MIPIM-Special

Worauf sich Immobilienbanken und Investoren einstellen müssen

Im Frühjahr 2009 steht die Welt noch immer inmitten einer der schwersten systemischen Krisen des internationalen Finanzsystems. Fast zwei Jahre nach deren Ausbruch leiden weltweit Finanzinstitute, Investoren/Anleger und die Volkswirtschaften unter den Folgen des Platzens von (Immobilien-)Blasen, einem beispiellosen Wertverlust von Assets, dem Zusammenbruch bedeutender Marktteilnehmer, dem rapiden Bedeutungsverfall des Investmentbanking und schließlich der Übertragung der Finanzkrise auf die internationale Realwirtschaft.

Überprüfung von Geschäftsmodellen und Dienstleistungen

Die Finanzkrise zieht einen globalen Anpassungsprozess nach sich. Die Insolvenz von Lehman Brothers wirkt wie der Beginn einer neuen Zeitrechnung für die Banken, die von massiven staatlichen Eingriffen gekennzeichnet ist. Staatliche Unterstützung scheint gegenwärtig das einzige Heilmittel zu sein, mit dem das internationale Finanzsystem stabilisiert werden kann.

Der Vertrauensverlust hat inzwischen auch auf robuste Marktteilnehmer übergegriffen, einzelne Marktsegmente sind weitgehend zum Erliegen gekommen, die Bemühungen der Europäischen Zentralbank, den Geldhandel zu normalisieren, hatten bislang nur eingeschränkt Erfolg.

Das ausgeprägte und weit verbreitete Kurzfristdenken an den Märkten und ein Renditestreben, bei dem die Latte des als wettbewerbsfähig geltenden "Return on Equity" immer höher gelegt wurde, zählen zu den tieferen Ursachen der Krise. Hier bedarf es klarer Signale, dass ein Umdenken stattfindet. Eine gründliche Überprüfung bisheriger Vorgehensweisen muss sich auf alle Bereiche erstrecken: auf die Geschäftsusancen und Dienstleistungsangebote, auf das Risiko- und Portfoliomanagement, auf die Geschäftspläne und Geschäftsziele, kurz, auf alle Facetten des Geschäftsmodells.

Bei einer solchen Überprüfung muss auch eine Antwort darauf gefunden werden, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, dass Finanzinstrumente wie Verbriefungen und die Strukturierung von Forderungen, die lange Jahre zum Vorteil von Banken, Kreditnehmern und Kapitalmärkten intensiv genutzt worden sind, durch die Krise "verbrannt" und somit nicht mehr am Markt unterzubringen sind.

Produktselektion durch den Markt

Diese Produkte waren auch in Deutschland als wichtige Instrumente für die Immobilienfinanzierung etabliert. Damit ließ sich auf der einen Seite das Portfolio der Banken unter Risikogesichtspunkten besser steuern. Auf der anderen Seite eröffneten sich darüber auch für kleinere Immobilieninvestoren Chancen, das erforderliche Kapital über den Kapitalmarkt zu beschaffen.

Auch Kapitalmarktprodukte, wie etwa wertpapierähnliche, leicht übertragbare Collateralized Debt Obligations (CDO) oder ähnliche strukturierte Finanzierungsformen, haben sich - zumindest in ihren bisherigen Strukturen - als nicht lebensfähig erwiesen.

Sie werden in dieser Form in der Immobilienfinanzierung nicht mehr zum Einsatz kommen. Das Misstrauen, das der Markt heute gegenüber derartigen Finanzinstrumenten hat, hat seine Wurzeln im amerikanisch geprägten "Originate to distribute". Dieser Ansatz hatte zur Konstruktion immer komplexerer und damit intransparenterer Finanzprodukte geführt.

Die Aussicht, das Risiko darüber komplett zu veräußern, führte dazu, dass die Kreditvergabe nicht mehr strikt unter Risikogesichtspunkten, sondern nach den Chancen erfolgte, die Kredite als Verbriefungen am Markt verkaufen zu können. Die Ratingagenturen stärkten diese Vorgehensweise, indem sie beste Ratings für Verbrie-fungs-Transaktionen vergaben, die beispielsweise die hochriskanten Subprimes enthielten. Das macht deutlich, wie lange es noch dauern wird, das Vertrauen in Märkte und Produkte wieder aufzubauen.

Das vorläufige Ende sehr großer Portfolio-Deals

Das Verschwinden des Immobilien- Investmentbanking beendet gewissermaßen den "Höhenflug" der Assetklasse Immobilien, der mit Beginn des 21. Jahrhunderts eingesetzt hatte. Nachdem Immobilien lange Zeit ausschließlich als alternative Investments neben den klassischen Anlagekategorien galten, konnte sie sich in einem regelrechten Aufholprozess als eigene Assetklasse etablieren.

Die Cash-Flow-orientierte Betrachtung von Immobilieninvestments rückte in den Vordergrund, die fortschreitende Globalisierung beflügelte internationale Immobilien-Transaktionen und sorgte für ein rasantes Wachstum des grenzüberschreitenden Immobilienmarktes. Der Kauf und Verkauf großer Immo-bilien-Portfolios erlebte einen regelrechten Boom - und damit auch die kapitalmarktorientierten Finanzinstrumente.

