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Büro der Zukunft: Kreativer Hort im digitalen Arbeitsuniversum

Keine Vorliebe für Homeoffice Die Mehrheit der befragten Bürobeschäftigten arbeitet lieber im Büro. (Angaben in Prozent) Quelle: Forsa-Umfrage im Auftrag der HIH Real Estate (1000 Befragte in Deutschland)

Tastaturen und Bildschirme? Von gestern! Eine Cloud und freischwebende, dreidimensionale Hologramme hingegen sind es, die das Büro der Zukunft gestalten, damit kein Mitarbeiter mehr an den Schreibtisch gebunden sein muss - in Zeiten mangelnder Fachkräfte setzen Arbeitgeber verstärkt auf die Erhöhung ihrer eigenen Attraktivität. Mitarbeiter erfahren von ihren Arbeitgebern eine neue Wertschätzung und können eine Arbeitsgestaltung verlangen, die Lebensphasen, -stile und die Arbeit in Einklang bringt, ohne dass die Grenzen verschwimmen. Daher auch weniger Homeoffice, dafür mehr Flexibilisierung des Arbeitsplatzes durch offene Raumkonzepte und attraktiv gestaltete Kommunikationsbereiche, Convenience-Zonen, Cafés und Lounges. Abwechslung, um die Kreativität und Konzentration des Mitarbeiters anzukurbeln. So wird das Büro in Zukunft definitiv gefragt bleiben - als Treffpunkt und kreatives Zentrum. Red.

Räume, die aussehen wie eine U-Bahnstation oder eine Flugzeugkabine, Besprechungsareale mit riesigen Videobildschirmen, dazu kleine Bistros auf verschiedenen Stockwerken und ein Fitnessstudio mittendrin: In der Hamburger Deutschland-Zentrale des Suchmaschinenbetreibers Google durften die Innenarchitekten ihrer Kreativität freien Lauf lassen und schufen damit vor einigen Jahren ein völlig neuartiges Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter. An einen festen Schreibtisch sind die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit nicht mehr gebunden - jeder kann arbeiten, wo er will.

Mehr als 17 Millionen Menschen sind in Deutschland in Büros beschäftigt. Wie bei dem Internetdienstleister hat sich dieser Arbeitsplatz in vielen Unternehmen in den letzten Jahren rasant verändert und wird es weiterhin tun - durch die Möglichkeiten der IT-Technik, durch die Anforderungen an die Mitarbeiter in der modernen Wissensgesellschaft, aber auch durch das Streben insbesondere der Generation der unter 30-Jährigen, Leben und Arbeiten in Einklang zu bringen. Speziell die technischen Ideen vom Büro der Zukunft muten dabei manches Mal futuristisch an: Dreidimensionale, frei im Raum schwebende Hologramme, die über Gesten und Sprachanweisungen gesteuert werden, sagen Designer und IT-Fachleute als Arbeitsmittel der Zukunft voraus. Tastaturen und Bildschirme hingegen sollen schon in wenigen Jahren der Vergangenheit angehören. Auf Daten und Informationen aus der Cloud kann dann jeder überall zugreifen.

Umworbene Ressource im globalen Wettbewerb

Die technologische und räumliche Gestaltung der Arbeitsumgebung entwickelt sich vor diesem Hintergrund zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für Organisationen. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Unternehmen und ihre Mitarbeiter stünden im globalen Wettbewerb massiv steigenden Anforderungen an Leistungsfähigkeit, Effizienz und Innovationsfähigkeit gegenüber.

Gleichzeitig, so sagt das Institut, erfahren und fordern Mitarbeiter aber eine neue Wertschätzung von ihren Arbeitgebern und werden zu einer gefragten und umworbenen Ressource; selbstbewusst verlangen sie eine Arbeitsgestaltung, die eine Integration von individuellen Lebensphasen und Lebensstilen ermöglicht. Der "Workplace of the future"-Report, den das Beratungsunternehmen Crisp Research im Auftrag des amerikanischen Softwareunternehmen Citrix Systems im Mai 2015 erstellt hat, untermauert diese Ergebnisse: Die Untersuchung kam zu dem Schluss, dass vor allem die Unternehmen erfolgreich sein werden, die es verstehen, die Flächen so zu gestalten, dass sie die Innovationsfähigkeit und die Motivation der Mitarbeiter fördern.

