Fiskalpolitik

Zwangshypothek auf das deutsche Immobilieneigentum - unrealistisch?

Der Wohnimmobilienmarkt in bestimmten Städten, beispielsweise Berlin, München oder Hamburg boomt. Ein Einflussfaktor auf die Nachfrage nach teurem Wohnraum liegt in der Angst vor den Unsicherheiten im Währungsbereich, Angst vor der schleichenden Entwertung, vor der Hyperinflation à la 1923 oder gar vor einem Währungsschnitt, wie er oftmals in lateinamerikanischen Staaten in den siebziger Jahren zu beobachten war. Rettung wird in Aktien, Rohstoffen und Edelmetallen, vor allem aber in Immobilien gesehen. Dieser "Trieb" hat sich zu einem regelrechten Herdentrieb entwickelt. Inzwischen werden exorbitante Preise gezahlt: Vor allem die Preise von Eigentumswohnungen in bestimmten Städten "explodieren" regelrecht. Preise von 5 000 bis 10 000 Euro pro Quadratmeter sind nicht mehr außergewöhnlich. Ob ein Wohnungskauf zu diesen Preisen langfristig rentabel ist, lässt sich bezweifeln.

Angesichts dieser Entwicklung ist die Gefahr einer Immobilienblase nicht zu übersehen. Zwar wird von Experten, auch von der Bundesbank, das Risiko einer solchen Blase zum derzeitigen Zeitpunkt ausgeschlossen, doch auch Experten können sich täuschen. Im Monatsbericht Juli 2007 wird im Beitrag "Der Zusammenhang zwischen monetärer Entwicklung und Immobilienmarkt" analysiert, ob das Wachstum der Geldmenge M3 im Euro-Raum und die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt zusammenhängen. In diesem Artikel, verfasst von Bundesbank-Experten, fehlen die beiden Worte Immobilienblase und Kreditrisiko.

Immerhin wird erwähnt, dass steigendes Immobilienvermögen infolge der wachsenden Immobilienpreise die Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers erhöhe und dass die darauf beruhende bessere Kreditverfügbarkeit als "Finanzakzelerator" bezeichnet würde (S.20). Die Abbildung auf Seite 22 "Immobilienpreise, Wohnbaukredite und Geldmenge im Euro-Raum" offenbart aber den Zusammenhang zwischen steigenden Immobilienpreisniveau und der explodierenden Kreditvergabe für Immobilien.

Dort kann man erkennen, dass die Wohnungsbaukredite und die Immobilienpreise in Griechenland, Spanien und Irland jährlich von 1998 bis 2006 zweistellig gestiegen sind. In Spanien beispielsweise sind die Preise fast um 30 Prozent jährlich angestiegen, die vergebenen Kredite um 20 Prozent.

Fiskalpolitik als Risiko

Eine zweite Gefahr liegt in der Fiskalpolitik. Da die Eurokrise im Gegensatz zur Auffassung von François Hollande, derzeit Staatspräsident der französischen Republik, noch nicht beendet ist, ist die Gefahr des Zugriffs durch den Fiskus nicht außer Acht zu lassen. Sollte der Euro kollabieren, so könnte der Schaden für Deutschland über eine Billion Euro betragen, so der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Dazu kommt noch der wirtschaftliche Einbruch verbunden mit sinkenden Steuereinnahmen. Der Staat wird dann versuchen, neue Einnahmen zu generieren, letztlich aber auf das Privatvermögen der Bürger zugreifen. Derartige Maßnahmen erfolgten in Deutschland bereits 1923 und 1948.

Das Deutsche Reich finanzierte den Ersten Weltkrieg durch den Druck von Papiergeld und durch Ausgabe von Kriegsanleihen. Auf einer Werbekarte aus dieser Zeit hieß es: "Die beste Sparkasse - Kriegsanleihe". Angedacht war von der deutschen Regierung, die eingegangenen Verbindlichkeiten mit Reparationen der Verlierernationen zu zahlen.

Die hohen Reparationen des Verlierers Deutsches Reich (269 Milliarden Goldmark), vor allem die Belastung durch die Ruhrbesetzung und den dort ablaufenden von der Reichsregierung finanzierten Streik sowie die Verschuldung durch den Krieg mittels Papiergeld und Kriegsanleihen erzeugten die bis dahin größte Geldentwertung. Die Geldmenge war exzessiv ausgeweitet, materielle Gegenwerte standen ihr nicht gegenüber. In der Phase der Hyperinflation zahlten viele Schuldner ihre Hypothekenkredite mit wertlosem Papiergeld zurück.

