Makler und Onlineportale bewerten immer öfter Immobilien - reicht ihre Expertise dafür aus?

Jan-Carl Mehles, Team Leader Market Research, Immowelt AG, Nürnberg

Quelle: Immowelt AG

Im Internet gibt es mittlerweile diverse Plattformen, die Immobilieneigentümern eine kostengünstige Wertermittlung ihrer Liegenschaft anbieten. Ein Trend, der gerade bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Unmut sorgt. Sie werfen den neuen Wettbewerbern eine unqualifizierte Herangehensweise bei der Erstellung von Immobilienbewertungen vor. Die I & F-Redaktion hat aus diesem Anlass Vertreter beider Seiten eingeladen, ihre Standpunkte darzulegen. Red.

PRO

Onlinebewertungen ergänzen das Angebot

Immobilienvermarktung und -suche finden heute zum größten Teil online statt. So haben Immobilienportale wie Immowelt.de das klassische Zeitungsinserat weitgehend abgelöst und damit allen Marktbeteiligten neue Möglichkeiten eröffnet. Verkäufer, Vermieter und Makler können ihre Immobilien attraktiv präsentieren. Interessenten suchen zielgenau und erhalten einen umfangreichen Eindruck eines Objekts.

Big Data als Grundlage

Diese Digitalisierung der Immobilienbranche hat Konsequenzen: Die Erwartungshaltung von Anbietern und Suchenden hat sich verändert. Es wird eine viel höhere Geschwindigkeit gefordert, als es irgendjemand in den neunziger Jahren für möglich gehalten hätte. Ein privater Verkäufer möchte heute sofort und augenblicklich erfahren, in welchem Rahmen sich der Wert seiner Immobilie bewegt. Wer vielleicht noch nicht gänzlich überzeugt ist, ob ein Verkauf in Frage kommt, sucht in einer ersten Preisermittlung keine erschöpfende Analyse seines Objekts, sondern einen Impuls. Und diesen Impuls bieten Onlinebewertungen.

Daten sind die neue Ressource der Wirtschaft. Durch die Verlagerung von Geschäftsprozessen in die digitale Welt sind Daten das, was früher Rohstoffe, Halbzeuge und Güter waren. Seit mehr als 20 Jahren bieten Portale wie immowelt.de Anbietern und Interessenten bereits eine Plattform. Dass es sich beim Onlineinserat seit mehr als zehn Jahren um die dominante Form der Immobilienvermarktung handelt, ist unbestritten. In diesen Jahren haben die Immobilienportale gelernt, die Daten zu lesen, zu verstehen und einzuordnen. Aber auch, die Grenzen zu erkennen. Eine individuelle Immobilienbewertung ist eine komplexe und verantwortungsvolle Tätigkeit. Online kann diese auf Basis eines enorm großen Datenbestandes angestoßen werden. In Verbindung mit der Kompetenz erfahrener Partner können hieraus Einschätzungen entstehen, die sich am tatsächlichen Marktgeschehen orientieren. Reduziert auf eine zentrale Aussage, den Preis und abstrahiert aus einer Vielzahl unterschiedlicher Angebote. Aber eben auf Basis dessen, was reale Marktteilnehmer anbieten und zur Ansicht bekommen.

Eine Frage des Verfahrens

Eigentumswohnung, Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus: Diese drei groben Kategorien für Wohnimmobilien erfordern unterschiedliche Verfahren. In der auf Immowelt.de verfügbaren Onlinebewertung wird diesem Fakt Rechnung getragen, indem für

- Eigentumswohnungen das Vergleichswertverfahren,

- Einfamilienhäuser das Sachwertverfahren und

- Mehrfamilienhäuser das Ertragswertverfahren

verwendet wird, jeweils angelehnt an die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).

Abhängig von der Datenlage können auch Eigentumswohnungen nach dem Sachwertverfahren bewertet werden. In der Aufstellung, die der Besteller der Bewertung erhält, ist das angewendete Verfahren deutlich und transparent ausgewiesen. Besonders im Vergleichswertverfahren kann aufgrund der sehr großen Datenmenge eine solide Einschätzung getroffen werden - innerhalb der klaren Grenzen, die eine Onlinebewertung hat. Denn so groß der Datenbestand auch sein mag, wie ausgefeilt der Algorithmus ist: Ein Gutachten kann nur vom Fachmann vor Ort erstellt werden.

