Aufsätze

Eingriffe in Rechte von Gläubigern nach deutschem und europäischem Bankenrestrukturierungsrecht

Als vor gut drei Jahren die Stabilität des weltweiten Finanzsystems in Gefahr geriet, sahen Regierungen sich vielerorts gezwungen, Banken durch staatliche Rettungsmaßnahmen vor einem Zusammenbruch und den damit verbundenen weitreichenden Folgen für die Wirtschaft zu bewahren. Um solche Krisen besser bewältigen zu können, wurde seitdem (inter-)national an Lösungsansätzen zur Schaffung von geeigneten, geordneten Verfahren zur Sanierung und Abwicklung von Banken gearbeitet mit dem Ziel, eine gerechte(re) Lastenverteilung (Burden Sharing) zwischen den Beteiligten zu gewährleisten. Sollten Refinanzierungspartner Banken daher in Zukunft noch (ohne Weiteres) Geld geben?

Deutsches Bankenrestrukturierungsrecht

Bei dem am 31. Dezember 2010 in Kraft getretenen Restrukturierungsgesetz handelt es sich um den deutschen Lösungsansatz zur möglichst geordneten Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) - Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen sind nicht betroffen.

Kernbestandteil des Gesetzes ist die Einführung neuer Restrukturierungsinstrumente außerhalb des Insolvenzrechts sowie erweiterter Eingriffsrechte der Bun-dlaeuisfat-nusntgaslt für Finanzdienst sicht (BaFin). Dazu gehören mit dem Sanierungs- und Reorganisationsverfahren eine zweistufige Verfahrenslösung und als letztes Mittel die staatlich verordnete Übertragungsanordnung.

Sanierungs- und Reorganisationsverfahren

Die kollektive Verhandlungslösung besteht aus dem Sanierungs- und dem Reorganisationsverfahren. Beide Verfahren können nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kreditinstituts eingeleitet werden und werden nach Prüfung der BaFin gerichtlich angeordnet. Auf erster Stufe steht das Sanierungsverfahren, bei dem eine Bankenkrise durch Umsetzung eines Sanierungsplans frühzeitig abgewendet werden soll. Die Einleitung setzt die Sanierungsbedürftigkeit des betroffenen Instituts voraus. Direkte Eingriffe in Gläubigerrechte sind nicht vorgesehen, jedoch kann eine im Verfahren gewährte Sanierungsfinanzierung einen insolvenzrechtlichen Vorrang erfahren, die Refinanzierungspartner beeinträchtigen kann.

Auf zweiter Stufe folgt das Reorganisationsverfahren, welches weitgehend dem Insolvenzplanverfahren nachgebildet ist. Dabei soll die von einem Kreditinstitut ausgehende Systemgefährdung durch Umsetzung eines Reorganisationsplans beseitigt werden. Die Einleitung des Verfahrens erfordert das Bestehen einer Bestandsgefährdung, die zu einer Systemgefährdung führt.

Übertragungsanordnung per BaFin-Erlass

Der Reorganisationsplan kann in vielfältiger Weise Eingriffe in Gläubigerrechte vorsehen, insbesondere Forderungsstundungen und -kürzungen sowie die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital (Debt-to-Equity-Swap). Ausgenommen sind durch eine (gesetzliche oder freiwillige) Einlagensicherung abgedeckte Forderungen. Der Reorganisationsplan bedarf grundsätzlich der Zustimmung der Mehrheit der betroffenen Gläubiger (aufgeteilt in spezifische Gläubigergruppen), welche indes ersetzt werden kann. Ein Debt-to-Equity-Swap hingegen erfordert die Zustimmung sämtlicher betroffener Gläubiger.

Als ultima ratio kann die BaFin beim Vorliegen von Bestands- und Systemgefährdung eine sogenannte Übertragungsanordnung erlassen. Danach werden systemrelevante Teile der Bank auf ein privates Kreditinstitut oder eine staatliche Brückenbank übertragen; der verbleibende - nicht systemrelevante - Teil soll liquidiert werden. Sofern der Wert der übertragenen Gegenstände positiv ist, erhält die (Rest-)Bank als Gegenleistung für die Übertragung Anteile an dem Erwerber oder Geld.

Für Refinanzierungspartner einer Bank stellen sich in der Praxis vielfältige Fragen. Diese betreffen sicherlich die Auswahl der übertragenen Vermögenswerte sowie die Angemessenheit der Gegenleistung für die Übertragung, zudem aber auch die Übertragung der Vermögenswerte selber. Da der Erwerber als Gesamtrechtsnachfolger in die übertragenen Vertragsverhältnisse eintritt, erhalten die Gläubiger entweder einen neuen Schuldner oder behalten mit der (Rest-)Bank ihren bisherigen (ausgehöhlten) Schuldner.

