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Von Beta zu Alpha: Wie lange reichen Betarisiken zur Erfüllung der Ertragsvorgaben noch aus?

Seit Zuspitzung der Euro-Staatsschuldenkrise gelten deutsche Staatsanleihen als "sicherer Hafen" mit der Folge, dass die Renditen kräftig gesunken sind. Im Januar 2012 nahmen Investoren erstmals auch negative Renditen in Kauf. Die Diskussion um zu niedrige Einstandszinsen für auskömmliche Performancezahlen zieht sich allerdings schon durch die letzten Jahre. Wie die Historie belegt, war es trotzdem nicht falsch, in deutsche Staatsanleihen zu investieren, denn immer weitere Zinsreduzierungen haben die Performance beflügelt.

Attraktive Erträge mit überschaubaren Risiken

Langsam scheint das Performancepotenzial deutscher Staatsanleihen allerdings endgültig ausgereizt zu sein. Dies bestätigt auch der schnelle Anstieg der Renditen seit Anfang Mai 2013 vor dem Hintergrund der Äußerungen der amerikanischen Notenbank, ihre extrem expansive Geldpolitik in den kommenden Monaten etwas zurückzufahren. Insofern erscheint ein erneuter Zinsrückgang in Richtung der Jahrestiefststände zunehmend unwahrscheinlicher. Umgekehrt sprechen allerdings auch gerade in der Eurozone nur wenige Argumente für einen nachhaltigen Zinsanstieg, sodass sich die am Markt einzukaufenden Renditen deutscher Staatsanleihen mit mittlerer Laufzeit kaum deutlich von der Ein-Prozent-Schwelle nach oben entfernen dürften. Insofern bleibt für viele Investoren weiterhin die dringende Frage, wie sie dennoch attraktive Erträge mit überschaubaren Risiken erzielen können?

Europäische Staatsanleihen: Im Vergleich zu Bundesanleihen werfen europäische staatliche Schuldtitel noch vergleichsweise hohe Renditen ab. Dieses Renditeniveau lässt sich für Investoren vor dem Hintergrund der weiterhin schwelenden Schuldenkrise allerdings nur unter Inkaufnahme erheblicher fundamentaler und politischer Risiken einkaufen. Darüber hinaus müssen hohe Konzentrationsrisiken auf Einzelländerebene eingegangen werden, da der Anteil von Italien und Spanien gut ein Drittel des Anlageuniversums ausmacht.

Wenngleich die EZB im September 2012 durch den Beschluss ihrer OMT-Maßnahmen für rückläufige Risikoprämien bei europäischen Staatsanleihen gesorgt hat, bleibt unsicher, inwieweit die Krisenländer ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit mittelfristig zurückgewinnen und damit das Grundproblem lösen können. Die Unsicherheiten rund um die politische Situation in Italien oder auch der Fall "Zypern" zeigen, dass die fundamentalen und strukturellen Probleme nicht so schnell - wie vielleicht erhofft - gelöst werden können. Somit ist auch weiterhin von einer erhöhten Volatilität bei den Risikoprämien europäischer Staatsanleihen auszugehen. In welchen Anlageklassen am Rentenmarkt lassen sich darüber hinaus noch nennenswerte Renditeaufschläge gegenüber Bundesanleihen erzielen?

Mehrrendite bei Unternehmensanleihen

Unternehmensanleihen: Interessante Renditen lassen sich im aktuellen Niedrigzinsumfeld nach wie vor am europäischen Markt für Unternehmensanleihen mit rund 2,5 Prozent erzielen. Das entspricht einer Mehrrendite gegenüber Bundesanleihen von rund 140 Basispunkten. Im Gegensatz zu den Staatsemittenten zeichnet sich das Marktsegment der Unternehmensanleihen neben der breiteren Diversifikationsmöglichkeit vor allem dadurch aus, dass das Gros der Unternehmen sehr solide Fundamental daten aufweist: So ließen sich in der letzten Dekade am Markt zu kaum einem Zeitpunkt so niedrige Verschuldungsquoten und so hohe Margen, wie sie aktuell vorzufinden sind, beobachten. Dass die Risikoprämien für Unternehmensanleihen gerade auch mit Blick auf die jüngste Korrekturbewegung im historischen Kontext immer noch relativ hoch sind, wird auch daran ersichtlich, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent der Gesamtrendite eines Unternehmensanleihen-Portfolios auf die Ertragskomponente "Credit" entfällt (Abbildung 1).