Inzwischen haben sich im Zuge der Krise auch Immobilienpreise als außerordentlich volatil erwiesen und Immobilien rasant an Wert verloren. Transaktionsvolumina sind eingebrochen: Allein in Europa haben sich Immobilien-Investitionen im vergangenen Jahr nach ersten Prognosen mit rund 110 Milliarden Euro mehr als halbiert. Die Loan-to-Values kehren zu ihren früheren Quoten von rund 60 Prozent und weniger zurück. 100-Prozent-Finanzierungen wird auf absehbare Zeit keine Bank mehr gewähren.

Schwerer zu halbierende Risiken für Investoren und Banken

Die Finanzkrise markiert einen tiefen Einschnitt für die Finanzierung großer Immobilienprojekte und den Kauf/Verkauf von Immobilien-Portfolios. Zum einen können die Investoren die damit verbundenen Risiken nicht mehr eingehen. Zum anderen sind die entsprechenden Risiken für die kreditgebenden Banken schwer überschaubar geworden, auch, weil deren Verteilung auf Kapitalmarktteilnehmer oder Bankenkonsortien nicht mehr in der früheren Form möglich ist.

Das gilt für Verbriefungen/(Commercial) Mortgage Backed Securities, das gilt ebenso für Syndizierungen, bei denen große Kreditvolumina auf viele Schultern verteilt worden sind und eine Bank als Lead Manager in der ersten Reihe stand.

Als Sole Underwriter wird sich auf absehbare Zeit kaum noch eine Bank zur Verfügung stellen, da sie im ersten Schritt das volle Risiko trägt. Wenn überhaupt, laufen Konsortialfinanzierungen - bei deutlich kleineren Volumina - inzwischen eher in Form von Club-Deals ab, bei denen sich von Anfang an mehrere Bankpartner zusammenschließen.

Die hohe Komplexität früherer (Immobilien-)Transaktionen hat hohe Intransparenz bewiesen; sie gehört damit zu den Ursachen für den Zusammenbruch der Märkte. Viele Marktteilnehmer haben nicht mehr sehen können, woraus sich einzelne Transaktionen zusammensetzten. Ein gewisses "Back to the Roots" in der Immobilienfinanzierung zeigt sich deshalb heute auch in wieder konservativeren Strukturen, in Produkten mit einem klar definierten Chancen-Risiko-Profil.

Die Krise und ihre Folgen wandeln zumindest zeitweise - den Markt für Immobilienfinanzierungen zu einem Verkäufermarkt. Damit bezeichnet man bekanntlich eine Marktsituation, in der sich der Verkäufer in einer günstigeren Position als der Käufer befindet: Die Nachfrage nach Krediten übersteigt das Angebot, das die Banken bereithalten (können). Damit werden und müssen die Banken sehr genau auswählen, wem und für welches Projekt sie Kredit gewähren.

Rückkehr zu konservativeren Finanzierungs-Strukturen

Da Eigenkapital ein extrem knappes und teures Gut geworden ist und gleichzeitig die regulatorischen Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung der Banken deutlich steigen werden, wird dieser Auswahlprozess sehr viel ausgeprägter sein als in der Zeit vor der Krise. Gleichzeitig lässt der massive Wettbewerbsdruck nach, der in den letzten Jahren auch über den Preis geführt wurde. Ein nichtadäquates Berücksichtigen von Risiken gehört (hoffentlich endgültig) der Vergangenheit an.

In der Vergangenheit boten Banken teilweise "Kampfkonditionen", um in den Markt eintreten zu können. Heute haben sich viele Institute, die zuvor mit Macht in die Immobilienfinanzierung drängten, aus diesem Geschäft zurückgezogen oder sind im Zuge der Krise ganz verschwunden.

Erschwerte Pfandbrief-Refinanzierung

Im Zuge der Krise hat der Verlust von Vertrauen auch vor dem Pfandbrief nicht haltgemacht, wenngleich sich an seinen hohen Sicherheitsstandards nichts geändert hat. Der Markt für deutsche Pfandbriefe umfasst ein Volumen von etwa 900 Milliarden Euro; er ist damit der größte der Welt. Banken, Versicherungen und Fonds haben in dieses Wertpapier investiert, das eine mehr als 100 Jahre alte Tradition hat.

Geschätzte 100 bis 150 Milliarden Euro stammen von privaten Anlegern. Das lässt erkennen, welche Ausmaße die Marktverwerfungen im Zuge der Krise angenommen haben. Der Pfandbrief steht außerdem heute in direkter Konkurrenz zu den zeitlich befristeten, staatlich garantierten Anleihen.

Belohnung von Qualität notwendig

Es ist die Aufgabe der Pfandbriefemittenten, die Bedeutung dieses Wertpapiers immer wieder zu betonen. Dass der Pfandbrief kein Auslaufmodell ist, belegt auch, dass sich dieses Wertpapier im Vergleich zu anderen Märkten erstaunlich gut gehalten hat. Selbst nach der Zuspitzung der Finanzkrise infolge der Lehman-Insolvenz lag das Emissionsvolumen im Herbst 2008 bei rund zehn Milliarden Euro.

