Immobilien-Konjunktur 2016

Integrierte Stadtentwicklung - welche Konzepte versprechen Erfolg?

Eva Lohse

Eine integrierte, strategische Stadtentwicklungsplanung sucht nach einem fachlich verantwortlichen und politisch tragfähigen Gleichgewicht zwischen sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Zielen. Dabei hat die Stadtentwicklungspolitik aus der Vergangenheit ihre Lehren gezogen. Demnach sucht eine integrierte, strategische Stadtentwicklungsplanung nach einem fachlich verantwortlichen und politisch tragfähigen Gleichgewicht zwischen sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Zielen. Der Fokus liegt klar auf den Menschen als soziale und bestimmende Komponente in der Stadtplanung, auf der Rückbesinnung auf baukulturelle Besonderheiten und auf einer sozialen Vielfalt und Mischung von Nutzungen. In einem Positionspapier mit dem Titel "Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement - Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung" hat der Deutsche Städtetag Qualitätskriterien für eine erfolgreiche Stadtentwicklung zusammengetragen. Bewährt haben sich Methoden und Instrumente eines systematischen Monitorings und Qualitätsmanagements, dabei sollte das Monitoring durch Indikatoren und Daten gestützt werden, die die Stadt selbst festlegt und erheben kann. Kritisch bewertet die Autorin Versuche internationaler Normungsinstitute, Indikatoren nachhaltiger Stadtentwicklung technisch zu normieren. Red.

Was garantiert eine erfolgreiche Stadtentwicklung? Diese Frage ist kaum in wenigen Sätzen zu beantworten. Hoch sind Anzahl und Komplexität der Faktoren, die für die Bewertung eine Rolle spielen und lang die Zeitspannen bis zu einer endgültigen, bestenfalls positiven Bilanz. Um dennoch eine Bewertung von Konzepten integrierter Stadtentwicklung vornehmen zu können, scheint eine Annäherung und vorab eine Einordnung der beiden Begrifflichkeiten "Stadtentwicklung" und "Erfolg" sinnvoll.

Der Begriff Stadtentwicklung wird in vielen Zusammenhängen benutzt. Im Sprachgebrauch findet sich das Wort häufig als übergreifende Beschreibung für Tätigkeiten, die mit der räumlichen Planung einer gesamten Stadt oder auch einzelner Stadtquartiere zusammenhängen. Daneben steht der Begriff für eine konkrete Fachdisziplin mit klar abgegrenzten Handlungsrahmen und Instrumenten. Geeigneter für eine übergreifende Verständigung ist indes eine interdisziplinäre inhaltliche Annäherung an den Begriff.

Demnach sucht eine integrierte, strategische Stadtentwicklungsplanung nach einem fachlich verantwortlichen und politisch tragfähigen Gleichgewicht zwischen sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Zielen. Sie ist dem Gemeinwohl verpflichtet und trägt dazu bei, es auf kommunaler Ebene zu gestalten. Stadtentwicklungsplanung hat das Ziel, die Chancengerechtigkeit für die Teilräume der Stadt sowie für die unterschiedlichen Gruppen der Stadtgesellschaft zu wahren und einen gerechten Interessenausgleich zu ermöglichen. Integrierte und strategische Stadtentwicklungsplanung als "Dachmarke" umfasst dafür - in der Regel unabhängig von thematischen Schwerpunkten - wiederkehrende Arbeitsschritte, zum Beispiel das Entwickeln und Festschreiben von Leitbildern und Leitlinien für private und öffentliche Akteure, Handlungsprogramme, Handlungsräume und Modellgebiete, eine kommunale Beteiligungs- und Aktivierungskultur, Steuerung und Netzwerkbildung, Monitoring, Analysen und Prognosen sowie die Evaluierung. Diese Bausteine bilden einen vernetzten Arbeitsprozess mit zahlreichen Rückkopplungen.

Frühere Konzepte finden ihre Grenzen

Was bedeutet Erfolg? Hierbei gibt es eine ziemliche Bandbreite an Erfahrungen und Erwartungen und individuell wird das sehr unterschiedlich interpretiert. Im Unterschied zum individuellen Empfinden und persönlichen Handeln für Erfolg gilt bei den Städten allerdings, dass hier die Strategie- und Zielentwicklung für Erfolg nicht von einem eher begrenzten Personenkreis beeinflusst wird, sondern ein hochkomplexer Aushandlungsprozess aller Bürgerinnen und Bürger, ihrer gewählten Ratsmitglieder und Bürgermeister, der Verwaltung und der zahlreichen Multiplikatoren einer Stadt ist.

Das früher teilweise verfolgte Konzept einer durchgängig von oben nach unten ("top-down") gesteuerten Stadtentwicklung findet daher seine Grenzen. Diese liegen sowohl in der Dynamik gesellschaftlicher und politischer Prozesse als auch in der Komplexität einer meist nur in Ausschnitten prognostizierbaren beziehungsweise modellierbaren städtischen Realität. Anstelle hierarchischer und formalisierter Planungsschritte und -ebenen bewährt sich heute in der Stadtentwicklungsplanung eine von Werten und Leitbildern gesteuerte Strategie: kleine Schritte in flexiblen und offenen Steuerungskreisläufen. Entsprechend umfassend und komplex ist die Erarbeitung eines integrierten und nachhaltigen Stadtentwicklungskonzeptes.