High Yield: Für Investoren, die im Rahmen ihrer Anlagestrategie nicht auf die Ratingklasse Investmentgrade begrenzt sind, bieten sich mit momentan rund fünf Prozent Rendite europäische High-Yield-Anleihen als Investitionsalternative an. Zunehmend werden High-Yield-Positionen auch als Aktienersatzgeschäft erworben, da sie in der Vergangenheit ein deutlich attraktiveres Risiko-Ertrags-Profil zeigten. Doch wie lässt sich erklären, dass in der vergangenen Dekade mit High-Yield-Anleihen Prämien vereinnahmt werden konnten, die weit mehr als eine Kompensation für das übernommene Ausfallrisiko lieferten?

Im Kern lassen sich für diese Beobachtung zwei parallele Erklärungsstränge anführen: Zum einen scheint High Yield nach wie vor gegenüber der Aktie aus mehreren Gründen strukturell benachteiligt zu sein (zum Beispiel Einordnung als Kredit anstatt als marktgehandeltes Wertpapier oder auch die mentale Ablehnung, weil das Rating unterhalb der willkürlichen Investment-Grade-Schwelle liegt). Dies führt tendenziell zu einer niedrigeren Nachfrage und ermöglicht damit gleichzeitig die Vereinnahmung höherer Risikoprämien. Zum anderen gibt es jedoch einen Risikofaktor, der diese starke Unterscheidung zur Aktie in gewisser Weise berechtigt: Liquidität. Selbst als am Markt gehandelte Wertpapiere sind High-Yield-Anleihen keine wirklich liquide Assetklasse. Die Instrumente sind zu heterogen und ihre Eigenschaften zu komplex für eine große Markttiefe. Das drückt sich schon in normalen Phasen durch breite Geld-Brief-Spannen aus.

In Stressphasen schwindet die Liquidität rapide. Dies gilt für einzelne Wertpapiere ebenso wie für den Gesamtmarkt. Zu dem "Jump-to-Default"-Risiko kommt also ein "Jump-to-Illiquidity"-Risiko hinzu. Das unterscheidet High Yield von Aktien. Wenn im High-Yield-Markt das Liquiditätsrisiko subs tanziell größer ist als am Aktienmarkt und High-Yield-Investoren Liquidität zur Verfügung stellen, müssen sie auch mit einer angemessenen Prämie entlohnt werden.

Niedrige Ausfallraten bei High Yield

Neben den generellen strukturellen Merkmalen des High-Yield-Marktes sprechen in der aktuellen Marktlage zudem aber auch die Fundamentaldaten der Unternehmen für diese Assetklasse: Bereits seit Längerem ist der High-Yield-Markt durch niedrige Ausfallraten gekennzeichnet, was auf die insgesamt gute Verfassung der Unternehmen in diesem Marktsegment schließen lässt. Nicht zuletzt zählen speziell die High-Yield-Emittenten auch zu den wesentlichen Profiteuren der rückläufigen Marktzinsen der vergangenen Jahre: Diese ermöglichten sehr günstige Refinanzierungsbedingungen und förderten einen guten Kapitalmarktzugang. Ferner bieten High-Yield-Anleihen einen weiteren entscheidenden Vorteil gegenüber den meisten Rentenanlagen: Sie zeichnen sich durch eine extrem geringe Zinssensitivität aus, was insbesondere dann von Vorteil ist, wenn die Zinsen spürbar steigen sollten. Multi Credit: Einen innovativen Beitrag zur Steigerung der Portfoliorendite kann nicht zuletzt auch ein Multi-Credit-Ansatz liefern. Denn eines haben alle Rentenklassen gemeinsam und die vergangenen Jahre haben mit den Fällen "Lehman" und "Griechenland" einen prominenten Beweis dafür geliefert: Den hundertprozentigen Schutz gegen Ausfälle gibt es nicht. Die vielleicht beste Antwort für das Bedürfnis nach Sicherheit sowie den Schutz gegenüber Ausfällen findet man in der Portfoliotheorie: Diversifikation. Ein über verschiedene Marktsegmente breit diversifiziertes Portfolio kann externe Schocks in bestimmten Assetklassen wesentlich besser abfedern als ein fokussiert zugeschnittenes Mandat.

Mit dem HI-Multi Credit Short Term-Fonds hat die Helaba Invest Mitte vergangenen Jahres ein Produkt aufgelegt, welches genau diese Zielsetzung verfolgt: Neben einer breiten Streuung wählt das Fondsmanagement frei von Benchmarkzwängen aus diversen Credituniversen die unter den Aspekten Bonität und Bewertung attraktivsten Titel aus. Zudem hat sich auch unter Risikoaspekten gezeigt, dass es sinnvoller ist, die Mindestanforderungen hinsichtlich der Bonität zu erweitern, als die Creditduration beziehungsweise die Laufzeit zu erhöhen, da sich dadurch deutlich attraktivere Volatilitätseigenschaften erzielen lassen.

