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NAH UND GÜNSTIG MUSS ES SEIN - FACHMARKTZENTREN IN GROSSBRITANNIEN BIETEN GUTE INVESTMENTCHANCEN

Andreas Trumpp, Foto: Savills IM

Mit einer pauschalen Sicht auf den vermeintlichen Niedergang des Einzelhandelssektors könnten Investoren beträchtliche Ertragschancen bei Fachmarktzentren im Value- und Convenience-Segment entgehen, so die Überzeugung des Autors. Nachdem sich Mieten und Kapitalwerte auf einem nachhaltigeren Niveau eingependelt haben, sei das Teilsegment gerade für Investoren mit Fokus auf ertrags- und renditestarke Objekte interessant. Insbesondere in Großbritannien bieten sich seiner Einschätzung nach jetzt attraktive Einstiegschancen. Für ein gesundes Rendite-Risiko-Verhältnis sei aber ein selektiver Ansatz bei der Auswahl von Objekten sowie umfassende Kenntnisse über die lokalen Marktbedingungen unabdingbar. Red.

Investitionen in Einzelhandelsimmobilien bringen einige Herausforderungen mit sich, die durch die Corona-Pandemie nochmals verstärkt wurden - das gilt in Großbritannien wie in ganz Europa. Es muss dabei allerdings auf die Unterschiede innerhalb des Einzelhandelssektors geachtet werden: Manche Teilsegmente haben eine wesentlich bessere Ausgangssituation als andere.

Stationär - in vielen Fällen noch immer der geeignetere Kanal

Der kontinuierlich wachsende Onlinehandel stellt den stationären Einzelhandel vor eine Reihe struktureller Herausforderungen. Allerdings sind nicht alle Produktkategorien gleichermaßen davon betroffen, weil nicht alle Produkte gleichermaßen für den Onlinehandel geeignet sind.

Für einen erheblichen Teil von Waren ist der stationäre Einzelhandel der vorteilhaftere Absatzkanal. Außerhalb des erlebnisorientierten Einzelhandels - also Einzelhandel mit Freizeit- und Unterhaltungsangeboten - sind die Aspekte Preis, Komfort und Anbindung die wichtigsten Faktoren, die die Einkaufsgewohnheiten und -präferenzen der Verbraucher bestimmen. Das Beispiel hochwertiger Haushaltswaren zeigt, dass diese eher nach dem persönlichen Geschmack ausgewählt werden. Kunden möchten die entsprechende Produktauswahl sehen, anfassen und ausprobieren, bevor sie sich für ein Produkt entscheiden.

Kunden möchten sehen, anfassen und ausprobieren

In der Regel besteht auch ein konkreter Bedarf, der zum Zeitpunkt des Kaufwunsches befriedigt werden möchte. Waren des täglichen Bedarfs mit geringer Gewinnspanne wie Körperpflegeprodukte oder Reinigungsmittel sind im Onlineverkauf häufig unwirtschaftlich. Zudem wird das Produkt durch die Lieferung nach Hause (und mögliche Rücksendungen) relativ teuer für den Händler und den Konsumenten.

Für sogenannte Value- und Convenience-Einzelhändler, die preisgünstig und komfortorientiert Waren des täglichen Bedarfs anbieten, sowie für Baumärkte ist eine gute Verkehrsanbindung von entscheidender Bedeutung. Deshalb stellen Fachmarktzentren einen bevorzugten Standort für diese dar.

Kosteneffizientere und flexiblere Nutzung begünstigt Vermietung

Die Corona-Pandemie hat die defensiven Eigenschaften von Fachmärkten und Fachmarktzentren zusätzlich verdeutlicht. Sie weisen eine hohe Ertragsstabilität auf, die auf finanziell stabilen Mietern und einer hohen Verbraucherfreundlichkeit beruht.

Die deutlich niedrigeren Mieten in Fachmarktzentren gegenüber anderen Einzelhandelsformaten ermöglichen eine wesentlich kosteneffizientere und flexiblere Flächennutzung - ein entscheidender Erfolgsfaktor für preis- und komfortorientierte Einzelhändler und somit ein wichtiger Nachfragetreiber für die Vermietung.

Im Zuge einer Konsolidierung sanken die Mieten seit ihrem Höhepunkt im Jahr 2018 laut MSCI bereits vor der Pandemie um 17 Prozent, haben sich seitdem aber wieder stabilisiert. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Durchschnittsmieten zum Jahresende 2020 knapp unter dem Niveau lagen, das sie erreicht hätten, wenn die Mieten in den vergangenen Jahren entsprechend der Inflationsraten gestiegen wären.

Rückläufige Fertigstellungsvolumina als Folge der Pandemie und sinkende Leerstandsquoten tragen ihren Teil zur Stabilisierung der Mietentwicklung bei. Die Korrektur der Mietpreisentwicklung hat also offenbar ein tragfähigeres Niveau für viele Einzelhändler erreicht.

Verständnis der Mieterrentabilität ist entscheidend

Entscheidend ist zusätzlich ein Verständnis der Mieterrentabilität und somit der finanziellen Stärke der jeweiligen Mieter. Die wichtigsten Ankermieter in Fachmärkten und Fachmarktzentren in Großbritannien, wie beispielsweise B & Q (Baumarkt), B & M (Value-Einzelhändler), Currys/PC World (Elektronik), Home Bargains (Value-Einzelhändler), Sainsbury's (Supermarkt), TK Maxx (Fashion und Wohn-Accessoires) oder Pets at Home (Heimtierbedarf), weisen laut D & B-Rating niedrige Risikoindikatoren und damit ein geringes Ausfallrisiko auf.

