Banken in der Krise

Günther Dahlhoff, Banken in der Krise - Niedergang mit System, Tectum Wissenschaftsverlag Marburg, 2014, 315 Seiten Text, 25 Seiten Anhang und Verzeichnisse, Paperback, 24,95 Euro; ISBN 978-3-8288-3309-8

Zur Banken-, Finanz-, Weltwirtschaftsund Staatsschuldenkrise erschienen bereits zahlreiche Publikationen. Inzwischen findet man sogar Veröffentlichungen zur Kapitalismuskrise. Dennoch enthält die Publikation interessante Aussagen, die bisherige Veröffentlichungen nicht bieten. Besonders zu würdigen ist die flüssige Ausdrucksweise. Es bereitet Spaß, die Arbeit mit einer Fülle von Details zu lesen und das Interesse wächst, sie rasch bis zum Ende zu lesen. Die Arbeit zerfällt in fünf Hauptabschnitte. Der erste Abschnitt enthält grundlegende Definitionen, beispielsweise Schattenbanken, Investmentbanking, Bankenaufsicht sowie vielfältige Formen des Investmentbanking, angefangen von Derivaten über Repos bis hin zu Leerverkäufen.

Der zweite Abschnitt geht in medias res, das heißt, er analysiert Herausbildung und Ursachen der Krisen. Im ersten Unterabschnitt werden frühere Krisen dargestellt, vom Staatsbankrott unter Philipp II. von Spanien über die holländische Tulpenkrise bis hin zur Asienkrise 1997. Vor allem Rogoff/Reinhart analysierten die Krisen der Vergangenheit. Sie stellten in ihrer Analyse "This Time is different" fest, dass es in den letzten Jahrhunderten stets Krisen gab, ob Währungskrise, Finanzkrise, Depressionen, Inflation oder Deflation. Bedauerlicherweise befassten sich die Wirtschaftstheoretiker mehr mit optimalem Wachstum als mit der Krise einer Volkswirtschaft. Auf den Seiten 96 ff. beschreibt Dahlhoff einen frühen Warner: Raghuram G. Rajan, der auf dem Notenbanker-Symposium in Jackson Hole (2005) das sich aufbauende Risikopotenzial präzise eruierte und warnte.

Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers "hielt die Analyse von Rajan für trübsinnig und fehlgeleitet" (Seite 96). Summers, ein intensiver Nutznießer des Drehtür-Effekts zwischen Wall Street und Washington (Regierung), spricht derzeit intensiv von dem Versagen der deutschen Regierung und verlangt exzessive Maßnahmen in Anlehnung an Ben Bernanke, der forderte, in einer Krise sozusagen Geld aus dem Helikopter zu werfen. Rajan sah exakt das Eigeninteresse der Bankmanager und deren Anreize sowie das Größenwachstum der Finanzindustrie als Ursachen. Horst Köhler verwendete dafür die Bezeichnung "Monster", wofür er anfangs gescholten worden ist. Auch Wissenschaftler sehen inzwischen die exzessive Größe der Banken als Gefahr. Andere Warner vernachlässigt Dahlhoff, beispielsweise die BIZ und einige Zeitungen und Zeitschriften, in denen man vor dem Ausbruch der Krise gehaltvolle Warnungen lesen konnte.

Der dritte Abschnitt befasst sich mit der Geldpolitik der US-Fed: Die Herausbildung der Blase ist ohne deren intensive Mitwirkung durch niedrige Leitzinsen und Flankierung durch politische Ziele und Gesetze (Seite 103) nicht vorstellbar. Nach dem Platzen der US-Blase konnte man verschiedene US-amerikanische Begriffe vermehrt lesen: Ninja-Kredite, Jingle-Mail. 2/28-Kredite, nequity. Hoch interessant ist die Auflistung der internen Fehlentwicklungen im Immobilienkredit der New Century Financial: Das Ziel der Geschäfts leitung war offensichtlich Wachstum um jeden Preis. Einfachste Maßnahmen in der Kreditvergabe zum Beherrschen der Kreditrisiken wurden zugunsten des Wachstums unterlassen.

