Zinskommentar Ausgabe 11/2016

Realkredite: Konditionen Stand 23. Mai 2016 Quelle: Dr. Klein & Co. AG

Aller Kritik an Draghis Niedrigzinspolitik zum Trotz: Bundeskanzlerin Angela Merkel bricht eine Lanze für den Italiener an der Spitze der EZB. "Die Europäische Zentralbank hat als Aufgabe eben auch die Geldwertstabilität - und dazu gehört eine Mindestinflationsrate", sagte sie vor dem Bundesverband Deutscher Stiftungen in Leipzig. Schließlich hatte Draghi seine Politik ja auch jüngst für "alternativlos" erklärt. Solche Worte liebt die Kanzlerin. Einige Parteikollegen Merkels appellieren dagegen eben für Alternativen. Sie fürchten schrumpfende Alterseinkommen der Bundesbürger und explodierende Immobilienpreise durch die Politik des billigen Geldes. Trotz aller Loyalität zu Draghi ist Bundesbank-Chef Jens Weidmann etwas vorsichtiger: "Es ist entscheidend, dass die Null-Zins-Politik nicht länger in Kraft bleibt, als es wirklich nötig ist, um Preisstabilität wieder herzustellen." Dennoch lässt auch er keinen Zweifel: Permanente Diskussionen und Änderungsvorschläge ließen kein Vertrauen entstehen. "Dass die Geldpolitik im derzeitigen Umfeld expansiv ausgerichtet sein muss", darüber sei man sich im EZB-Rat einig. Interessant ist aber auch, dass Weidmann Teile der EZB-Politik im gleichen Atemzug kritisiert. Er halte "die Staatsanleihekäufe in der Währungsunion für problematisch", so Weidmann jüngst in einem Welt-Interview.

Auch Bundesbankvorstand Andreas Dombret machte trotz genereller Verteidigung der EZB-Politik seiner Sorge über die schwache Gewinnsituation der Banken Luft. Die Niedrigzinsen seien in dem sehr auf dem Kreditgeschäft basierenden europäischen Bankenmarkt ein "gravierendes Problem". Ein Widerspruch in sich, der sich nicht ohne Weiteres erklären lässt. Fakt jedenfalls ist: Ein Ende der aktuellen Nullzinspolitik ist also in weiter Ferne. Immerhin haben sich einige Indikatoren für die Eurozone aufgehellt. Das Wachstumstempo hat sich im ersten Quartal auf 0,6 Prozent verdoppelt, die Arbeitslosenquote fiel mit 10,2 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 2011. Die Verbraucherpreise gingen jedoch im April um 0,2 Prozent zurück und sind somit nach wie vor weit von der Preisstabilitätsgrenze der EZB, die bei zwei Prozent liegt, entfernt.

Die einen oder anderen Experten warnen jedoch vor einer baldigen De-facto-Erhöhung der Bauzinsen durch die Hintertür. Grund: die stark gestiegenen Preise und die zunehmenden Risiken auf den Immobilienmärkten. In der Folge könnten die einen oder anderen Banken ihre Konditionen ändern. Auch bestünde die Möglichkeit, dass sich dies vor allem in noch höheren Eigenkapitalforderungen niederschlagen könnte, warnt Prof. Dr. Steffen Sebastian von der IREBS International Real Estate Business School an der Universität Regensburg. Wer sich das nicht leisten könne, müsse mit deutlich höheren Zinsen rechnen. Dennoch gebe es keine Anzeichen einer Immobilienblase.

Doch was wird in den USA passieren? Derzeit hat die Fed die Leitzinsen zwar unverändert gelassen. Aber jede Menge Spekulationen schießen ins Kraut, dass sich das dieses Jahr nicht nur einmal ändern wird. Genährt werden diese auch durch zahlreiche Äußerungen von US-Notenbankern selbst. Jüngst hatten sich drei Mitglieder der US-Notenbank für Zinserhöhungen ausgesprochen, außerdem waren diverse Konjunkturdaten aus den USA besser als erwartet ausgefallen. FOMC-Mitglied Lacker sieht sehr viele gute Gründe für eine Zinserhöhung im Juni. "Ich denke, dass die Daten insgesamt für Zinserhöhungen bei den nächsten Ratssitzungen sprechen, nicht nur im Juni." "Der Markt ist auf eine Zinserhöhung im Juni nicht vorbereitet", sagt der Fed-Präsident von San Francisco, John Williams, in einem Interview. Widersprüche von Experten, die für Unsicherheit sorgen. Unklar ist, warum diese Uneinigkeit seit Wochen offen ausgetragen wird.

Darüber hinaus zogen die Verbraucherpreise in den USA moderat an. Sie kletterten im April binnen Jahresfrist um 1,1 Prozent. Noch im März lag das Plus bei 0,9 Prozent. Zum Vormonat legten die Lebenshaltungskosten im April um 0,4 Prozent zu. Dies ist der stärkste Anstieg seit Februar 2013. Nicht nur in Großbritannien, aber eben auch dort geht die Brexit-Angst um. Im Falle einer Zustimmung zum Austritt rechnen die Notenbanker mit einem sinkenden Konsum der Haushalte, niedrigeren Investitionen der Unternehmen und einer steigenden Arbeitslosigkeit. Die BoE hat niedrigere Zinsen in Aussicht gestellt, was allerdings das Pfund zusätzlich schwächen würde. Paradox, denn die EZB macht ja das Gleiche. dro

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