Gewerbemiete und Corona: die diplomatische Lösung des BGH

Seit knapp zwei Jahren ist die Bevölkerung dazu gezwungen, sich mit den Auswirkungen und Folgen des Coronavirus auseinanderzusetzen. Vermieter und Mieter gewerblich gemieteter Räume beschäftigt dabei überwiegend die Frage, ob und in welchem Umfang Mieter während der behördlich angeordneten Betriebsschließung weiterhin zur Mietzahlung verpflichtet sind. Bisher waren sich die Gerichte bei dieser Frage uneinig. Viele Gerichte vertraten eine vermieterfreundliche Ansicht und lehnten die von den Mietern begehrte Vertragsanpassung mit Verweis auf das Verwendungsrisiko des Mieters ab. Einige Gerichte vertraten dagegen eine vermittelnde Lösung und stellten fest, dass das Risiko der pandemiebedingten Betriebsschließungen keiner Partei allein zugeordnet werden könne und gewährten Mietreduzierungen von bis zu 50 Prozent.

Das nun am 12. Januar 2022 vom Bundesgerichtshof (BGH) verkündete Urteil wurde daher mit Spannung erwartet. Ausgangspunkt der Entscheidung war die Betriebsschließung eines Textilhändlers während des ersten Lockdowns. Der BGH stellte zunächst klar, dass kein Mangel vorlag, da die Betriebsschließung nicht an die konkrete Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts anknüpfte. Damit ist eine Minderung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Der BGH stellte auch fest, dass dem Vermieter die vertraglich geschuldete Gebrauchsüberlassung nicht unmöglich war. Der Vermieter hatte dem Mieter das Mietobjekt bereits übergeben. Eine Einstandspflicht für das Ausbleiben von Schließungsanordnungen hatte er nicht übernommen.

Entscheidend kam es damit auf die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Absatz 1 BGB an. Der BGH bestätigte, dass pandemiebedingte Betriebsschließungen eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen, die von keiner der Parteien vorauszusehen waren und die Parteien den Mietvertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten. Ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags besteht jedoch nur dann, wenn zusätzlich einer Partei (hier dem Mieter) das weitere Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies erfordere - so der BGH - eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Eine pauschale Mietreduzierung, wie zum Beispiel eine 50/50-Regelung, lehnte der BGH ab.

In Bezug auf die Abwägung gibt der BGH folgende Hilfestellung: Im Ausgangspunkt kommt es auf den Umsatzrückgang des Mieters für die Zeit der Schließung, bezogen auf das konkrete Mietobjekt an. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist nicht erforderlich. Der Mieter muss sich sodann die zum Ausgleich erhaltenen staatlichen Leistungen, sowie etwaige Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung, anrechnen lassen. Staatliche Unterstützungsleistungen auf Basis eines Darlehens sind außer Acht zu lassen, da diese vom Mieter zurückzuzahlen sind. Letztlich muss sich der Mieter auch anrechnen lassen, welche Maßnahmen er ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu mindern.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben, die je nach Fall ausfüllungsbedürftig sind, ist zukünftig jeder Einzelfall von den Gerichten gesondert zu bewerten. Die Darlegungs- und Beweislast liegt zunächst bei den Mietern. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind diese verpflichtet, relevante betriebsbezogene Informationen offenzulegen. Die Erfolgsaussichten vor Gericht sind aufgrund der gebotenen Einzelfallabwägung kaum vorherzusehen.

Mit dem Urteil öffnet der BGH Mietern die Tür, Mietanpassungen geltend zu machen, um sie danach gleich wieder etwas zu schließen, indem er den Mietern den Aufwand und das Risiko einer Einzelfallentscheidung auferlegt. Vermietern und Mietern gewerblicher Räume ist daher zu raten, außergerichtliche Einigungen zu treffen, mit denen beide Seiten einverstanden sind.

Philipp Schönnenbeck , Rechtsanwalt, Partner , CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Düsseldorf
Michelle Bucher , Rechtsanwältin , CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Düsseldorf
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