Hervorzuheben ist die Intention des Verfassers, nicht nur den Entstehungsweg der Krise zu beschrieben, sondern auf mitschuldige Parteien einzugehen, vor allem auf die Bankenaufsicht ("Die Aufsicht hat im Ergebnis versagt ... Existenzzweck der Aufsicht sollte sein, die Vorboten von Krisen zu erkennen und rechtzeitig einzuschreiten ..." Seite 52). Deutlich ist der Zynismus zu erkennen, wenn der Verfasser formuliert: "Als Folge des Scheiterns in der Vergangenheit wurden Auftrag und Vollmachten erweitert, um es den Behörden zu erschweren, die nächste Krise zu verpassen" (Seite 52). Auch das Wirken der Ratingagenturen und der Wirtschaftsprüfer stuft der Verfasser äußerst kritisch ein. Das hohe Niveau der Naivität in der Bankenregulierung macht er daran fest, dass der Baseler Ausschuss die Bewertungen der Ratingagenturen durch die staatliche Bankenaufsicht vorgeschrieben hat. Der Verfasser verwirft die Bestrebungen der EU zur Reform des Ratingwesens als ungeeignet.

Humorvoll ist die Schilderung im Teil VII (Rettung der deutschen Banken): Dort formuliert er in Bezug auf die IKB "Die BaFin hatte jedoch nicht gemerkt" (Seite 170): Jede Bank klagte, dass sich das langfristige Industriekreditgeschäft nicht rechne. Jetzt sollte man sich fragen, wieso es der IKB gelang, einen hohen Gewinn in eben diesem Geschäftsbereich zu erwirtschaften - da hätte man sowohl in der Aufsicht wie auch seitens des Hauptaktionärs (KfW) und auf Wirtschaftsprüferebene misstrauisch werden müssen. Deshalb bezieht der Verfasser auch die Wirtschaftsprüfer ein in seine Untersuchung - und zwar kritisch.

Da immer neue Risikopotenziale schlagend werden, wurden in der noch nicht beendeten Bankenkrise die Rolle von Bad Banks wichtig. Interessant sind die Ausführungen zu früheren Bankensanierungen, etwa mit dem positiven Beispiel Schweden (Seite 173). Seiner Meinung ist die Rettung in Schweden ein Beispiel dafür, wie man eine Bankenrettung "richtig machen kann" (Seite 173). Kritisch geht der Verfasser auf die Allianz als Aktionär der Dresdner Bank ein: "Die Allianz hatte sechs Jahre lang als Bankeigentümer versagt" (Seite 168). Interessant ist die Aussage des Verfassers, dass Bad Banks keine "Erfindung" der vergangenen Krisen seien und auch nicht in den USA entwickelt worden seien: Bereits 1930/31 griffen Hindenburg und Brüning zu einer solchen Vorgehensweise, der "Akzept- und Garantiebank" (Seite 163).

Hervorzuheben ist die kritische Grundeinstellung beim Eruieren der Mitschuld an diesem Desaster. Die Kompetenzträger in der Politik konnten ihr intensives Mitwirken am Entstehen erfolgreich abwälzen auf die "bösen" Banken. Dahlhoff zeigt akribisch die große Schuld der US-Politik (Präsident, Kongress) auf (Seite 103): "1977 wurde unter Präsident Carter der Community Investment Act verabschiedet, der Banken dazu aufrief, bei der Immobilienkreditvergabe an einkommensschwache Bevölkerungsgruppen entgegenkommen der zu sein. 1992, also 15 Jahre später, sollten 30 Prozent der Immobilienkredite an Geringverdiener vergeben werden". Hinzu kam das Versagen der US-Bankenaufsicht (Seite 105). Auch die fahrlässige Geldpolitik der Fed war eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen der US-Immobilienblase. Offensichtlich hat man in Notenbankkreisen und im IWF nicht aus dem Platzen der japanischen Blase gelernt! Die Krise entstand durch zu hohe Verschuldung und zu niedrige Leitzinsen - gelöst wird die Krise mit noch höheren Schulden und noch niedrigeren Zinsen. Ob das gut geht? Ludwig von Mises hat bereits vor fast 100 Jahren das Ende eines derartigen Prozesses prognostiziert.

Einige Unschärfen gibt es beim Gebrauch des Begriffs Geschäftsbanken und der Bezeichung Sachsen Bank (gemeint ist die Sachsen-LB). Hervorzuheben sind die "Ergänzungen" der Ausführungen. An erster Stelle (Epilog) ist die Wiedergabe des ungehaltenen Vortrags des vor kurzem verstorbenen Ludwig Poullain zu nennen, der kritisch die Kreditvergabe aufgezeigt hat. Auch die Anhänge I-IV erleichtern das Verständnis.

Prof. Dr. Jürgen Singer, Leipzig

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