Um im Einzelfall konkreten Ertragsvorgaben genügen zu können, erscheint eine Kombination von Multi Credit und High Yield die beste Wahl. Beispielsweise kann mit einem Anteil von zirka 65 Prozent Multi Credit und 35 Prozent High Yield ein erwarteter Ertrag von rund drei Prozent erzielt werden, und das auf einem erwarteten Volatilitätsniveau, das dem Erfahrungswert deutscher Staatsanleihen entspricht (Abbildung 2).

Alphaquellen

Mit Blick auf die nach wie vor guten Perspektiven für die Creditmärkte sowie in Erwartung eines anhaltenden Niedrigzinsumfelds ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Renditeniveau am Markt auch mittelfristig relativ niedrig bleibt. Um diese "Renditelücke" zu schließen, sollten Investoren auch das Alpha als mögliche Performancequelle wieder verstärkt in Betracht ziehen.

Neben der Selektion (Emittentenauswahl) bieten sich als Alphaquellen insbesondere Strategien an, die das Markttiming in den Vordergrund rücken und damit die Steuerung des Investitionsgrads mit dem Ziel eines Zusatzertrages (Alpha) verfolgen. Diese Komponente wurde in den letzten Jahren als Performancequelle in strategischen Portfolios oft zurückgedrängt.

Bei der Auswahl möglicher Ansätze (die unter den Begriffen Balanced, Multi Asset, Long Short, Absolute Return beschrieben werden) und der Gesamtausrichtung eines Portfolios sind vielfältige Aspekte zu berücksichtigen, wie zum Beispiel: Soll es ein Grundbeta im Portfolio geben? Wie ist das Verhältnis von Beta zu Alpha? In welche Märkte wird investiert? Welche Stile sollen umgesetzt werden? Welches Gewicht ist einer Alphastrategie beizumessen? Welcher Zusatznutzen kann gegebenenfalls aus einer Dynamisierung der Alphastrategie erwachsen?

An dieser Stelle sollen Strategien berücksichtigt werden, die sich auf die reine Investitionsgradsteuerung beziehen, um diese mit den Betastrategien Multi Credit und High Yield zu kombinieren. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass ein Grundbeta nicht vorhanden beziehungsweise sehr gering ist und dass der jeweilige Ansatz auch einen negativen Investitionsgrad vorsieht, um das Portfolio im Zeitverlauf betaneutral steuern zu können. Voraussetzung für die flexible und kostengünstige Umsetzung dieser Strategien sind hochliquide Märkte. Besonders geeignet erscheinen hierfür der deutsche und amerikanische Rentenmarkt, die globalen Aktienmärkte und die Creditmärkte.

Realistische Abbildung des Risikos

Die Helaba Invest bietet mit ihrer Long-/ Short-Produktfamilie die geeigneten Vehikel, um die Idee eines Alphaportfolios effizient umzusetzen. Mit einer "naiven" Diversifikation von vier Long-/Short-Produkten konnte im Mittel seit dem Jahr 2009 eine Performance in Höhe von mehr als 3,4 Prozent per annum bei einer vergleichsweise niedrigen Volatilität von 1,55 Prozent erzielt werden. Auch schwierige Situationen an den Aktien- und Creditmärkten konnte das Alphaportfolio in den letzten Jahren durch eine positive Performance während dieser Stressphasen abmildern.

Wählt man statt der naiven Diversifikation eine dynamische Portfoliostruktur, die unter Berücksichtigung der aktuellen Risiko- und Ertragssituation der einzelnen Long-/ Short-Produkte ein vorgegebenes monatliches Risikobudget von 50 Basispunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unterschreitet, lassen sich die Risikomaße des Alphaportfolios nochmals deutlich verbessern. So kann in der gleichen Zeitspanne die Volatilität auf 0,99 Prozent reduziert werden. Ebenso sinkt der maximale Drawdown auf 0,58 Prozent. Insgesamt verbessert sich die risikoadjustierte Performance gemessen anhand der Sharpe-Ratio von 1,60 auf 1,94.