Die Besitzer von Papiergeld und Bankguthaben waren neben den institutionellen Gläubigern die Verlierer dieser Hyperinflation. Durch die Währungsumstellung zur Reichsmark im Verhältnis eine Billion Mark eine Reichsmark wurden die Guthaben weitgehend entwertet. Bei der Sparkasse Frankfurt am Main beispielsweise sank das Sparguthaben von 8,12 Billionen Mark von 190 000 Einlegern auf 8 120 Reichsmark.

Die dritte Steuerverordnung (14. Februar 1924) führte die Zwangshypothek in Form einer Geldentwertungs-Ausgleichssteuer auf bebaute Grundstücke ein, in Preußen wurde sie als Hauszinssteuer oder Mietzins bezeichnet. Ziel war, die Inflationsgewinne der Immobilienbesitzer zugunsten der Länder abzuschöpfen. Diese Steuer wurde als laufende Abgabe konzipiert und war die erste staatlich auferlegte Zwangshypothek in Deutschland. Ziel war, mit den Einnahmen aus dieser Steuer die Bautätigkeit zu fördern sowie vor allem Aufgaben der Wohlfahrtspflege zu finanzieren. Die Gläubiger dagegen wurden nicht entlastet, sie durften weiterhin unter der Inflation leiden.

Die Hauszinssteuer

Einen Teil der Mieteinnahmen beanspruchte der Staat in Form der Hauszinssteuer. Deren Höhe stieg mit der Verschuldung des Objekts, denn umso höher war der Inflationsgewinn des Schuldners: 15 Prozent der Friedensmiete (Stichtag 31. Dezember 1918) waren fällig bei schuldenfreien Immobilien. Bei einer Kreditbelastung von über 60 Prozent wurden 40 Prozent der Friedensmiete als Steuer berechnet. Die Fixierung der Mieten verwehrte den Eigentümern von Immobilien die Weitergabe der Steuerlast an die Mieter.

850 Millionen Reichsmark wurden 1927 auf diesem Wege eingenommen, das waren 20 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Bis 1943 erzielte der deutsche Staat damit immerhin noch etwa zehn Prozent der jährlichen Steuereinnahmen.

Die Immobilienpreise fielen aber um bis zu 90 Prozent, was die Situation der Hauseigentümer zusätzlich stark belastete. Auf Fotos von Häusern aus den Jahren nach 1924 kann man Plakate mit der Aufschrift "Haus zu verschenken" erkennen. Die Steuerbelastung dürfte in diesen Fällen den Wert der Immobilie überstiegen haben.

Die Übertragbarkeit auf heute

Die derzeitige Belastung des deutschen Staates durch die Eurokrise beläuft sich auf etwa eine Billion Euro, so die bereits erwähnte Schätzung. Nach Art. 14 Abs. 2 GG verpflichtet Eigentum: "Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Der Absatz 3 dieses Artikels lässt Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zu. Die angespannte finanzielle Situation nach dem nicht auszuschließenden Kollabieren des Euro könnte als Begründung dienen.

Eintragungen von Zwangshypotheken zugunsten des Staates wären durch das elektronische Grundbuch rasch realisierbar. Ein Indiz für das Bestreben der Politik, eine derartige Zwangshypothek zu erwägen, kann in dem jüngsten Zensus 2011 gesehen werden. Das Immobilienvermögen in Deutschland wurde im Jahr 2008 auf etwa neun Billionen Euro geschätzt. Eine Zwangshypothek von 20 Prozent könnte den deutschen Staat sozusagen entschulden. Die Bedienung dieser Hypothek würde zu laufenden Staatseinnahmen führen.

Das Immobilienvermögen ist seit 2008 weiter angestiegen, da viele Investoren eine Währungsentwertung befürchten und in Sachwerte flüchten, die daraufhin stark im Wert anstiegen und weiter steigen. Dieser "Herding"-Effekt würde die potenziellen Einnahmen noch erhöhen. Zwar empfehlen die Politik und Kreditinstitute, allen voran die Bausparkassen, Immobilien als beste Altersvorsorge, doch würde die Einführung einer Zwangshypothek die jahrelange politische Zielsetzung "Förderung des Immobilieneigentums" konterkarieren. Das wäre im Rückblick auf die Historie aber nicht das erste Mal.

Die Einführung der Zwangshypothek steigert die Belastung der Immobilieneigentümer, was sich bei einer hohen Verschuldung durch Bankkredite fatal auswirken könnte. Die Bedienung der Zwangshypothek erhöht die jährliche Belastung, die ohnehin infolge des Kapitaldienstes hoch ausfällt. Entweder kann der Schuldner diese Mehrbelastung tragen oder er muss den Kapitaldienst an die finanzierende Bank entsprechend vermindern. Dann aber würde die Dauer der Kreditrückzahlung ansteigen. Durch die über die längere Kreditlaufzeit höhere Zinsbelastung würde die Belastung durch die Zwangshypothek von 20 Prozent auf 24,19 Prozent steigen. Würde der Staat die sofortige Zahlung fordern, dann wären die Immobilieneigentümer gezwungen, einen Kredit in der Höhe der Zwangshypothek aufzunehmen.

