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Wegfall der Umsatzsteuer auf NPL-Verkäufe - wann kommt die Umsetzung durch das BMF?

1. Bundesfinanzhof Urteile

Der Bundesfinanzhof hat sich in seinen beiden grundlegenden Urteilen (BFH vom 26. Januar 2012, Az. V R 18/08 und BFH vom 4. Juli 2013, Az. V R 8/10) festgelegt, dass bei dem Verkauf und Ankauf zahlungsgestörter Forderungen keine Umsatzsteuer anfällt.1) Die Zurückverweisung beider Fälle an die erstinstanzlichen Finanzgerichte beeinträchtigt diese grundsätzliche Haltung nicht, da es dort nur noch um die Korrektur der Vorsteuer im Einzelfall geht.

Es macht daher aus der Sicht des Bundesfinanzhofes keinen Sinn, in der Abtretung einer zahlungsgestörten beziehungsweise notleidenden Forderung die Übernahme einer Serviceleistung zu integrieren und diese der Umsatzsteuerpflicht zu unterwerfen.

Der Erwerber von zahlungsgestörten Forderungen kann sich demnach zukünftig die nach Abschnitt 2.4 Ziff. 7 und 8 Umsatzsteuer-Anwendungserlass vorzunehmende Berechnung des wirtschaftlichen Nennwerts ersparen. Allerdings entfällt parallel die Unternehmereigenschaft im Zusammenhang mit dem Erwerb zahlungsgestörter Forderungen. Damit verliert der Forderungskäufer die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aller im Zusammenhang mit dem Forderungserwerb gezahlter Umsatzsteuer beziehungsweise sogar generell die Vorsteuerabzugsberechtigung.

Schon daraus ist erkennbar, dass die Umsetzung der beiden grundlegenden Urteile weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen werden.

- Zum einen werden die gebotenen Kaufpreise wieder vergleichbar, da die in den einzelnen Bundesländern getroffenen Absprachen und Handhabungen zwischen den lokalen Finanzverwaltungen und den Forderungskäufern entfallen.

- Zum anderen bedarf es einer unternehmensinternen Veränderung, um den Wegfall des Vorsteuerabzugs nur auf den Bereich des Forderungsankaufs zu beschränken.

2. Bundesfinanzministerium und Länderfinanzverwaltungen

Das Bundesfinanzministerium hatte mit BMF-Schreiben vom 3. Juni 20042) die Umsatzsteuer auf die im Rahmen einer Forderungsübertragung enthaltene Serviceleistung durch den anschließenden Forderungseinzug ins Rollen gebracht. Mit einem sich in Bearbeitung befindlichen BMF-Schreiben, welches hoffentlich noch vor dem Jahresende 2014 fertig wird, wird das Bundesfinanzministerium die vom Bundesfinanzhof getroffenen Entscheidungen allgemeingültig machen und den Abschnitt 2.4 Ziff. 7 und 8 Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend abändern. Vorgeschaltet ist jedoch die notwendige Abstimmung mit den Länderfinanzverwaltungen.

Es geht dabei vor allem darum, die in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Verkäufe von zahlungsgestörten Forderungen nicht wieder aufzurollen und auch laufende Verkäufe bis zu einem noch festlegenden Stichtag der bisherigen Regelung aus Abschnitt 2.4 UStAE zu unterwerfen. Es gilt also bis zu diesem Stichtag die alte Rechtslage weiter, was bedeutet, dass weiterhin Umsatzsteuer bei entsprechenden Verkäufen abgeführt werden muss. Erst ab dem Stichtag wird zukünftig keine Umsatzsteuer mehr abzuführen sein.

3. BMF Rundschreiben

Der voraussichtliche Inhalt des BMF-Schreibens wird sich auf die beiden grundlegenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofes beziehen.

a. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird für allgemeingültig erklärt und damit auf alle Fälle des Verkaufs beziehungsweise Ankaufs von zahlungsgestörten Forderungen Anwendung finden.

b. Es wird eine neue Definition der "zahlungsgestörten Forderung" geben. Hier wird es aller Voraussicht nach eine Anpassung an die international schon lange gebräuchliche Definition geben, die auch die European Central Bank im Rahmen des Comprehensive Assessment zur Grundlage gemacht hat: eine Forderung ist dann als zahlungsgestört anzusehen, wenn 90 Tage Zahlungsverzug besteht oder die Kündigungsreife hergestellt ist.

c. Ab einem noch festzulegenden Stichtag wird die Umsatzsteuerpflicht bei dem Verkauf oder Ankauf von zahlungsgestörten Forderungen entfallen; der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wird entsprechend geändert.

