Gespräch des Tages

Nord-LB - Schiffskrise als akzeptierter Stresstest

Ob ein Geschäftsmodell tragfähig ist, zeigt sich in aller Regel erst unter Belastungen. Deshalb haben die Regulatoren als Reaktion auf die Finanzmarktkrise nicht nur vorsorglich die Eigenkapitalanforderungen für Banken heraufgeschraubt, um für künftige Widrigkeiten größere Risikopuffer zu schaffen. Sondern sie haben in den vergangenen Jahren mehrmals mit sogenannten Stresstests die Robustheit der Institute extremen Bedingungen unterworfen. Einer ähnlichen Belastungsprobe aus dem Markt heraus sehen viele Beobachter derzeit die Nord-LB und andere Institute ausgesetzt, diesmal allerdings nicht durch externe Worst-Case-Szenarien, sondern durch die aktuelle Entwicklung ihres Geschäftsfeldes Schiffsfinanzierung. Dass die Landesbank aus Hannover in diesem erklärten Kerngeschäftsfeld schon in den vergangenen Jahren nicht mit den allerbesten Aussichten aufwarten konnte, hatten die rückläufigen Auslastungsgrade der weltweit verfügbaren Frachtflotte schon erwarten lassen. Doch spätestens mit dem angekündigten Rückzug der Commerzbank aus der Schiffsfinanzierung Mitte 2012 und der Übertragung der zugehörigen Assets in das Abbauportfolio der Bank, steht dieser Bereich auch bei den verbliebenen Anbietern unter verschärfter Beobachtung. Mit der Bekanntgabe der Q3-Zahlen 2012 der Nord-LB und einer gegenüber dem Vorjahr um 252 Millionen Euro auf 304 Millionen Euro gestiegenen Risikovorsorge im Segment Schiffs- und Flugzeugkunden wird der Blick noch einmal verstärkt auf diese Gefahrenquelle gelenkt. Das weiß auch die Bank selbst und geht gleichwohl offensiv mit der aktuellen Marktlage um. So wertet der Vorstand durchaus nüchtern die globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die übergeordneten Segmente der Schifffahrt (Container, Bulker, Tanker) als kurzfristig weiter kritisch. Allenfalls in Nischenmärkten wie Kreuzfahrt und Offshore wird von einer stabilen Entwicklung ausgegangen. Ansonsten wird im Zwischenbericht Q3-2012 ein nicht ausgeglichenes Angebots-Nachfrage-Verhältnis registriert und angesichts der bekannten Orderbücher auch im Jahr 2013 noch von weiterer neuer Tonnage im Markt ausgegangen - im Containergeschäft beispielsweise einem Anstieg der Kapazitäten um zirka 10 Prozent bei einem Umschlagswachstum von lediglich 6 Prozent. Dementsprechend gering ist die Erwartungshaltung für die Entwicklung der Frachtraten. Und dementsprechend realistisch bereitet der Vorstand bei allen Belastungen aus der derzeitigen Marktlage im Schiffsfinanzierungssektor sogar noch auf zwei weitere schwierige Schiffsjahre 2013 und 2014 vor. Gleichwohl vertraut die Bank auf die Robustheit des von der EU-Kommission geprüften und quasi zertifizierten Geschäftsmodells. Sie verweist mit Blick auf die Schiffsfinanzierungen nicht nur auf die Sicherheiten in Form der Objekte, sondern auch auf ein beherrschbares Volumen von rund 20 Prozent der gesamten risikogewichteten Aktiva. Die anderen zentralen Geschäftsfelder wie beispielsweise die Flugzeugfinanzierungen im gleichen Segment, das Firmengeschäft einschließlich Agrarfinanzierung sowie die Aktivitäten im Bereich Erneuerbare Energien haben in den ersten neun Monaten 2012 einen Ausgleich gebracht und das Ergebnis vor Steuern immerhin noch bei 209 (385) Millionen Euro gehalten. Bei allem Respekt vor der hartnäckigen Schifffahrtskrise, die bis zur Erstellung des Jahresabschlusses im Frühjahr 2013 noch substanzielle RWA-Berichtigungen verlangen dürfte, hat sich Gunter Dunkel im Gesamtjahr 2012 für sein Haus klar auf ein positives Ergebnis festgelegt. Aber das ist natürlich weit weg von der zuweilen mittelfristig angepeilten 1 Milliarde Euro vor Steuern. Der Vorstandsvorsitzende bekennt sich gleichwohl eindeutig zum Segment der Schiffsfinanzierung und akzeptiert dessen momentane Krise als Belastungsprobe für das Geschäftsmodell seines Hauses. Als erste Vertrauensbeweise am Markt darf er dabei zu Recht die erfolgreiche Platzierung des ersten hauseigenen öffentlichen US-Dollar-Pfandbriefs mit einem Volumen von 1 Milliarde US-Dollar im Oktober 2012 und zuvor schon die Begebung des ersten Flugzeugpfandbriefes ins Feld führen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X