Renaissance der Wohntürme

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Es gibt doch noch Lichtblicke auf dem deutschen Wohnungsmarkt: Während man bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dem Bedarf bekanntlich hoffnungslos hinterherhinkt, gestaltet sich immerhin die Versorgung des hochpreisigen Segments deutlich entspannter. Exemplarisch lässt sich dies an den derzeit mit enormer Dynamik aus dem Boden schießenden Wohnhochhäusern erkennen. Laut Bulwiengesa werden alleine im Zeitraum von 2012 bis 2020 ganze 78 neue Wohntürme mit insgesamt rund 11 500 Wohnungen errichtet.

Vorreiter dieses Trends ist - wie könnte es anders sein - Frankfurt am Main. Allein im Europaviertel sind derzeit acht solcher Objekte geplant beziehungsweise bereits fertiggestellt. Insgesamt wird die Skyline der Mainmetropole in den nächsten Jahren um 19 Wohntürme bereichert, jede vierte Eigentumswohnung entsteht mittlerweile in diesem Gebäudetypus. Doch auch in anderen Teilen der Republik werden sie in den Silhouetten der Stadtbilder schon bald eine prägende Rolle einnehmen. Dafür spricht die hohe Projektpipeline sowohl in Großstädten wie Berlin (19), München (9), Hamburg (6) oder Düsseldorf (6), als auch an diversen B-Standorten wie Leipzig (2) oder Karlsruhe (2).

Der Kontrast zur ersten Generation deutscher Wohntürme könnte dabei nicht größer sein. Die vor allem in den siebziger Jahren im Schweinsgalopp an den Stadträndern errichteten Hochhauskästen wurden bekanntlich zum Inbegriff schlechter Lebensqualität und sozialer Brennpunkte. Die heutigen Objekte befinden sich überwiegend in sehr guter Innenstadtlage, sind architektonisch höchst anspruchsvoll und aufgrund der enormen Kosten beim Bauen in die Vertikale (Stichwort "Sicherheitsbestimmungen") natürlich entsprechend teuer: Laut JLL werden Wohnungen in neuen Hochhäusern für durchschnittlich 9 000 Euro pro Quadratmeter angeboten, die Mieten liegen bei bis zu 25 Euro pro Quadratmeter. Sozialbindung spielt zumeist keine Rolle, und wenn doch, sind dafür oftmals zusätzliche Flächen abseits der Hochhäuser vorgesehen. Eine gesunde gesellschaftliche Durchmischung innerhalb der Türme ist somit kaum realisierbar.

Gleichwohl zeigt etwa das Beispiel des Henninger Turms in Frankfurt-Sachsenhausen, dass die neuen Wohnhochhäuser trotz ihrer Positionierung im Luxussegment durchaus positive Ausstrahlungseffekte auf ihre unmittelbare Umgebung haben können. Zahlreiche Gewerbetreibende aus den Bereichen Einzelhandel, Gastronomie oder Fitness haben sich hier angesiedelt und sorgen für eine hohe Frequenz. Ein wichtiger Bestandteil des Erfolgsrezepts liegt außerdem in der hybriden Konzeption des Henninger Turms: Dank einiger Büroflächen in den unteren Etagen sowie des Restaurants im oberen Teil kommt letztlich auch in den Turm selbst Leben hinein. Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend festzustellen, dass auch im Großteil der übrigen derzeit neu gebauten Wohntürme in Deutschland gewerbliche Flächen vorgesehen sind.

Damit beugt man der Gefahr einer Verödung des Viertels vor und steigert die Akzeptanz in der Bevölkerung. Und die wird es vor allem in den hiesigen Großstädten brauchen: Mit Blick auf den ungebrochenen Urbanisierungstrend und dem damit einhergehenden, immer eklatanter zutage tretenden Konkurrenzkampf zwischen Wohnflächen und - ebenfalls dringend benötigten - Gewerbeflächen, wird das gemischt genutzte Hochhaus eine prägende Bautypologie der kommenden Jahrzehnte darstellen. ph

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