Grenzen erkennen, Grenzen nennen

Eine Onlinebewertung kann das Angebot der Gutachter nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Die Angebote im Netz schließen damit eine Lücke zwischen der persönlichen Einschätzung des Anbieters, die eigentlich immer zu hoch ist, und dem aufwendigen und kostenintensiven Verkehrswertgutachten vor Ort. So wie die Kurzgutachten ein Kompromiss zwischen fachlichen, wirtschaftlichen und terminlichen Anforderungen sind, bilden auch Onlinebewertungen ein Instrument für einen ganz bestimmten Einsatzzweck: die schnelle, erste Einschätzung des Marktpotentials einer Immobilie.

Der Wert eines Gutes bemisst sich vor allem daran, was ein potenzieller Käufer bereit ist, dafür zu bezahlen. Bei Immobilien wächst die Bereitschaft zu hohen Preisen mit der Qualität der Lage und dem Zustand des Objekts, ist aber auch abhängig von persönlichem Geschmack, individueller Lebenssituation und nicht zuletzt volkswirtschaftlichen Faktoren. Ein umfangreiches Verkehrswertgutachten nach allen Regeln der Kunst kann ebenso an den Realitäten des Marktes vorbeigehen wie ein Kurzgutachten oder eine Onlinebewertung. Alle Faktoren, die den Abschlusspreis einer Immobilie ausmachen, kann keine dieser drei Formen abbilden.

Jede Form hat aber ihre Berechtigung. Die Onlinebewertung gibt einen ersten Einblick in die Marktsituation. Das Kurzgutachten ergänzt um Erkenntnisse aus einer Besichtigung vor Ort und die Erfahrung des Gutachters. Das Verkehrswertgutachten als Goldstandard bildet schlussendlich das fachlich Mögliche ab - und ist zudem in einigen Situationen rechtlich geboten. Die Onlinebewertung auf Immowelt.de weist an mehreren Stellen darauf hin, wo die Grenzen liegen. Ein vollständiges Gutachten kann und will dieses Angebot nicht ersetzen. Es möchte vielmehr eine Ergänzung bieten und dem Kunden einen ersten, auf empirischen Tatsachen beruhenden Einblick geben.

Jan-Carl Mehles, Team Leader Market Research, Immowelt AG, Nürnberg

KONTRA

Eine gefährliche Entwicklung

Die Immobilienbewertung ist ein äußerst sensibles Thema, denn der Großteil findet im lokalen Markt statt. Mit Immobilienbewertungen sind meistens persönliche Schicksale durch Erbschaften oder aber Notverkäufe verbunden. Um diesen komplizierten Rahmenbedingungen gerecht werden zu können, ist eine besondere Sachkunde und eine spezielle Ausbildung zum Sachverständigen notwendig.

In jüngster Zeit haben mittelständische wie größere Immobilienmakler sowie Immobilienbörsen dieses Geschäftsfeld für sich entdeckt. Sie bieten häufig sogenannte "Bewertungen" an - rechtlich unverbindlich und selbstverständlich kostenlos. Dem Kunden wird suggeriert, dass er eine umfangreiche Immobilienbewertung erhält und er natürlich in seiner Entscheidung frei sei, seine Immobilie durch den Makler zu veräußern.

Mangelhaftes Vorgehen

In der Praxis kontaktiert ein möglicher Kunde den Makler, um dessen Angebot wahrzunehmen. Dafür übermittelt er dem Makler sämtliche gewünschten Informationen - meistens sind das nicht viele: Lage, Baujahr, Wohnfläche, Anzahl der Geschosse, Kellerangaben, gegebenenfalls Bauzustand und die Grundstücksgröße. Mit einem "breiten Lächeln" wird dem Kunden dann vermittelt, dass keine weiteren Daten benötigt werden würden. Eine Ortsbesichtigung findet - selbstredend - nicht statt. Warum auch? Der Makler hat nun "alle notwendigen Daten" und hat den Kunden - ohne dass er es merkt - gleich in seiner Kundenkartei als "Neukunde" angelegt.