Eine Zustimmung der Gläubiger zur Übertragung ist gleichwohl nicht erforderlich. Allerdings haften die Restbank und der Erwerber gesamtschuldnerisch für sämtliche Forderungen, jedoch beschränkt auf den Betrag, den der Gläubiger im Falle einer Insolvenz erhalten hätte. Unsicherheiten bestehen, inwieweit die deutschrechtliche Gesamtrechtsnachfolge für nicht-deutsch rechtliche Vermögenswerte Anerkennung findet. Schließlich kann für Anteilseigner und bestimmte Gläubiger des Erwerbers die Gefahr bestehen, dass die BaFin-Ausschüttungen an diese untersagt.

Europäisches Bankenrestrukturierungsrecht

In Brüssel wird derzeit an einem harmonisierten Rechtsrahmen für ein europäisches Bankenrestruktierungsrecht gearbeitet. Mögliche Eckpfeiler und Prinzipien hat die Europäische Kommission im Rahmen einer entsprechenden Konsultation vorgelegt,1) zu der sie nunmehr auch die wesentlichen Ergebnisse veröffentlicht hat.2) Um weitgehende Stabilität im Finanzsektor zu gewährleisten, soll der Adressatenkreis des europäischen Restrukturierungsrechts mit Kreditinstituten, Wertpapierunternehmen und Holding-Gesellschaften offenbar weiter gefasst werden als im deutschen Recht.

Ziel der Kommission ist es, staatliche Hilfsmaßnahmen und somit eine Lastentragung durch die Steuerzahler weitestgehend zu vermeiden. Stattdessen sollen in Krisenfällen zunächst Banken, Anteilseigner und Gläubiger haften. Dies soll durch präventive und frühzeitige Interventionsbefugnisse sowie weitreichende Eingriffsrechte in Rechte Dritter erreicht werden. Zur Finanzierung von Krisenmaßnahmen sollen sogenannte Bank Resolution Funds geschaffen werden, in die Institute entsprechend einzuzahlen hätten.

Zur Vorbeugung zukünftiger Krisen soll die Bankenaufsicht neben spezifischen Stresstests unter anderem auch die Erstellung von instituts- beziehungsweise gruppenspezifischen Notfall- und Abwicklungsplänen (Recovery and Resolution Plans) verlangen können. Zusätzlich soll die Möglichkeit geschaffen werden, innerhalb einer Unternehmensgruppe präventive gpreunpi nterne Unterstützungsmaßnahmen (zum Beispiel Darlehen, Garantien, Sicherheiten) vorzusehen (Intra-Group Financial Support).

Frühzeitige Intervention

Euphorie der Gläubiger des unterstützten Gruppenunternehmens ist gleichwohl nicht angebracht: Im Gegenzug für die Unterstützung sollen insolvenzrechtliche Schutzmechanismen zugunsten des unterstützenden Unternehmens und dessen Gläubigern eingeführt werden. Hierzu gehören ein insolvenzrechtlich vorrangiger Status für Forderungen sowie ein Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters für den Fall der Insolvenz des unterstützenden Unternehmens.

Bestehende Eingriffsrechte der Aufsicht (Early Intervention Rights) sollen wesentlich erweitert und auch direkte Eingriffe in Gläubigerpositionen erlauben, zum Beispiel die Beschränkung beziehungsweise das Verbot von Ausschüttungen, wie Dividendenzahlungen oder Zahlungen an Hybridgläubiger.

Resolution

Ein Kernbestandteil des europäischen Restrukturierungsregimes ist die staatlich verordnete geordnete Abwicklung (Resolution) von Banken.3) Nach dem Willen der Kommission sollen Banken zwar idealerweise im ordentlichen Insolvenzverfahren abgewickelt werden. Wird dieses jedoch als zu riskant für die Finanzmarktstabilität (unter anderem wegen möglicher Ansteckungseffekte) angesehen, soll eine geordnete Abwicklung durch Resolution erfolgen. Hierfür sollen die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene zuständige Resolution Authorities ernennen.

Die Voraussetzungen der Resolution sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Allerdings hat die Europäische Kommission neben insolvenz- auch aufsichtsrechtliche Anknüpfungspunkte, wie das Nichteinhalten regulatorischer Mindestkapitalanforderungen, vorgeschlagen, wobei bereits wahrscheinliche Verstöße ausreichen sollen. Mangels harter, objektiver Eingriffskriterien besteht gegenwärtig eine große Rechtsunsicherheit für Gläubiger, da die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Resolution schlecht vorherzusehen ist.

