Aufsätze

Veränderte Marktstrukturen durch Target-2-Securities - Geschäftsmodell der Depotbanken unter Druck

Ab 2015 wird Target-2-Securities (T2S) als einheitliche europäische Wertpapierabwicklungs-Plattform an den Start gehen. Dann wird das Geschäftsmodell der europäischen Depotbanken unter Druck geraten - und zwar gleich von zwei Seiten. Durch die Plattform T2S wird erstmals eine Transparenz erreicht, die die bisher abgeschotteten europäischen Wertpapierabwicklungsmärkte zu einem homogenen Markt verschmelzen lässt. Damit eröffnet sich jedoch nicht nur den deutschen Anbietern der Zugang zum internationalen Markt.

Umgekehrt können auch international aufgestellte Depotbanken und Zentralverwahrer viel leichter in den lukrativen deutschen Markt einsteigen und zu Konkurrenten werden. Durch diesen verstärkten Wettbewerbsdruck überdenken sowohl die Zentralverwahrer als auch Depotbanken ihre Angebotsportfolios für Wertpapierdienstleistungen. Bereits heute gibt es Tendenzen der Zentralverwahrer (CSD), weitere, depotbanknahe Dienstleistungen anzubieten.

Transparenz durch eine einheitliche Plattform

Diese radikalen Veränderungen bringen große technische und prozessuale Herausforderungen mit sich. Wer sich nicht frühzeitig strategisch und operativ neu aufstellt, riskiert seine Marktposition. Gleichzeitig bietet dies für Geschäftsbanken neue Möglichkeiten bei der Auswahl ihrer Serviceprovider.

Target-2-Securities ist ein Projekt der Europäischen Zentralbank (EZB). Bislang hat Europa als Wertpapier-Handelsplatz im weltweiten Wettbewerb durch seine national ausgerichtete und damit fragmentierte Abwicklung von Clearing und Settlement von Wertpapiergeschäften einen Nachteil, vor allem gegenüber den USA. Ein grenzüberschreitender Wertpapierhandel ist durch viele Länderspezifika nicht nur kompliziert, sondern auch kostenintensiv.

Ziel von T2S ist es, den Nachhandel für fast alle Wertpapiere auf einer einzigen gesamteuropäischen Plattform zusammenzufassen. Die EZB wird diese einheitliche Plattform betreiben und den europäischen Zentralverwahrern anbieten, die Abwicklung an sie auszulagern. Vereinfacht ausgedrückt kann T2S auch als umfassendes IT-Outsourcing beschrieben werden. Dabei werden Zentralbankgeld- und Wertpapierseite auf Basis der bestehenden Single-Shared-Plattform (SSP) abgewickelt, auf der bereits das Zahlungssystem Target-2 betrieben wird. Das Settlement der Geschäfte erfolgt in Zentralbankgeld und mit sofortiger Finalität. Wenn T2S im Jahr 2015 live geht (siehe Abbildung 1), werden die bislang national organisierten Abwicklungssysteme auf einer einheitlichen Plattform betrieben.

Schon im Jahr 1996 wurden Gespräche über die Verbesserung des Clearing- und Abrechnungswesens in Europa geführt. Damals wurde die Giovannini-Gruppe gegründet, die zwei Berichte darüber veröffentlichte, welche die Hürden bei der grenzüberschreitenden Abrechnung bestehen und Empfehlungen für reibungslosere, kostengünstigere Abläufe abgaben. Einige dieser Hürden waren staatlicher Art, beispielsweise gesetzliche Beschränkungen in einigen EU-Mitgliedstaaten, andere dagegen basierten auf dem Privatsektor und handelten davon, Geschäftszeiten anzugleichen und Mitteilungsformate zu standardisieren. T2S kann in gewisser Weise als Reaktion auf die Giovannini-Berichte angesehen werden.

Geschäftsmodell neu bewerten

In den vergangenen Monaten haben 22 Zentralverwahrer (auch CSD, Central Securities Depository, genannt) ihre Teilnahme an der neuen Plattform zugesagt, darunter auch die deutsche Clearstream. Deren Vorstandschef nannte T2S einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Marktinfrastruktur. Da die Einführung von T2S jetzt feststehe, müssten Banken und Finanzinstitute nun festlegen, wie sie sich Zugang zu der zukünftigen paneuropäischen Abwicklungsplattform verschaffen.

Hier müssen sich die Banken also entscheiden: Wie wollen sie künftig an der T2S-Plattform teilnehmen? Grundsätzlich ist das auf zwei Wegen möglich: Sie können sich als Kunden der Zentralverwahrer entweder indirekt über diese anbinden oder sie investieren in eine direkte Anbindung an die T2S-Plattform. Dies bedeutet aber enorm hohe Projektkosten, nicht nur in eine neue IT, sondern auch in neue Prozesse. Daher stellt die direkte Anbindung eine eher theoretische Option dar.