Schließlich will man als Makler keine Zeit verlieren, wenn es wirklich zum Auftrag kommt. Meistens wird dann im Rahmen einer sehr groben Excel-Berechnung eine Zahl ermittelt, die den Wert der Immobilie darstellen soll - und zwar lediglich anhand der vorgenannten Merkmale. Der Makler erklärt, dass er selbstverständlich den hier ausgewiesenen Wert erzielen kann. Meistens läge man sogar hierüber. Mitnichten. Eine Immobilie ist derart individuell, dass man sie eben nicht "vom Schreibtisch aus" bewerten kann, da keine Kenntnisse über Rechte im Grundbuch, über Instandhaltungsrückstau oder aber besondere Außenanlagen vorliegen. Daher ist die von Maklern erstellte Kalkulation im Wege einer Auftragsakquise ein legitimes Mittel - aber dann muss sie "Markteinschätzung" und keinesfalls "Wertermittlung" oder noch schlimmer "Bewertung" heißen.

Immobilienbörsen im Internet haben zügig festgestellt, dass sie ihre Angebotspalette ausbauen müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Mittlerweile reicht diese von Baufinanzierung bis hin zu einer Umzugsunterstützung. Selbstverständlich wird auch die "Bewertung" als wichtiger Bestandteil angeboten.

Bei Immonet.de wird beispielsweise darauf hingewiesen, dass eine Wertermittlung ausschließlich durch einen Sachverständigen erfolgen kann. Dennoch können registrierte Kunden eine "Wertermittlung" kostengünstig durchführen: Bei der sogenannten "Wertauskunft" wird der "Wert" lediglich anhand von wenigen Parametern "ermittelt" - für einen Preis von 25,99 Euro. Bereits der Begriff "Wertauskunft" ist irreführend und in sich widersprüchlich, weil es eben nur eine grobe Kalkulation ist. So erfolgt beispielsweise die Bodenwertermittlung lediglich anhand eines hinterlegten Bodenwertes, dessen Quelle nicht angegeben wird. Die Lage, die entscheidend für eine Wertigkeit ist, wird gar vollständig ignoriert. Und zwar mit dem Argument, dass sich die Lage bereits in der Höhe des Bodenrichtwerts berücksichtigt wird. Leider ist aber eine Lage sehr individuell.

Verschiebung zu Ungunsten qualifizierter Sachverständiger

Hinzu kommt, dass manche Makler dem Kunden im Rahmen der Objektakquise gar nicht erst eigene Berechnungen präsentieren, sondern gleich die Ermittlung "des Wertes" eines Immobilienportals und kommunizieren, dass ein solcher "Kaufpreis" realistisch sei. Das Verhängnisvolle dabei: Die in der Datenbank hinterlegten Werte sind Angebotspreise (logischerweise keine beurkundeten Kaufpreise) und unterliegen daher - je nach lokalem Markt - einem kleineren oder größeren Verhandlungspuffer. Die Bewertungen fallen also automatisch regelmäßig viel zu hoch aus. Das Ergebnis wird vom Kunden in den meisten Fällen nicht hinterfragt, weil Sachkunde und ein richtiger Verfahrensweg unterstellt werden. Leider zeigen die dargestellten Abläufe aber sehr deutlich, dass eine "Bewertung" seitens einer Immobilienbörse nichts mit einer seriösen Wertermittlung zu tun hat, da die Verfahrensabläufe entweder viel zu oberflächlich oder aber nicht nachvollziehbar sind. In vielen Fällen wird nicht einmal das richtige Verfahren gewählt.

Es hat also eine Verschiebung des Wettbewerbs zu Ungunsten der qualifizierten und öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen stattgefunden. Für eine praxisnahe Lösung dieses sensiblen Themas ist gerade der Gesetzgeber gefragt. Unter anderem gilt es, die Bezeichnung "Sachverständiger" zu schützen, sodass nicht jeder, der sich "sachverständig fühlt" auch ein "Sachverständiger" sein kann.

Christoph Ziercke, Geschäftsführer, Wertmanagement GmbH, Hameln

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