Bei dieser Vorgehensweise ist die realistische Abbildung des Risikos zentraler Ausgangspunkt. Hierzu wird mit dem "Conditional Value at Risk" ein Downside-Risikomaß verwendet, das bei einem vorgegebenen Konfidenzniveau von beispielsweise 95 Prozent den erwarteten monatlichen Verlust im Falle einer Realisation aus dem ungünstigsten Fünf-Prozent-Quantil der Portfoliorenditeverteilung misst. Diese Kennzahl weist damit unmittelbar das potenzielle Verlustrisiko und damit das monatliche "Risikobudget" aus. Allein die Volatilität und den linearen Korrelationskoeffizienten als geeignete Risiko- und Diversifikationsmaße zu verwenden und damit implizit von einer multivarianten Normalverteilung der Renditen der Long-/Short-Konzepte auszugehen, führt insbesondere bei kurzen Betrachtungszeiträumen zu einer Unterschätzung des Gesamtrisikos. Gründe hierfür sind zum einen, dass die Normalverteilung die Wahrscheinlichkeit extremer Kursbewegungen unterschätzt. Zum anderen wird insbesondere in Stressphasen der Diversifikationseffekt durch das klassische lineare Korrelationsmaß überschätzt.

Intelligente Art der Risikomessung

Um die "Fat Tails" zu berücksichtigen, werden Methoden der Extremwert-Theorie angewendet, indem die Enden der einzelnen Renditeverteilungen der Long-/Short-Konzepte unabhängig von ihrem Kern modelliert werden. Das Problem von Korrelationsasymmetrien löst man mit Hilfe einer Copula, die es erlaubt, dass gemeinsame negative Ereignisse häufiger vorkommen können als unter Verwendung einer linearen Korrelation. Zudem berücksichtigt das nach vorne gerichtete Simulationsmodell eine sich im Zeitverlauf verändernde Volatilität einzelner Long-/Short-Konzepte sowie Volatilitätsasymmetrien, die über asymmetrische Garch-Prozesse abgebildet werden. Insgesamt gewährleistet diese intelligente Art der Risikomessung damit eine empirische Robustheit gegenüber beobachteten Abweichungen von der Normalverteilung.

Für das Optimierungsverfahren ist darüber hinaus ein Return-Schätzer notwendig. Dieser wird nicht aus einem fundamentalen Faktormodell abgeleitet, sondern aus den tatsächlich in der Vergangenheit real erzielten Renditen. Eine explizite Kassehaltung ist für den Fall vorgesehen, dass das monatliche Risikobudget nicht ausreicht, um den Conditional Value at Risk einer 100-prozentigen Investition in die Long-/Short-Konzepte abzudecken.

Durch eine Kombination des gegenüber deutschen Staatsanleihen wesentlich attraktiveren Kreditportfolios aus Abbildung 2 mit dem dazu unkorrelierten dynamisch gesteuerten Alphaportfolio (Korrelationskoeffizient von minus 0,03), lassen sich sehr attraktive Rendite-Risiko-Profile realisieren (Abbildung 3).

So lässt sich zum Beispiel durch eine 20-prozentige Beimischung des Alphaportfolios der Ertrag pro Risikoeinheit gegenüber dem reinen Kreditportfolio von 1,03 auf 1,28 steigern.

Spreads nach wie vor attraktiv

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Spreads am Kreditmarkt auch in 2013 noch attraktiv sind. Sofern die Zinsen auf dem aktuellen Niveau verharren, kann durch ein Kreditportfolio auf Zwölf-Monatssicht eine durchaus attraktive Performance erwartet werden. Sollten sich die Zinsen auf unverändertem Niveau halten und die Kreditspreads sich aufgrund der liquiditätsgetriebenen Nachfrage sowie aufgrund der guten Bonität weiter einengen, scheint die Dotierung von dynamisch allokierten Alphastrategien dringend geboten. Doch auch für den Fall, dass die Zinsen weiter ansteigen, böten Alphastrategien den Vorteil der kurzen Zinsduration, da sie klassischerweise ein Zinsbeta auf Geldmarktniveau aufweisen.

Bei der Lösung des aktuellen Renditeproblems an den Märkten können Alphastrategien als Long-/Short-Strategien einen sinnvollen Beitrag leisten. Dies gilt umso mehr, als sich dadurch nicht nur die bestehende Renditelücke schließen, sondern sich gleichzeitig auch ein besseres Risiko-Ertrags-Profil der Gesamtanlage realisieren lässt, da die Korrelationseffekte sehr hilfreich sind und die Performancechancen unabhängig von Marktniveaus bestehen.

Olaf Tecklenburg , Hauptabteilungsleiter Asset Management Wertpapiere, Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt am Main
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