Erfolg ist auch eine zeitlich abhängige Sichtweise

Aber Erfolg ist immer auch eine zeitlich abhängige Sichtweise, die sich schneller ändern kann, als es den Städten lieb ist. Der Blick in die Vergangenheit zeigt beispielsweise, dass viele Städte bei der Umsetzung des Leitbildes einer "autogerechten Stadt" durchaus Erfolg hatten. Aus heutiger Sicht lastet diese damals fraglos schlüssige Entwicklung jedoch oftmals als schwere Bürde auf den Städten, und es bedarf auch weiterhin vieler Anstrengungen zum Um- und Rückbau. Deshalb sollten Leitbilder und Zielsetzungen in regelmäßigen Abständen hinterfragt und fortentwickelt werden.

Die Stadtentwicklungspolitik hat aus der Vergangenheit ihre Lehren gezogen. Das aktuelle Leitbild der europäischen Stadt im Sinne der unter der deutschen EU-Präsidentschaft auf breiten Konsens gestoßenen Leipzig-Charta von 2007 erweist sich seit geraumer Zeit als gleichermaßen robust wie anpassungsfähig.

Smart City als Herausforderung

Der Fokus liegt klar auf den Menschen als soziale und bestimmende Komponente in der Stadtplanung, auf der Rückbesinnung auf baukulturelle Besonderheiten und auf einer sozialen Vielfalt und Mischung von Nutzungen. Damit bietet dieses Leitbild einen geeigneten Rahmen für die unterschiedlichen Zielsetzungen und Maßnahmen in den Städten. Zudem lassen sich auch vermeintlich neue Themen, wie die Digitalisierung von Abläufen und Anwendungen in den Städten ("Smart City") oder die Krisenfestigkeit, Anpassungsfähigkeit und Robustheit von Städten, integrieren.

Rein technologische Visionen einer Smart City greifen indes zu kurz angesichts der Herausforderungen der sozialen Integration und des räumlichen Ausgleichs. Die Kommunen sind gefordert, die Akteure der Informations- und Kommunikationswirtschaft und die Anbieter von Infrastrukturtechnologien soweit wie möglich in eine integrierte und am Gemeinwohl orientierte Stadtentwicklung einzubinden.

Nur so kann auch der enorme Instandsetzungs-, Erneuerungs- und gegebenenfalls Rückbaubedarf von technischen Infrastrukturen angesichts beschleunigter Innovationszyklen und neuer Technologieverknüpfungen und trotz schwacher kommunaler Finanzausstattung bewältigt werden. Neben dem Aspekt der langfristigen Finanzierbarkeit gilt es, Kriterien der Nachhaltigkeit, der Entschleunigung, Entflechtung und Widerstandsfähigkeit technischer Systeme insgesamt verstärkt einzubinden.

Das Konzept einer integrierten Stadtentwicklungsplanung, ergänzt um unterschiedliche Fachkonzepte, ist in Kombination mit einer entsprechenden Beteiligungskultur vor Ort ein erster Schritt zur erfolgreichen Stadtentwicklung. Aber integrierte Stadtentwicklungsplanung kann sich nicht nur auf das "Pläne machen" beschränken. Zu ihrer Verwirklichung empfiehlt sich ein Stadtentwicklungsmanagement. Strategisch angelegt und kooperativ ausgerichtet kann es helfen, alle Akteure einzubeziehen und Leitlinien und Konzepte systematisch und ressourcenschonend zu verknüpfen.

Ein ressortübergreifend angelegtes Stadtentwicklungsmanagement liefert maßgebliche Inhalte für die mittelfristige Investitions- und die jährliche Budgetplanung, für Förderprogramme beziehungsweise -vereinbarungen sowie für ein mittel- bis langfristig orientiertes ressortübergreifendes Flächen-, Infrastruktur- und Planungsmanagement. Zusammengenommen schafft dies die planungsrechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die stadtentwicklungspolitisch wesentlichen Projekte.

Systematisches Monitoring und Qualitätsmanagement

Um die Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft zu unterstützen, haben sich Methoden und Instrumente eines systematischen Monitorings und Qualitätsmanagements bewährt. Das Monitoring sollte durch Indikatoren und Daten gestützt werden, die die Stadt selber festlegt und erheben kann. Dafür sollten auch Open-Data-Strategien einbezogen werden. Das Qualitätsmanagement sollte kooperativ und transparent angelegt sein und alle Bereiche umfassen, die Veränderungen unterliegen können.

Verkürzungen auf einfache, rein quantitative Bewertungsskalen, wie sie zum Beispiel bei immobilienwirtschaftlichen Zertifizierungen angewendet werden, werden den komplexen räumlichen und sozialen Strukturen nicht gerecht. Sie begünstigen schlimmstenfalls Fehleinschätzungen, die zur Stigmatisierung von Stadtteilen oder ganzen Städten führen können.