Es werde, so die Researcher, eine Diskussion über Bürowelten geben, die sowohl die Flächennutzung optimieren als auch die Mitarbeiterproduktivität und die Attraktivität des Arbeitsgebers in Zeiten mangelnder Fachkräfte erhöhen. Einen Vorsprung im Wettbewerb gewinnen dabei die Firmen, die sich zwar dem Trend zur Flexibilisierung des Arbeitsplatzes und zur Gestaltung moderner Büroräume stellen, dabei aber nicht in erster Linie die Einsparung von Büroflächen im Blick haben.

Die Lösung besteht allerdings nicht darin, den Arbeitsplatz ins Homeoffice zu verlagern. Eine aktuelle Büroumfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der HIH Real Estate aus diesem Sommer zeigt vielmehr, dass den Deutschen ihr Büro lieb und teuer ist. Von den befragten Bürobeschäftigten gaben 82 Prozent an, dass ihnen der persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort sehr wichtig ist und sie nicht darauf verzichten möchten. Bei Beschäftigten unter 35 lag die Zustimmungsquote sogar bei 89 Prozent.

Homeoffice ist keine Alternative

Zuhause hingegen verschwimmt für viele die Grenze zwischen Privat- und Arbeitsleben, die Qualität in der Teamarbeit leidet, so die Ergebnisse der Studie. 69 Prozent der Befragten sind nicht bereit, einen festen Schreibtisch im Büro gegen einen daheim einzutauschen. Entsprechend arbeiten nur 17 Prozent der Umfrageteilnehmer nach eigenen Angaben mindestens einmal in der Woche in den eigenen vier Wänden, aber 62 Prozent tun dies nie oder haben gar nicht die Möglichkeit dazu.

Die herkömmliche Bürofläche hat also nicht ausgedient, das belegen nicht zuletzt auch aktuelle Zahlen vom Gewerbeimmobilienmarkt: Getragen von der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt hat sich der Büroflächenumsatz in Deutschland in den ersten 6 Monaten 2015 gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach Einschätzung diverser Maklerhäuser um durchschnittlich rund 11 Prozent an den Top-Standorten erhöht - Tendenz weiter steigend.

Neue Arbeitsplatzkonzepte in Planung

Die hohe Nachfrage an Büroflächen hält an, aber die Anforderungen haben sich geändert. Wer immer mehr in digitalen Welten arbeitet, braucht den Ausgleich in der Realität umso dringender - in der Berufswelt sind das in erster Linie die Kollegen. Deshalb bauen selbst Unternehmen, die verstärkt virtuell arbeiten, keine Bürokapazitäten ab, sondern nutzen sie zum kreativen Austausch. Offene Raumkonzepte, verbunden mit Lösungen für eine höhere Aufenthaltsqualität - beispielsweise durch attraktiv gestaltete Kommunikationsbereiche - sind im breiten Markt angekommen.

In der modernen Arbeitswelt geht es also nicht mehr ausschließlich darum, an einem festen Platz mit persönlichem Schreibtisch, Telefon und Computer zu arbeiten. Vielmehr geht es um die Möglichkeit, selbstbestimmt über die Arbeitszeit zu entscheiden. Und: Der Arbeitnehmer muss flexibel je nach Aufgabe und Situation einen Ort für seine Tätigkeit wählen können, der ihm größtmögliche Effektivität erlaubt. Für konzentriertes Arbeiten können dies beispielsweise hochwertige Ruheräume oder komfortable Convenience-Zonen sein. Kantinen, mindestens aber kleine Cafés, stehen hoch im Kurs.

Firmen planen zunehmend "think tanks" in ihren Großflächen ein, Rückzugsräume für Arbeiten also, die die hohe Konzentration der Mitarbeiter erfordern. In Lounges soll der informelle Austausch mit den Kollegen im Vordergrund stehen, Projekträume oder Einzelarbeitsplätze das Arbeiten in der Gruppe oder allein erlauben. Selbst "Freizeit"-Räume mit Kicker und Billardtisch stehen zur Debatte. Denn nach Phasen höchster Kreativität und Konzentration ist die Abwechslung umso wichtiger, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter wieder anzukurbeln.