Deutscher Markt lukrativ für globale Anbieter

Als weitere strategische Entscheidung ist dann eine Neubewertung des Geschäftsmodells nötig. Neben den international aufgestellten Depotbanken, den sogenannten Global Custodians, zu denen unter anderem BNP Paribas, J. P. Morgan, die Bank of New York, die State Street Bank oder die Société Générale zählen, sollten sich vor allem die lokalen Depotbanken (Sub-Custodians) Gedanken über ihre künftige Aufstellung machen. Sie stehen bei einem Wertpapierkauf oder -verkauf bislang zwischen der Hausbank und dem Zentralverwahrer. Je nach Art und Komplexität des Geschäfts sind bereits heute zusätzlich Global Custodians involviert. Alle diese Institute sollten ihr Serviceangebot einem kritischen Test unterziehen und überprüfen, ob angesichts der zu erwartenden erhöhten Konkurrenzsituation ihr bisheriges Dienstleistungsangebot im Nachhandel, beispielsweise Settlement, Kapitalmaßnahmen, Cash Management, Sicherheitenmanagement, Wertpapierleihen und Kundenreporting noch gut aufgestellt sein wird.

Das Depotgeschäft in Deutschland wird sich in zwei bis drei Jahren nach Einführung von T2S verändern. Denn es steht zu vermuten, dass die global aufgestellten Depotbanken ihren Blick auf den recht lukrativen deutschen Markt werfen werden. Ohne das Hindernis der länderspezifischen Kommunikation mit dem jeweiligen Zentralverwahrer ist es für sie problemlos möglich, ihre Geschäftsprozesse zu skalieren und ohne großen Aufwand in Deutschland neues Geschäft abzuwickeln.

Einseitiger Verdrängungswettbewerb

Daneben ist bereits heute festzustellen, dass die Lagerstellen wie zum Beispiel Clearstream vermehrt Dienstleistungen rund um das reine Verwahren anbieten. Auch sie greifen damit das Geschäftsmodell der Depotbanken an. Dieser Verdrängungswettbewerb bleibt einseitig, denn umgekehrt können die Depotbanken nicht ins Geschäft der Lagerstellen einsteigen (siehe Abbildung 2).

Dem haben die lokalen Depotbanken das tiefe Wissen über den heimischen Markt entgegenzusetzen. Denn ein einheitliches europäisches Steuersystem ist ja nach wie vor nicht gegeben, sodass hochgradig lokales Know-how des jeweiligen Steuersystems eines Landes von den global aufgestellten Banken nicht so einfach zu beschaffen ist. Dies ist eine Chance für Depotbanken. Insbesondere erweiterte Dienstleistungen für die Unterstützung der nationalen steuerlichen Gegebenheiten bieten hier gute Möglichkeiten, sich zu positionieren.

Investition in neue Prozesse nötig

Nach der Entscheidung für ein Geschäftsmodell muss diese strategische Entscheidung operativ umgesetzt werden. In sogenannten Transformationsprojekten werden die künftigen Prozesse modelliert und in die IT überführt. Konkret müssen neue Prozesse für das Settlement und gegebenenfalls für Zusatzdienstleistungen konzipiert und über neue Nachrichtentypen implementiert werden. Nicht zuletzt ist der ISO 20022 Standard zu berücksichtigen. Das Reporting ist ebenso neu zu konzipieren wie die gewählten Anbindungsvarianten zu den Custodians und Zentralverwahrern. Nur wer hier investiert, kann auf Dauer bestehen.

Während die Zentralverwahrer und größere Depotbanken bereits intensiv in Projekten an der künftigen Positionierung arbeiten, sehen Geschäftsbanken noch nicht die Notwendigkeit, das Thema T2S offensiv anzugehen. Top-Priorität haben vor allem die Umsetzungen der zahlreichen regulatorischen Anforderungen, die quasi alle Kapazitäten binden. Hinter T2S verbirgt sich jedoch mehr als nur eine rein technische Umstellung. Vielmehr geht es darum, den verschärften Wettbewerb und die größere Transparenz für das eigene Geschäftsmodell zu nutzen.

Vor diesem Hintergrund sollten die Marktteilnehmer möglichst zügig identifizieren, welche Geschäftspartner aufgrund der unterschiedlichen Abwicklungspreise und Serviceangebote künftig noch infrage kommen und welche operativen Auswirkungen bei der Umstellung auf T2S zu beachten sind. Denn eines ist klar: Durch die Standardisierung der Services im Nachhandel sinkt die Hemmschwelle beim Wechsel der Geschäftspartner.

Die Banken sollten ihr Bewusstsein für die Vor- und Nachteile der neuen Plattform schärfen und den Markt sowie die Standardisierungsvorhaben aktiv begleiten. Wer sich rechtzeitig positioniert, kann als "First Mover" noch stärker von den Kostenvorteilen und dem zusätzlichen Funktionsumfang durch T2S profitieren.

Weichenstellung für alle Marktteilnehmer

Mit dem zunehmenden Wettbewerbsdruck durch die ausländischen Institute ist den Depotbanken eine frühzeitige Platzierung und Weichenstellung zu empfehlen. Eine Möglichkeit, aus der verschärften Wettbewerbssituation gestärkt herauszugehen, ist es, das eigene Geschäftsfeld zu erweitern. Wer dabei erfolgreich vorgeht, ist in der Lage, sich zusätzliche Ertragsquellen zu erschließen. Von unterstützenden Settlement-Prozessen über zusätzliche Asset Services (zum Beispiel Collateral Management) bis hin zum Kundenreporting sollten die Banken alles ausloten.

Derzeit werden die Weichen gestellt: Einige Banken werden dem Druck möglicherweise nicht standhalten, andere werden von der Neuordnung des Marktes aufgrund von T2S profitieren. Geschäftsbanken wiederum sollten sich über mögliche Sourcing-Szenarien Gedanken machen und entsprechende strate gische Projekte initiieren.

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