bestimmen. Dieser kann auch weit über die technische Untersuchung hinaus wirtschafts- oder steuerrechtliche Aspekte betreffen, wenn beispielsweise aufgrund von Gesetzesänderungen bei Abschreibungsmöglichkeiten oder der Bilanzierbarkeit von Immobilien neue Spielregeln gelten. Die technische Due Diligence wird dann zur umfassenden Due Diligence: Das Prüfunternehmen weist den Eigentümer darauf hin, dass eine Prüfung aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen erforderlich ist, und spricht eine Empfehlung aus, entsprechend Experten der erforderlichen Fachdisziplinen hinzuzuziehen.

Bei der technischen Untersuchung berücksichtigen Prüfgutachter heute deutlich stärker als früher die Restlebensdauer der einzelnen Bauteile. Bei Mängeln unterscheiden sie entsprechend, wie schnell der Eigentümer reagieren muss. Kurzfristig beziehungsweise sofort sind solche Mängel zu beheben, die ein akutes Sicherheitsrisiko darstellen. Mittelfristige Mängel umfassen Aspekte, die zu Schäden an der Bausubstanz führen, wenn sie nicht innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre beseitigt werden. Langfristige Mängel betreffen ein Zeitfenster von sechs bis zehn Jahren. Bei Aufzugsanlagen beträgt die durchschnittliche Lebensdauer etwa 50 Jahre - dann sind in der Regel deutliche Ermüdungserscheinungen beim Antrieb, bei der Steuerung und bei den Seilen festzustellen. Ist ein Gebäude bei der Prüfung bereits 40 Jahre alt, ist es zum Beispiel wahrscheinlich, dass in den kommenden zehn Jahren Maßnahmen am Aufzug erforderlich werden. Ein weiteres Beispiel sind sogenannte bituminöse Abdichtungen, die das Eindringen von Feuchtigkeit ins Mauerwerk oder bei Flachdächern verhindern. Hier liegt die durchschnittliche Lebensdauer bei etwa 25 Jahren. Bei Immobilien aus der Wendezeit ist entsprechend damit zu rechnen, dass die Abdichtung vieler Objekte in den kommenden Jahren erneuert werden muss.

Zu den jüngeren Prüfkriterien zählen auch Nachhaltigkeitsaspekte und die Analyse, wie energieeffizient ein Gebäude ist. Hierbei spielen die nationalen und internationalen Zertifikate wie Leed (USA), Breeam (Großbritannien) oder das Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen eine wichtige Rolle. Dieses sind privatwirtschaftliche Standards. Hinzu kommt der deutsche Energieausweis gemäß Energieeinsparverordnung, der ab 1. Juli 2009 für gewerbliche Immobilien gesetzlich vorgeschrieben ist.

Nachhaltigkeit

Bei der technischen Due Diligence muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Aussagekraft des jeweiligen Zertifikats unterschiedlich ist - die deutschen Standards gelten hier als führend. Außerdem treffen die Zertifikate nicht zwangsläufig Aussagen darüber, in welchem Umfang die Nebenkosten durch die Nutzung von alternativen Energien, Dämmung oder ähnlichem sinken. Die zweite Miete kann trotz vorliegenden Zertifikats hoch sein denn sie fließt mit unterschiedlichem Gewicht in die Zertifikate ein, außerdem sind die Voraussetzungen je nach Immobilie anders.

Ein Gebäude beispielsweise, das eine vor- und zurückspringende Fassade aufweist, hat aufgrund der dadurch größeren Fassadenfläche auch größere Wärmeverluste. Um einen ersten Eindruck zu erhalten, werden hier Quick-Checks durchgeführt. Hier wird identifiziert, in welchem Bereich das Gebäude angesiedelt sein könnte. In der technischen Due Diligence werden dann entsprechende Empfehlungen ausgesprochen, ob und mit welchen Maßnahmen ein höherer Standard erreichbar wäre und inwiefern die Immobilie hiervon zusätzlich profitieren könnte.

Schäden identifizieren

Technische Due Diligence dient auch dazu, Schäden zu identifizieren, die durch unsachgemäße Einbauten durch Mieter entstanden sind. Hintergrund ist: Vermieter haben es in der jüngeren Vergangenheit häufig den Mietern überlassen, die nötigen Ein- und Umbauten zu Beginn des Mietverhältnisses vorzunehmen. Vermieterseitig bedeutete dies, die Kosten für Einbauten einzusparen. Außerdem konnten auf diese Art die Wünsche des Mieters ideal berücksichtigt werden - bei einem vorherigen Ausbau ohne Kenntnis des Mieters hingegen nicht. Der Mieter hat als Ausgleich eine mietfreie Zeit erhalten. Je nachdem, ob es sich um einen wichtigen Ankermieter handelt, hat die mietfreie Zeit bis zu zwölf Monate betragen. Diese Praxis stellt sich nun als problematisch heraus, weil die Mietereinbauten in vielen Fällen nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechen - häufig wurden sie gar nicht abgenommen. Die Probleme reichen vom Verbauen von Fluchtwegen über Türen, die die Brandschutzanforderungen nicht erfüllen, bis hin zu Brand- oder tragenden Wänden, die perforiert wurden und damit ihre Funktion nur noch teilweise erfüllen. Weitere Fälle sind umgebaute Lüftungsanlagen, bei denen die Brandschutzklappen weggelassen wurden, oder auch Nutzungen, die gar nicht zulässig sind.

Ein Beispiel hierfür sind Gebäude, die ursprünglich als Büro genutzt werden sollten, später aber Schulungszwecken dienen und Seminarräume aufweisen. Hier greifen gänzlich andere rechtliche Anforderungen als bei Büros. Um die Schäden zu beheben, die durch die Mieterein- und umbauten entstanden sind, müssen häufig zwischen zehn und 15 Prozent des Verkehrswerts einer Immobilie aufgewendet werden. Die technische Due Diligence wandelt sich von der ehemals oberflächlichen Auflistung technischer Mängel bei der Ankaufsprüfung zu einer umfassenden Eigentümerberatung - auch wenn keine konkrete Verkaufsabsicht besteht. Dies beginnt bereits im Vorfeld der Prüfung, wenn die Prüfgesellschaft den Eigentümer dahingehend berät, was überhaupt geprüft werden soll.

Neben den technischen Aspekten stehen ganz allgemein auch die Chancen eines Objekts auf dem Prüfstand - von der rechtlichen und faktischen Drittverwendungsfähigkeit bis hin zu möglichen technischen Einbauten, die die Fungibilität und damit den Wert eines Objekts erhöhen. Ein Patentrezept für eine umfassende Due Diligence gibt es jedoch nicht. Prüfkriterien und -umfang müssen stets aufs Neue auf das jeweilige Objekt abgestimmt werden.

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