Ähnlich unzulänglich sind Versuche internationaler Normungsinstitute, Indikatoren nachhaltiger Stadtentwicklung technisch zu normieren (zum Beispiel ISO 37120, Sustainable development of communities - Indicators for city services and quality of life) und für Strategien ressourceneffizienter und nachhaltiger Stadtentwicklung unter dem Label "Smart Cities" zu nutzen.

Unzulängliche Versuche von Normungsinstituten

Auch hier werden teilweise die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen der Stadtentwicklung ausgeblendet und technologieorientierte Geschäftsmodelle als Blaupausen nachhaltiger Stadtentwicklung angeboten. Durch die einseitige Fokussierung auf nur einen Themenbereich werden jedoch Chancen, die mit einer integrierten Stadtentwicklung verbunden sind, nicht optimal genutzt.

Oftmals reduzieren Smart-Cities-Konzepte komplexe Vorgänge der Stadtentwicklung auf technische oder ökonomische Ursache-Wirkung-Beziehungen. Eine Einbindung dieser Ansätze unter dem Dach der integrierten Stadtentwicklung ist aus Sicht des Deutschen Städtetages dringend geboten.

In einem Positionspapier mit dem Titel "Integrierte Stadtentwicklungsplanung und Stadtentwicklungsmanagement - Strategien und Instrumente nachhaltiger Stadtentwicklung" hat der Deutsche Städtetag Qualitätskriterien für eine erfolgreiche Stadtentwicklung zusammengetragen. Hinter Begriffen wie politische Legitimation, Verbindlichkeit, Chancengerechtigkeit und Wertorientierung ist darin beispielsweise aufgeführt, dass Planungsaufträge und Planungsergebnisse integrierter Stadtentwicklung Stadtratsbeschlüsse mit selbstbindender Wirkung erfordern.

Qualitätskriterien für erfolgreiche Stadtentwicklung

Zudem geht es auch darum, als ethischnormative Grundlage einer nachhaltigen und dem Gemeinwohl verpflichteten Stadtentwicklung die Chancengerechtigkeit zu gewährleisten. Unter dem Punkt Kommunikation werden ein Kommunikationsmanagement zwischen den Ebenen und internen und externen Akteuren sowie verbindliche Kooperationsformen und ein qualifizierter fachlicher Austausch der einzelnen Ressorts "auf Augenhöhe" empfohlen.

Hinzu treten ressortübergreifende Arbeitsstrukturen sowie eine verbindliche Zeit- und Aufgabenplanung. Unter dem Stichwort wissenschaftlich-analytische empirische Grundlagen findet sich der Hinweis auf die Nutzung einer "Open Geo Data"-Landschaft mit allgemein zugänglichen Planungsinformationen, statistischen Indikatoren, Verfahren, Modellen und Kartendarstellungen, gegebenenfalls ergänzt von Gutachten, vergleichenden Studien, Stärken-Schwächen-Analysen, Umfragen, Prognosen oder Szenarien.

Strategische Leitlinien sollten zur besseren Verständlichkeit visualisiert werden. Die Investitions- und Budgetplanung ist integriert und zielkonform zu gestalten und sollte eine Bündelung von Mitteln verschiedener Ressorts/Förderprogramme ermöglichen. Leitlinien sollten so formuliert werden, dass sie nachprüfbare Indikatoren enthalten. Empfehlenswert ist eine Kombination qualitativer und quantitativer indikatorengestützter und dialogischer Evaluierungsmethoden. Evaluierung sollte als Lernprozess verstanden werden und Grundlagen für die Optimierung von Strategien, Programmen und Planungsprozessen liefern.

Je intensiver man das Thema integrierte Stadtentwicklung beleuchtet, desto klarer wird, dass Stadtentwicklung eine langfristige Aufgabe ist, bei der es eines langen Atems bedarf, und dass es den einen Weg zu einer erfolgreichen Stadtentwicklung nicht gibt. Was allerdings auch zu Tage tritt, sind Vorgehensweisen, Instrumentarien, Rahmenbedingungen und letztlich auch Qualitätskriterien, die die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Entwicklung deutlich erhöhen.

Strategische Leitlinien visualisieren

Sicher ist: Eine integrierte Stadtentwicklungsplanung bildet den Grundstein, damit Bürger und Politik über die weitere Entwicklung diskutieren und Ziele sowie Prioritäten vereinbaren können. Und nur eine mittel- bis langfristig orientierte Orientierung anhand der gemeinsam entwickelten und erarbeiteten Leitlinien und Leitbilder verspricht Erfolg. Gleichzeitig müssen diese Konzepte genügend Raum für Anpassungen und sich verändernde Zielsetzungen bieten. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der "Feinjustierung", die den sich ändernden Anforderungen und Prioritätensetzungen in den Kommunen Rechnung trägt.

Die Autorin

Dr. Eva Lohse Präsidentin des Deutschen Städtetages, Berlin, und Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen am Rhein

Noch keine Bewertungen vorhanden


X