Gespräch des Tages

Börsen - Mit mehr Spielraum gegen den Stillstand

Dass "an der Börse" im Jahr 2011 für die Anleger zumindest bei Aktien nicht viel zu holen war, lässt sich leicht an den Entwicklungen der großen Indizes ablesen. Über das Gesamtjahr hinweg verlor der Dax von 6973 auf 5898 Zähler, der Euro Stoxx 50 ging von 2808 auf 2317 zurück und der MSCI World lag nach zuvor 1310 per Jahresende 2011 bei nur noch 1190 Punkten. Ganz anders verlief demgegenüber die Entwicklung bei den Marktbetreibern, denen die volatilen Märkte hierzulande gut Umsätze bescherten. So wurden im vergangenen Jahr am Kassamarkt der Deutschen Börse 1,48 Billionen Euro umgesetzt - und damit rund zwölf Prozent mehr als im Jahr 2010, damals waren es 1,32 Billionen Euro. Die junge Tochter Tradegate Exchange in Berlin hat im Jahr 2011 eine eigene Rekordmarke gesetzt: Das Gesamtvolumen in allen Wertpapieren lag bei 32,7 Milliarden Euro, das ist ein plus von 84 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 17,8 Milliarden Euro.

Im Südwesten des Landes hat die Börse Stuttgart nach Orderbuchstatistik mehr als 108 Milliarden Euro umgesetzt. Damit wuchs der Gesamthandelsumsatz gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15 Prozent. Die Börsen Hamburg und Hannover ziehen eine noch "zufriedenstellende" Bilanz für das Jahr 2011: Hier haben die Umsätze mit rund 28 Milliarden Euro immerhin das Niveau des Vorjahres erreicht. Auch der Handel mit Rohstoffen brummt. Bei der Leipziger Strombörse EEX ging das im Jahr 2011 am Strom-Terminmarkt gehandelte Volumen im Vergleich zum Vorjahr zwar von 1208 auf 1075 Terawattstunden (TWh) und damit um immerhin elf Prozent zurück. Beim Handel mit Erdgas erzielte die Gruppe jedoch eine neue Höchstmarke. Mit einem Volumen von insgesamt 58,6 TWh wurde 2011 ein deutlicher Zuwachs in Höhe von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert von 46,9 TWh erreicht. Und auch mit sogenannten Exchange Traded Notes, die unter anderem über die Deutsche Börse gehandelt werden können, wurden neue Umsatzpotenziale erschlossen.

Trotz - oder vielmehr: aufgrund - der eingetrübten und unsicheren Stimmung an den Märkten war 2011 also ein gutes Börsenjahr. Dies gilt zumindest für die Betreiber. Für die Anleger blieben allenfalls verheißungsvolle (langfristige) Einstiegskurse. Angesichts der weiterhin vorherrschenden Ambivalenz zwischen positiven Konjunkturdaten, einem guten Kaufverhalten zumindest hierzulande sowie einem (noch) zufriedenen Mittelstand einerseits und der weiterhin ungelösten Banken- und Staatsschuldenprobleme andererseits sollte auch 2012 also wieder ein Boomjahr für die Handelsplätze werden. Leider fällt die Aussicht dennoch nicht ganz so rosig aus. Sowohl die auf Fundamentaldaten basierenden Analysen wie insbesondere auch die technischen sagen derzeit nämlich hauptsächlich eine Seitwärtsbewegung voraus. Etwas vereinfachter ausgedrückt bedeutet das allerdings vor allem eines: Stillstand. Und der tut weder Anlegern noch Marktbetreibern gut.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Fusionsbemühungen der Deutschen Börse zu betrachten. Denn selbst wenn für 2012 wieder Umsatzzuwächse im gerade eben zweistelligen Prozentbereich einstellen sollten - gegenüber Zuwachsraten von 30, 40, 50 Prozent oder mehr, wie sie insbesondere im asiatischen Raum, aber auch in den BRIC-Staaten mitunter zu verzeichnen sind, stehen die "alten" Platzhirsche vergleichsweise müde da. Ein direkter Einstieg in die Märkte hat sich bislang als schwierig bis unmöglich erwiesen. Osaka fusioniert lieber mit Tokio, Hongkong kooperiert mit Shanghai und die Börsen Brasiliens, Russlands, Indiens und Chinas arbeiten eng zusammen, bis zum wechselseitigen Listing. Daher ist es in der betriebswirtschaftlichen Sichtweise der Handelsplatzbetreiber im globalen Wettbewerb naheliegend, einen starken westlichen Gegenpol zu den aufstrebenden Börsenstandorten zu bilden. Demgegenüber steht ein nicht immer gleichgerichteter Fokus der Politik. In Frankfurt und Brüssel befasst man sich naturgemäß im kleineren Rahmen mit deutschen beziehungsweise europäischen (Wettbewerbs-)Anliegen. 2012 wird im Lichte von nationalen Marktentwicklungen, internationalen Gewichtsverschiebungen und vielzähligen politischregulatorischen Interessen also in jedem Fall ein aufregendes Börsenjahr werden. Und das unabhängig davon, ob die EU-Kommission dem Zusammenschluss des Frankfurter Marktbetreibers mit Nyse Euronext letztendlich zustimmen mag oder nicht.

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