d. Noch unklar ist, wie die Regelung bezüglich der Unternehmereigenschaft ausfallen wird. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofes reichte es für die Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht aus, dass durch den Erwerb zahlungsgestörter Forderungen über den Forderungseinzug Einnahmen erzielt werden, da es insoweit an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehlt.

e. Davon auszugehen ist, dass es für bereits abgeschlossene Verkäufe beziehungsweise Käufe von zahlungsgestörten Forderungen zu einer Nichtbeanstandungsregelung kommen wird.

f. Des Weiteren kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es bezüglich laufender Verkaufsverfahren beziehungsweise für revolvierende Verkaufsverträge zu einer Übergangsregelung bis zum Stichtag kommen wird.

4. Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V.

Die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing hat sich als Interessenvertretung der Mitglieder, die überwiegend aus dem Bereich der Forderungskäufer stammen, sowohl mit dem Bundesfinanzministerium, als auch mit einzelnen Länderfinanzverwaltungen zu diesem Umsatzsteuerthema auseinandergesetzt und schriftlich detailliert ausgearbeitete Vorschläge eingereicht.4) Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Fallkonstellation der beiden Urteile nicht durchgehend auf alle Arten der Übernahme von Forderungsbeständen passt. Zum Beispiel handelt es sich nicht bei allen Forderungsverkäufen um titulierte Forderungen. Soweit teilweise zahlungsgestörte Forderungen unmittelbar nach der Kündigung des Grundgeschäfts, teilweise mit einer bestehenden Rückzahlungsvereinbarung, veräußert werden, besteht vielmehr eine unmittelbare Nähe zum Factoringbereich.

5. Offene Fallkonstellationen

In den Ausgangssachverhalten der beiden Urteile des Bundesfinanzhofes ging es um den klassischen Fall, dass der Forderungserwerber selbst den nachfolgenden Einzug der Forderungen übernimmt. Es gibt allerdings auch andere Fallkonstellationen derart, dass der Forderungserwerber ein Drittunternehmen mit dem Forderungseinzug beauftragt. Auch in der Art und Weise der Forderungsübertragung - im Ausgangsfall der Urteile war dieses ein "True Sale" - gibt es Variationsmöglichkeiten. Diese sollen nachstehend kurz dargestellt werden.

a. Steuerbare und nicht steuerbare Umsätze gemäß § 3 Abs. 4 UStG

Sofern ein Unternehmen sowohl steuerpflichtige Inkassodienstleistungen erbringt, als auch nichtsteuerbare Portfolien mit zahlungsgestörten Forderungen erwirbt, könnte eine Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG erfolgen. Die in § 15 Abs. 4 UStG vorgeschlagene Schätzung des steuerbaren Anteils beziehungsweise die prozentuale Aufteilung der steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze ist jedoch insoweit schwierig, als dass die Inkassodienstleistung sofort bestimmbar ist, während die Einzugsleistung aus dem Forderungserwerb erst fortlaufend in den Folgejahren - die Verjährung einer titulierten Forderung tritt erst nach 30 Jahren ein - erfolgt und daher schwer zu bestimmen ist. Hier könnte nur mit einem Schätzverfahren operiert werden.

b. Vorsteuerabzug bei fehlender Unternehmereigenschaft.

Die Finanzverwaltung könnte zudem einen Vorsteuerabzug trotz nichtwirtschaftlicher Tätigkeit auch bei dem Erwerb zahlungsgestörter Forderungen zulassen. Paralleles Beispiel aus der Steuerpraxis hierfür ist das Halten von Beteiligungen mit der Erwartung einer Dividende beziehungsweise eines Veräußerungsgewinns, welches von der Finanzverwaltung als nichtwirtschaftliche Tätigkeit gewertet wird. Dennoch wird, sofern die Beteiligung zur Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten Tätigkeit gehalten wird, die unternehmerische Veranlassung anerkannt und dementsprechend auch die Vorsteuerabzugsberechtigung. Diese Fallkonstellation könnte beispielsweise auf den Sachverhalt angewendet werden, wenn aus einem bestehenden Inkassodienstleistungsvertrag heraus in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Forderungskäufe getätigt werden und die Forderungskäufe als Hilfstätigkeit zur steuerpflichtigen Inkassodienstleistung anzusehen sind.