Von zentraler Bedeutung für die Auswirkungen auf Gläubiger sind die dem englischen Bankenrestrukturierungsrecht nachgebildeten Instrumente, die den Resolution Authorities zur Abwicklung an die Hand gegeben werden sollen (Resolution Tools) und zu deren Umsetzung sie umfangreiche Befugnisse (Resolution Powers) erhalten sollen.

Sale of Business Tool

Das Sale of Business Tool ermöglicht die Veräußerung von Bankanteilen oder Vermögenswerten (sowohl Aktiva als auch Passiva) ohne Zustimmung der Anteilseigner und Gläubiger oder Einhaltung andernfalls erforderlicher Verfahrensvorschriften. Die zugehörigen Befugnisse gehen über die BaFin-Befugnisse bei der deutschen Übertragungsanordnung hinaus. Gläubiger sind insbesondere betroffen, wenn neben Aktiva auch Passiva übertragen werden, da sich ihr Schuldner entweder ändert oder faktisch ausgehöhlt wird. Im Gegenzug ist daher ein Ausgleichsmechanismus vorgesehen, der die Anteilseigner beziehungsweise Gläubiger grundsätzlich in eine ähnliche/nicht schlechtere Position bringen soll, als wäre das Institut liquidiert worden.

Bridge Bank Tool

Das Bridge Bank Tool ermöglicht die (teilweise) Übertragung der "überlebenswerten" Vermögenswerte auf eine staatliche Brückenbank, wobei der Gesamtwert der übertragenen Gegenstände positiv sein muss. Das betroffene Institut wird im Nachgang gegebenenfalls abgewickelt. Das Bridge Bank Tool ähnelt konzeptionell der deutschen Übertragungsanordnung, allerdings scheint die übertragende Gesellschaft keine Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten zu erhalten. Die Gläubiger/Anteilseigner sollen mit Ausnahme eines Anspruchs auf Auskehrung des Residualwertes (nach Befriedigung der Krisenmanagementkosten) aus den von der Brückenbank erzielten Verkaufserlösen keine Rechte an der Brückenbank oder deren Vermögenswerten erhalten. Um einen zeitnahen Verkauf in die Privatwirtschaft zu garantieren, ist die Brückenbank anders als im deutschen Recht auf maximal zwei Jahre befristet. Zweifelhaft bleibt, ob zwei Jahre für den Gesamtprozess ausreichen werden.

Asset Separation Tool

Das Asset Separation Tool ermöglicht die Übertragung toxischer Vermögenswerte auf eine staatliche Zweckgesellschaft gegen eine angemessene Gegenleistung, ohne dass Gläubiger oder Anteilseigner der betroffenen Bank Rechte an der Zweckgesellschaft erhalten. Bei Inanspruchnahme des Werkzeugs ist das EU-Beihilferecht zu beachten, sodass möglicherweise Kompensationsmaßnahmen auf die betroffene Bank und deren Anteilseigner zukommen könnten. Konzeptionell ist dieses Instrument dem "SPV-Bad-Bank-Modell" des deutschen Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes ähnlich, das seit Ende 2010 nicht mehr beantragt werden kann.

Bail-in

Im Annex zum Konsultationspapier stellt die Kommission als weiteres Instrument das Debt Write Down Tool vor. Dieses soll den Resolution Authorities ermöglichen, die Bank durch Abschreibungen und Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (Bail-in) zu erhalten, wobei vor Inkrafttreten des Instruments emittiertes Fremdkapital einen Bestandsschutz erfahren soll.

Auf erster Stufe sollen die Resolution Authorities das Recht haben, Eigenkapital sowie Forderungen aller nachrangigen Gläubiger abzuschreiben (Write-down) und deren Fremdkapital ohne Zustimmung der Beteiligten in Eigenkapital zu wandeln. Soweit diese erste Stufe zur Sanierung nicht ausreicht, sollen auf einer zweiten Stufe weitere Gläubigergruppen erfasst werden. In Betracht kommen einerseits alle vollrangigen Forderungen (mit Ausnahme von zum Beispiel kurzfristigen Instrumenten, Einlagen und besicherten Forderungen (inklusive Covered Bonds)). Andererseits wäre eine Beschränkung auf bestimmte abschreibungsfähige (bail-inable) Fremdkapitalinstrumente möglich, von denen jedes Institut eine Mindestmenge vorhalten müsste.