In der Praxis sind die neuen Arbeitsplatzkonzepte offenbar noch nicht ganz ausgereift. Wie die aktuelle Forsa-Umfrage bestätigt, sehen insbesondere Beschäftigte mit einem Arbeitsplatz im Großraumbüro mit mehr als vier Arbeitsplätzen Nachholbedarf bei Ausstattung und Qualität der Räume außerhalb der eigentlichen Bürozonen. So ist etwa die Hälfte (48 Prozent) dieser Befragten mit der Qualität der gemeinschaftlichen Aufenthaltsräume wie Teeküchen oder der Sitzecken für alle Mitarbeiter weniger zufrieden. Und nur 30 Prozent stehen momentan Rückzugsräume für Arbeiten, die eine hohe Konzentration erfordern, zur Verfügung.

Was Erwerbstätigen in ihrer Arbeitsumgebung wichtig ist, hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Großraumkonzepte werden insbesondere von jungen Arbeitnehmern der sogenannten Generation Y positiv bewertet, wenn Raum- und Aufenthaltsqualität stimmen. Vorbei sind offenbar die Zeiten, in denen die Anzahl der Fenster im Einzelbüro den Status eines Mitarbeiters in der Unternehmenshierarchie dokumentierte.

Neue Prioritäten der Generation Y

Entscheidend für diese immer stärker umworbene Zielgruppe ist zudem die Lage ihres Arbeitsplatzes. Im Jahr 2015 gehören neben der Innenstadt campusartige Stadtrandlagen eindeutig zu den beliebtesten Bürostandorten. Wo Einkaufs-, Freizeitmöglichkeiten und Arbeit unmittelbar nebeneinander liegen, steigen die Lebensqualität und die Attraktivität des Arbeitsplatzes und damit die des Arbeitgebers.

Trotz zunehmender Digitalisierung der Arbeitswelt und der damit einhergehenden räumlichen und zeitlichen Flexibilisierung der Beschäftigten wird es das Büro als Arbeitsplatz auch in Zukunft geben. Es spielt eine wichtige Rolle als Treffpunkt und kreatives Zentrum für die Mitarbeiter, Unternehmen positionieren sich als Arbeitgeber immer stärker durch attraktive Bürowelten.

Diese Entwicklung bringt für die Unternehmen aber nicht in erster Linie Einsparungspotenzial mit sich, sondern vielmehr die Herausforderung, das Arbeitsumfeld im Hinblick auf Ausstattung und Qualität der Räume interessant und ansprechend zu einzurichten. Anmietentscheidungen von Unternehmen sollten den Wunsch nach individueller Arbeitsplatzgestaltung - auch oder gerade in Großraumstrukturen - arbeitsplatzübergreifend mit dem Interesse der Beschäftigten an interaktionsfördernden Raumstrukturen vereinbaren.

Unabdingbar ist heute ohnehin die Ausstattung der Büroräume mit modernster Infrastruktur. Dazu zählen natürlich IT und Telekommunikation, aber auch hochwertige Sanitäreinrichtungen und eine Küche. Licht und Temperatur in den Büroräumen sind nicht mehr nur eine Frage des Energieverbrauchs, sondern auch der Aufenthaltsqualität. Der Trend zu hochwertigen Raumqualitäten ist mittlerweile über alle Marktsegmente hinweg zu erkennen, entsprechende Konzepte bleiben längst nicht mehr nur eine Domäne von Unternehmen aus den Bereichen IT oder Kreativwirtschaft. Für das laufende Jahr sind die stark qualitätsgetriebenen Anmietungen bereits deutlich erkennbar. Beim Wechsel der Räumlichkeiten setzen die Firmen zudem klar auf eine höhere Flächeneffizienz, um mit den dadurch erzielten Einsparungen in eine höhere Raum- und Aufenthaltsqualität zu investieren.

Der Autor

Ken Kuhnke - Leiter Vermietungsmanagement, Mitglied der Geschäftsleitung, HIH Real Estate GmbH, Hamburg

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