c. Vereinbarungen über Kaufpreisnachzahlungen beziehungsweisereduktionen

In Bezug auf die Unternehmereigenschaft geht der Bundesfinanzhof davon aus, dass eine solche bei dem Erwerb zahlungsgestörter Forderungen nicht vorliegt, wenn der Kaufpreis für diese Forderungen unterhalb deren Nennwert liegt und dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderungen zum Zeitpunkt der Übertragung entspricht. Damit sind aber bei Weitem nicht alle Fallkonstellationen abgedeckt. Es gibt eine Vielzahl von Transaktionsverträgen, die eine spätere Kaufpreisnachzahlung beziehungsweise eine Kaufpreisreduktion vorsehen. Es stellt sich daher die grundsätzliche Frage, wie diese Veränderungen der ursprünglich vereinbarten Kaufpreise zu behandeln sind. Die entstehende Diskrepanz zwischen dem wirtschaftlichen Wert und dem Kaufpreis könnte dazu führen, dass dann wiederum von einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung des Forderungskäufers auszugehen wäre, was wiederum diesen zu einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer machen würde.

d. Gemischte Portfolien

Ebenfalls nicht geklärt ist der Fall, dass nach der Definition der Zahlungsstörung in einem Portfolio nicht zahlungsgestörte und zahlungsgestörte Forderungen gemeinsam enthalten sind. Fraglich ist, ob hier eine Gesamtbetrachtung des Portfolioverkaufs erfolgen müsste oder eine separate Betrachtung des zahlungsgestörten und nicht zahlungsgestörten Anteils. In Betracht kommt als Lösung auch, dass die Entscheidung nach dem Mehrheitsverhältnis getroffen wird.

e. Übertragung durch stille Zession

Gerade im Bereich der Abtretung von Kreditforderungen nicht unüblich ist der Verkauf von Forderungen mittels einer stillen Zession. Während im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer die Forderungen wirtschaftlich abgetreten werden, verbleibt die Verwaltung und Einziehung der Forderungen im Außenverhältnis gegenüber dem Kreditnehmer beim Verkäufer. Gemäß Abschnitt 2.4 Ziffer 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses erbringt der Forderungskäufer in diesem Fall keine steuerbare Dienstleistung, da der tatsächliche Einzug der Forderungen beim Verkäufer verbleibt.

Keine rasche Umsetzung zu erwarten

Nachdem der Europäische Gerichtshof bereits im Herbst 2011 die Berechtigung zur Erhebung von Umsatzsteuer auf den Verkauf zahlungsgestörter Forderungen verneint hatte und der Bundesfinanzhof mit seinem ersten Urteil Anfang 2012 diesem vollumfänglich gefolgt war, war die Hoffnung in der Branche der Forderungskäufer groß, das Umsatzsteuerthema schnellstens ad acta legen zu können. Damals hat man allerdings nicht damit gerechnet, wie langsam die Mühlen in den Ministerien teilweise mahlen.

Das Grunddilemma besteht darin, dass die mit BMF-Schreiben aus dem Jahr 2004 geregelte Umsatzbesteuerung auf Forderungsverkäufe einen absoluten Sonderfall darstellt, den die Finanzbehörden zwar umgesetzt haben, aber im Grundsatz nicht nachvollziehen können. Dieses umso mehr, als die Umsatzbesteuerung von entsprechenden Forderungskäufen im Entwurf des BMF-Schreibens zur Umsetzung der MKG Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eigentlich ausdrücklich ausgeschlossen worden war.

Umso mehr mag es dann verwundern, dass es bis in das Jahr 2008 gedauert hat, bevor sich ein Forderungskäufer gegen die als ungerecht empfundene Umsatzbesteuerung gewandt hat. Die nun nicht mehr gewollte Regelung aufzuheben und jetzt neu zu entwickeln gehört leider immer noch nicht zum "Kerngeschäft" des Bundesfinanzministeriums. Daher wird sich die Umsetzung auch noch etwas hinziehen. Für den Bundesfinanzminister bleibt der Trost, dass in der Zwischenzeit noch die alte Regelung gilt und somit nach wie vor Umsatzsteuer auf den Verkauf beziehungsweise Ankauf von zahlungsgestörten Forderungen zu zahlen ist.

Fußnoten

1) Grundsätzlich dazu Keibel, Jörg: NPL und Umsatzsteuer - quo vadis?, BKS Jahrespublikation 2013, Seite 12 ff.

2) IV B7-S7104-18/04, BStBl I 2004, Seite 737

3) European Central Bank, Note on the Comprehensive Assessment, sec. 4, Frankfurt February 2014

4) Vergleiche Keibel, Jörg: BKS Jahrespublikation 2013 a.a.O. sowie BKS Jahrespublikation 2014, Seite 31 ff.

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