Eine vergleichbares Instrument der BaFin sieht das deutsche Restrukturierungsgesetz nicht vor. Aus Gläubigersicht wird zukünftig zu prüfen sein, welche Fremdkapitalinstrumente vermutlich nicht Gegenstand eines Bail-ins sein können, sei es aufgrund des Bestandsschutzes oder aufgrund einer Ausnahme. Zudem werden sich zahlreiche Abgrenzungsfragen stellen, beispielsweise, ob Emissionen auf Basis von Anleiheprogrammen als kurzfristige Instrumente gelten.

Gläubigerschutz

Kernbestandteil des vorgesehenen Gläubigerschutzes ist ein Kompensationsmechanismus, der folgende Eckpfeiler berücksichtigen soll: Der Kompensationsbetrag soll auf Basis definierter Prinzipien durch einen unabhängigen Bewerter (Independent Valuer) festgestellt werden; Gläubiger sollen nicht schlechter gestellt werden als im Falle einer Insolvenz; die Kompensation soll grundsätzlich aus den Verkaufserlösen der Vermögenswerte erfolgen. Ferner soll es bei gewissen Maßnahmen der Resolution Authorities, zum Beispiel bei einer teilweisen Übertragung von Vermögenswerten, besondere Schutzvorrichtungen für Gläubiger geben. Dies gilt beispielsweise für Gläubiger aus bestimmten Sicherheitenverträgen (Security Arrangements) oder sogenannte Structured Finance Arrangements, zum Beispiel Covered Bonds.

Nachteilig hingegen ist, dass Gläubigern die Ausübung bestimmter Rechte beschnitten und/oder an die Zustimmung der Resolution Authority geknüpft wird. Sie können die Gesetzmäßigkeit und Legitimität von Maßnahmen der Resolution Authorities zwar gerichtlich überprüfen lassen, ihr Rechtsschutz ist aber auf Schadensersatz begrenzt. Zudem kann das Gericht die Maßnahme nicht für unwirksam erklären oder rückgängig machen.

Unsicherheiten für die Refinanzierungspartner

Die Harmonisierung der europäischen Bankenrestrukturierungsregime ist begrüßenswert, da sich die Rechtssicherheit innerhalb der EU erhöht. Gleichwohl offenbart der EU-Vorschlag zurzeit noch Unsicherheiten für die Refinanzierungspartner einer Bank, vor allem da die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Resolution mangels objektiv nachvollziehbarer Auslöser schlecht vorhersehbar ist.

Hinzu kommt, dass die staatlichen Eingriffsrechte und Instrumente im EU-Vorschlag wesentlich weitgehender erscheinen als im deutschen Bankenrestrukturierungsrecht. Zweifellos stärkt dies die Chancen, ein Institut im Ernstfall zu sanieren, andererseits werden erhebliche Eingriffe in Gläubigerrechte ermöglicht. Die praktischen Auswirkungen des dafür vorgesehenen Kompensationsmechanismus sind bislang unklar.

Die Ausnahmeregeln des EU-Vorschlages werden möglicherweise zu "Financial Engineering" einladen. Beispielsweise scheint es nicht ausgeschlossen, dass Banken sich künftig vermehrt über Instrumente mit kurzen Laufzeiten oder Einlagen refinanzieren, da diese vermutlich von einem Debt Write Down Tool ausgenommen werden. Ebenso wäre ein Trend zu besicherten Verbindlichkeiten, zum Beispiel (strukturierten) Covered Bonds, denkbar, da diese im Rahmen des Vorschlages privilegiert werden.

Erste Klarheit zur konkreten Ausgestaltung wird der in Kürze zu erwartende Richtlinienentwurf bringen. Abzuwarten für die Frage, wie Refinanzierungspartner Banken in Zukunft noch Geld geben können, bleibt indes, welche Befugnisse sich dann tatsächlich in der endgültigen Richtlinie und der sich anschließenden Umsetzung in nationales Recht finden lassen werden.

Fußnoten

1) Technical Details of a possible EU Framework for Bank Resolution and Recovery vom 6. Januar 2011, im Weiteren die "EU Resolution Vorschläge".

2) "Overview of the results of the public consultation on technical details of a possible EU framework for bank resolution and recovery" vom 5. Mai 2011.

3) Der Begriff "Resolution" wird in den offiziellen EU-Übersetzungen nicht einheitlich übersetzt dort werden sowohl "Rettung" als auch "Sanierung" oder "Abwicklung" verwendet.

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