Sonderbeilage der Deutschen Bundesbank in ZfgK 22-2009 vom 15. November 2009

TARGET2-Securities - eine Vision wird Realität

Jean-Michel Godeffroy, Vorsitzender des T2S Programme Board, Europäische Zentralbank

Vor etwa drei Jahren war das Eurosystem mit zwei Schwierigkeiten konfrontiert: Zum einen war es besorgt, da es dem Markt auch Jahre nach der Einführung des Euro noch nicht gelungen war, die Effizienzlücke zwischen der Wertpapierabwicklung im nationalen Kontext und der nach wie vor sehr teuren grenzüberschreitenden Wertpapierabwicklung in Euro zu schließen. Zum anderen hatte das Eurosystem Bedenken, Zentralbankgeldkonten an Zentralverwahrer auszulagern, um Wertpapiertransaktionen effizient und integriert abwickeln zu können. Mit T2S wurde eine verblüffend einfache Lösung gefunden, sozusagen das Ei des Kolumbus. Nun galt es nur noch, die Märkte von dieser revolutionären Idee zu überzeugen, die für viele überraschend kam. Inzwischen genießt unser Projekt die volle Unterstützung der Märkte. Die Tatsache, dass 28 Zentralverwahrer aus 26 Ländern das T2S-Memorandum of Understanding zwischen dem Eurosystem und den Zentralverwahrern unterzeichneten, ist eindrucksvolles Zeugnis hiervon. Einer der Gründe für die positive Resonanz liegt darin, dass das Eurosystem sich von Anfang an darüber im Klaren war, dass ein komplexes Marktinfrastrukturprojekt wie T2S eine enge und transparente Zusammenarbeit mit den Märkten erfordert und dass die Lösungen auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sein müssen. Daher wurden die Marktteilnehmer während des gesamten Projekts umfassend eingebunden, und T2S ist für seine in der Branche beispiellose Transparenz bekannt.

Ich möchte im Folgenden kurz zusammenfassen, welche Vorteile T2S mit sich bringen wird. Mit T2S entsteht ein gemeinsamer, grenzüberschreitender, europaweiter Pool an Wertpapieren sowie ein zentraler, moderner Abwicklungsprozess, der neutral und europaweit standardisiert ist. Über die Zentralverwahrer wird den Marktteilnehmern ein Zugriff auf diese Wertpapiere ermöglicht, der nationalen und regionalen Besonderheiten Rechnung trägt sie jedoch nicht festschreibt - und zugleich die in mehreren Schlüsselbereichen vereinbarten Harmonisierungsmaßnahmen bereits berücksichtigt. In anderen Worten, die derzeitige Marktfragmentierung wird aufgehoben. In T2S wird, auch in Bezug auf die Preisgestaltung, nicht mehr zwischen inländischer und grenzüberschreitender Abwicklung differenziert, wodurch diese Dienstleistung einheitlich, sicherer und erheblich günstiger wird. Ziel von T2S ist es, eine DvP-Transaktion (Delivery versus Payment) - unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder grenzüberschreitende Transaktion handelt - für höchstens 15 Cent abzuwickeln und somit deutlich unter den derzeitigen Kosten zu liegen. Wir sind davon überzeugt, dass wir dieses ehrgeizige Vorhaben trotz der im Zuge der Krise geringeren Abwicklungs volumen erreichen können.

T2S verfügt auch über eine zusätzliche europäische Dimension. Es stellt einen bedeutenden Schritt hin zur Schaffung eines einheitlichen integrierten Wertpapiermarkts für Finanzdienstleistungen dar, wodurch die Lissabon-Strategie und insbesondere der Verhaltenskodex für Clearing und Settlement sowie die Harmonisierungsbemühungen im Rahmen des Giovannini-Prozesses bekräftigt werden.

Von der Vision bis zur Umsetzung ist es noch ein langer Weg, aber wir haben bereits viel erreicht. Der erste große Erfolg war die Fertigstellung der T2S-Nutzeranforderungen im Jahr 2008. Aufgrund dieses Dokuments und auf Basis der Unterstützung seitens der Marktteilnehmer gab der EZB-Rat am 17. Juli 2008 den Startschuss für das T2S-Projekt und beschloss, die bis zu seiner Vollendung benötigten Ressourcen bereitzustellen und die Deutsche Bundesbank, die Banco de España, die Banque de France sowie die Banca d'Italia mit der Entwicklung und dem Betrieb von T2S zu betrauen. Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg des Projekts war die Errichtung einer effizienten Führungs- und Verwaltungsstruktur, wobei berücksichtigt werden musste, dass der EZB-Rat das oberste Beschlussorgan für T2S ist. Um Entscheidungen rasch treffen und das projektbezogene Tagesgeschäft abwickeln zu können, bedurfte es einer effizienten internen Governance. Mit der Gründung des T2S Programme Board am 19. März 2009, der sich aus erfahrenen Experten nicht nur aus Ländern des Euroraums zusammensetzt und dessen Vorsitz ich innehabe, wurde dies geleistet. Die T2S Advisory Group wird weiterhin als ein zentrales externes Gremium für T2S fungieren. Daneben wurde ein Forum für den Austausch mit Zentralverwahrern, die CSD Contact Group, geschaffen. Dieser duale Ansatz scheint mir den Bedürfnissen von T2S am besten gerecht zu werden.

Eine aktuelle Bestandsaufnahme zeigt, dass das Projekt gut im Zeitplan liegt, auch wenn die anvisierten Fristen nach wie vor ehrgeizig sind. Das Eurosystem strebt an, mit den Zentralverwahrern Mitte 2010 eine Rahmenvereinbarung über die Entwicklungs- und die operationale Phase abzuschließen. Derzeit arbeiten wir sehr intensiv daran, die relevanten Elemente dieser Vereinbarung in Hinblick auf Governance, Preisgestaltung und technische Funktionalitäten vorzubereiten.

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