Die Zwangshypothek ist gesetzlich durchsetzbar. Das "Nichtwissen" über die Zwangshypothek von 1923 und den Lastenausgleich von 1948 sowie die Angst infolge der Eurokrise sowie die Niedrigzinspolitik der Notenbanken forcieren den derzeitigen Immobilienboom. Ob daraus eine Falle für die Investoren droht? Angst ist im Regelfall ein schlechter Ratgeber.

Auswirkungen

Der Principal Bürger trägt die Folgen des Versagens des Agenten Staat. Im Gegensatz zu 1923 profitiert der Investor aber nicht von einer Geldentwertung, sondern er leidet unter der "Financial Repression". Er wäre auch nicht der Verursacher der jetzt ablaufenden Eurokrise, die auf das Versagen der Regierungen, der Bankenaufsichten und der EU-Kommission der letzten zwei Jahrzehnte zurückzuführen ist.

Kreditgeber und Investoren würden unter der Zwangshypothek leiden. Insbesondere Investoren, die aus steuerlichen Gründen eine hohe Verschuldung präferieren, würden durch diese "Steuer" schwer getroffen. Ausgleichen könnten sie diese Belastung nur im Rahmen einer hohen Geldentwertung. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass statt der von der Politik angestrebten gewünschten Geldentwertung das Gegenteil eintritt: Deflation. Dann würden die Schuldner durch den steigenden Geldwert zusätzlich getroffen.

Vor allem Regionalbanken, das heißt Sparkassen und Genossenschaftsbanken, legen ihr Schwergewicht auf Immobilienfinanzierungen. Eine Zwangshypothek würde negativ auf die Immobilienpreise und damit auf die Kreditbesicherung wirken. Eventuell könnten Zwangsverkäufe und sogar -versteigerungen die Folgen sein, was zum Vermögensverlust der Hauseigentümer führen würde. Anzunehmen ist, dass gewerbliche Immobilien dagegen von der Zwangshypothek freigestellt oder zumindest begünstigt werden, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Die Gläubigerbanken dagegen werden erheblich von Einzelwertberichtigungen betroffen sein, was weitere Bankenrettungen verursachen könnte. Aber zur Rettung werden in Zukunft ohnehin nicht nur die Steuerzahler, sondern die Einleger verstärkt herangezogen: Modell Zypern.

Inflationsangst als Treiber des Immobilienmarktes

Inzwischen treiben die Gier nach Rendite und die Gier nach Sicherheit auch die deutschen Immobilienmärkte, insbesondere im Bereich Wohnhäuser und Eigentumswohnungen. Inflationsangst spielt dabei eine starke Rolle. Die Weltwirtschaftskrise ist noch tief in der Erinnerung. Allerdings wird sie häufig mit der Hyperinflation von 1923 verwechselt: 1929 und die folgenden Jahre herrschte in Deutschland Deflation, keine Inflation. Die Währungsumstellung von 1923 hing zusammen mit der Finanzierung des Ersten Weltkriegs, der Finanzierung der Ruhrgebietsbesetzung durch belgische und französische Truppen und mit der Zahlung von Reparationen.

Auch der Währungsumstellung von Reichsmark auf DM ging der Zweite Weltkrieg - und dessen Finanzierung - voraus. Derzeit muss Deutschland keinen Krieg finanzieren (sieht man von den Auslandseinsätzen ab). Sollte der Euro implodieren und die EU kollabieren, dann können die daraus entstehenden Kosten durchaus den Kosten eines Krieges gleichkommen. Nicht umsonst bezeichnete eine französische Zeitung den Maastricht-Vertrag als "Versailles ohne Krieg" - für Deutschland.

Hinzu kommt die Niedrigzinspolitik der Notenbanken. Dadurch scheinen Investitionen in Immobilien eine höhere Rendite abzuwerfen als Bundesanleihen, zumal Kreditinstitute inzwischen Objekte wieder bis zum 20-fachen der Jahresnettokaltmiete finanzieren. Doch: Erwirbt ein Investor eine Liegenschaft zu diesem Faktor, erzielt er eine Mietrendite von fünf Prozent - vor Verwaltungs- und Instandhaltungskosten! Bis zum zehnfachen der Jahresnettokaltmiete trägt sich ein Wohnobjekt selbst. Wird diese Grenze bei einem Kauf überschritten, dann müssen entweder die Mieten angehoben werden oder der Investor zahlt aus eigenem Einkommen drauf. Dazu kommen noch die Kosten für Bewirtschaftung und Mietausfälle.

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