Gleichzeitig nehmen die Mietvertragslaufzeiten wieder zu. Im ersten Halbjahr 2021 lag die durchschnittliche Laufzeit von neu abgeschlossenen Mietverträgen ohne Berücksichtigung von Sonderkündigungsrechten laut MSCI bei zehn Jahren, nachdem dieser Wert Mitte 2020 auf acht Jahre gesunken war.

Zum Vergleich: Die Mietvertragslaufzeiten in Haupteinkaufsstraßen und Einkaufszentren liegen in Großbritannien derzeit bei jeweils 5,6 beziehungsweise 7,5 Jahren. Damit sind die aktuellen Mietvertragslaufzeiten vergleichbar mit Logistikobjekten und nur knapp unter den Bürovermietungen, wo sie bei 11,5 Jahren liegen.

Neue Wachstumsmärkte sorgen für diversifizierte Mieterbasis

Wenngleich die Zahl der Neueröffnungen in der Pandemie deutlich zurückging, waren und sind vor allem Value- und Convenience-Einzelhändler aktiv auf Flächensuche, beispielsweise die Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl oder der Value-Einzelhändler B & M.

Gleichzeitig tragen neue Wachstumsmärkte wie Heimtierbedarf, Discount-Sportartikel und Fitnessstudios sowie die Expansion von To-Go-Anbietern im Gastronomiebereich zu einer Diversifikation der Mieterbasis im Convenience-Segment und einer Steigerung der Nutzernachfrage bei.

Die Lage und Objektgrößen bieten zudem Chancen für zusätzliche Dienstleistungen in den Geschäften, darunter Zustelldienste sowie Click-and-Collect-Angebote, die zur weiteren Umsatz- und Gewinnsteigerung beitragen. Damit überbrücken Einzelhändler im Wesentlichen die Barriere zwischen dem stationären Einzelhandel und dem Onlinehandel.

Click-and-Collect-Modelle dürften in den kommenden Jahren ein schnelles Wachstum verzeichnen. Für Einzelhändler sind diese nicht nur kosteneffizienter als die Lieferung nach Hause, sondern sie fördern auch zusätzliche Impulskäufe im Geschäft, die ansonsten ausbleiben würden.

Schnellere Lieferoptionen

Aufgrund der in der Regel guten Erreichbarkeit und der größeren Ladenflächen können Mieter in Fachmarktzentren Lieferungen nach Hause aus dem Ladenbestand bedienen. Dies ermöglicht schnellere Lieferoptionen und sorgt für eine höhere Kosteneffizienz.

Die gute Anbindung erleichtert zudem die Warenrückgabe, was zu zusätzlichen Umsätzen im Geschäft führen kann und zur Senkung der Retourenlogistikkosten beiträgt. Insgesamt bieten die größeren Ladenformate mehr Flexibilität, da sie teilweise als Fulfillment Center genutzt werden können.

Zugegeben haben die Kapitalwerte in den vergangenen Jahren deutliche Einbußen erfahren. Durch sinkende Mieten und s teigende Renditen sind sie in Großbritannien seit 2015 laut MSCI um etwa ein Drittel gesunken und sogar unter den Tiefpunkt während der globalen Finanzkrise gefallen.

Sowohl die Mieten als auch die Renditen sind jedoch gesunken, Letztere haben sogar überkorrigiert. Laut MSCI lagen die Renditen Mitte 2021 bei über 7 Prozent und damit 300 bis 400 Basispunkte über jenen von Logistikobjekten sowie von Büroimmobilien in London.

Der Wettbewerb um erstklassige Fachmarktzentren in Großbritannien übt bereits Renditedruck aus. Die Stabilisierung der Mieten und die zunehmende Investorennachfrage führten laut MSCI bereits dazu, dass der durchschnittliche Kapitalwert im zweiten Quartal 2021 zum ersten Mal seit dem vierten Quartal 2017 wieder anstieg - und zwar um zwei Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Renditerückgang als Treiber für die Kapitalwerte

Ein weiterer Renditerückgang in naher Zukunft würde den Kapitalwerten Auftrieb verleihen. IPF Consensus prognostiziert Fachmarktzentren in den kommenden Jahren 2022 bis 2025 aufgrund ihrer guten Ertragsentwicklung eine mittlere jährliche Gesamtrendite von 7,5 Prozent.

Damit liegen Fachmarktzentren fast hundert Basispunkte über den prognostizierten Gesamtrenditen von Logistikobjekten und rund 150 Basispunkte über jenen von Büroimmobilien.

Fachmarktzentren im Value- und Convenience-Segment weisen viele ähnliche Merkmale zu den bei Investoren ebenfalls beliebten Formaten des Lebensmitteleinzelhandels auf. Hierzu zählen lange Mietverträge, bonitätsstarke Mieter, stabile Kundenzahlen, hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Onlinehandel und eindeutiges Potenzial für Omnichannel-Strategien.

Der Hauptunterschied besteht in den deutlich besseren Ertragsrenditen, die unserer Meinung nach für Investoren besonders attraktiv sind. Für ein gesundes Rendite-Risiko-Verhältnis sind ein selektiver Ansatz bei der Auswahl von Objekten sowie umfassende Kenntnisse über die lokalen Marktbedingungen, Mieterprofitabilität und Erschwinglichkeit der Mieten erforderlich.

Andreas Trumpp , Head of Research Europe , Savills Investment Management, München
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