An den Pfandbriefemittenten liegt es jetzt, das an den staatsgarantierten Bankanleihen gezeigte Interesse der Investoren wieder stärker in Richtung Pfandbrief zu lenken. Die geplante Novelle des Pfandbriefgesetzes mit weiteren Qualitätsverbesserungen wird dabei ebenso hilfreich sein wie die Aussage der Bundesregierung, den Pfandbriefmarkt unter allen Umständen funktionstüchtig zu halten.

Anstieg der Margen

Das alles bedeutet: Die Margen werden tendenziell steigen. Bereits jetzt ist erkennbar, dass die Banken vor allem im Kreditgeschäft mit Unternehmen ihre Angebotskonditionen zum Teil deutlich verschärft haben, das bestätigte auch eine jüngst veröffentlichte Analyse der Bundesbank. In der zweiten Jahreshälfte 2008 und ganz besonders nach der Insolvenz der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers hat sich die Lage drastisch zugespritzt. Die Banken haben ihre Lehren aus der Finanzmarktkrise gezogen. Die Risiken werden strikt bewertet, die Richtlinien zur Kreditvergabe wurden verschärft. All das schlägt sich in den Kreditzinsen nieder.

Mit Hilfe des Pfandbriefes war es in der Vergangenheit möglich gewesen, günstigere Konditionen zu bieten. Gegenwärtig ist jedoch die Refinanzierung für alle Institute ohne starkes Einlagengeschäft deutlich schwieriger und damit teurer geworden, mit entsprechenden Folgen für die Margen.

Adjustierung des regulatorischen Rahmens

Neben diesen die Immobilienfinanzierung betreffenden Veränderungen der Rahmendaten werden sich Banken generell auf eine stärkere Regulierung einstellen müssen. Dieses fordert auch der Basler Ausschuss für die Bankenaufsicht, der die Eigenkapitalvorschriften für die Kreditwirtschaft deutlich verschärfen will.

Die Vorschläge, die der Ausschuss bisher unterbreitet hat, erstrecken sich auf Mindestkapitalforderungen ebenso wie auf eine bankaufsichtliche Überprüfung und die Marktdisziplin. So will der Ausschuss beispielsweise die Banken, die strukturierte Finanzierungen anbieten, zwingen, einen größeren Teil davon in den Büchern zu behalten, als das bisher der Fall war.

Eigenkapitalquote versus Return on Equity

Noch eine weitere Veränderung, die sich abzeichnet: In der internationalen Betrachtung rückt das Verhältnis von Eigenkapital zu den Assets für die Analyse von Banken und ihrer Leistungsfähigkeit immer stärker in den Vordergrund. Vor der Krise war das anders. Hier zählte vor allem der Return on Equity, für den der Markt und die Kapitaleigner immer höhere Zielvorgaben forderten.

Hohe Renditen in Zeiten niedriger Kapitalmarktzinsen sind nur auf eine Art zu erwirtschaften - durch das Eingehen von Risiken. Die Folgen sind bekannt. Mit der Betrachtung der Relation Eigenkapital zu Assets kommen deutsche Kreditinstitute wieder einmal unter Druck, denn sie gelten im Hinblick auf die Eigenkapitalausstattung international als zu schwach.

Assetklasse Immobilien bleibt mittelfristig sehr attraktiv

Trotz der aktuellen Marktverwerfungen werden Immobilien ihren Status als eigenständige Assetklasse erfolgreich verteidigen. Als eine eher konservative Vermögensanlage kommen sie gerade nach der Finanzkrise den Sicherheitsbedürfnissen der Investoren ebenso entgegen wie dem Wunsch, nachhaltige Erträge und Wertsteigerungen zu erzielen:

1. Aspekt Sicherheit. Immobilien bieten einen Schutz vor Inflation, denn Immobilienmietverträge sind in der Regel an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelt. Damit schmälert ein Ansteigen der Teuerungsrate nicht die Erträge.

2. Aspekt Cash-Flow. Werthaltige gewerbliche Immobilien weisen in der Regel eine sehr gute Lage, ein adäquates Nutzungskonzept und/oder bonitätsstarke, langfristige Mieter auf. Immobilien, die diese Kriterien erfüllen, sind besonders wertbeständige Anlagen und generieren kontinuierliche Cash-Flows.

3. Aspekt niedrigeres aktuelles Einstiegsniveau für Investoren. Diese werden früher oder später ihre Risikoaversion überprüfen und nach Investments mit einem akzeptablen Rendite-Risi- ko-Verhältnis suchen. Die Übertreibungen bei den Preisen, die es im Zuge des "Immobilien-Hype" der letzten Jahren gegeben hat, sind durch die Finanzkrise beseitigt worden.

Damit bietet die Assetklasse Immobilien wieder ein günstigeres Einstiegsniveau.

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