Eine europäische Einlagensicherung schützt alle besser

Jonathan Hill, Mitglied der Europäischen Kommission, zuständig für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion, Brüssel - Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur gemeinsamen europäischen Einlagensicherung von Ende November 2015 haben in Deutschland erheblichen Widerspruch hervorgerufen. Nicht nur die großen Bankenverbände, sondern auch das Bundesfinanzministerium, der Sachverständigenrat und die Deutsche Bundesbank haben Vorbehalte angemeldet. Aus dem Blickwinkel der EU-Kommission sieht der Autor die Dinge anders. Den Kritikern verspricht der zuständige EU-Kommissar ein schrittweises Vorgehen und den Einbau von Absicherungen gegen Missbrauch. Für die deutschen Banken erwartet er, dass ihre Beitragskosten durch das European Deposit Insurance Scheme (EDIS) insgesamt nicht steigen werden, da die Beiträge zum EDIS von den Beiträgen zur nationalen Einlagensicherung abgesetzt werden können. (Red.)

Wie sich während der Finanzkrise gezeigt hat, gab es in der Gesamtarchitektur unserer einheitlichen Währung Schwächen. Die EU hat darauf reagiert, zum Beispiel durch die Schaffung der Bankenunion. Heute sind wir besser vorbereitet. Wir haben nun strengere Vorschriften für Banken, einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus für die Banken im Euroraum, und einen einheitlichen Sanierungs- und Abwicklungsrahmen, damit nicht mehr die Steuerzahler Banken in Schieflage retten müssen. Unsere Maßnahmen, um Haushaltsdisziplin und wirtschaftliche Reformen zu gewährleisten, sind wirksamer. Und wir haben die nationalen Einlagensicherungssysteme zur Sicherung der Bankeinlagen ausgebaut.

Nationale Einlagensysteme: anfällig für große lokale Schocks

Diese Schritte haben die Banken im Euro-Währungsgebiet robuster gemacht und das Vertrauen der Kontoinhaber gestärkt. Die Steuerzahler sind nun besser geschützt. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Derzeit sind Bankeinlagen bis zu einer Höhe von 100 000 Euro garantiert; diese Garantien basieren jedoch auf nationalen Regelungen. Das bedeutet, dass das Vertrauen in eine Bank davon abhängen kann, wo diese Bank ihren Sitz hat - mit einer einheitlichen Währung ergibt dies keinen Sinn. Es bedeutet auch, dass die nationalen Einlagensysteme (und damit Banken) individuell für große lokale Schocks anfällig sind.

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass auch Banken, die einem Haftungsverbund angehören, wie beispielsweise die deutschen Landesbanken, durchaus nicht vor einer Schieflage gefeit sind. Einige von ihnen mussten rekapitalisiert beziehungsweise durch öffentliche Bürgschaften abgesichert werden.

Wenn wir dieses Problem lösen, können wir die Finanzstabilität stärken, die Steuerzahler aus der Pflicht zur Unterstützung der Banken entlassen und das Vertrauen in die Sicherheit von Privatkundeneinlagen weiter stärken.

Schrittweises Vorgehen geplant

Daher hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein europäisches Einlagensicherungssystem vorgelegt. Wir wollen schrittweise vorgehen und nicht alles auf einmal umsetzen. Der erste Schritt wird eine Art "Rückversicherung" sein, die Hand in Hand mit den nationalen Systemen arbeiten wird. Wir werden eine Absicherung gegen Missbrauch einbauen: Die Rückversicherung wird nur greifen, wenn nationale Einlagensicherungsmittel ausgeschöpft sind. An erster Stelle sind also die nationalen Systeme in der Pflicht. Und niemand wird Zahlungen aus dem European Deposit Insurance Scheme (EDIS) erhalten, der nicht zuvor seine Beiträge geleistet hat. Dies wird kostenneutral geschehen, das heißt, die Gesamtkosten für den Bankensektor werden nicht steigen.

Eine stärkere Vergemeinschaftung der Risiken wird nur schrittweise geschehen. Damit einhergehen müssen Maßnahmen zur Risikominderung, um von vorneherein weniger Risiken verteilen zu müssen. Seit der Krise haben wir viel zur Risikominderung unternommen. Aber wir müssen noch weiter gehen. Daher haben wir neben der Einlagensicherung auch eine Reihe konkreter Vorschläge zur Verringerung der Risiken in der Bankenunion vorgelegt, unter anderem um das Gefährdungspotenzial durch Staatsanleihen in den Bankbilanzen einzugrenzen.

Es geht also nicht darum, starke Banken zu gefährden, um schwache Banken zu stützen: Vielmehr müssen wir erkennen, dass wir besser gemeinsam handeln. Je stärker das Gesamtsystem, desto besser kann eine Bank Stress bewältigen - unabhängig von ihrem Standort. Kein nationales System könnte alleine einem großen lokalen Schock standhalten. Nur eine einheitliche Regelung für das Euro-Währungsgebiet wird stärker sein als die Summe seiner Teile.

Risikobasierter Ansatz

Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die einem institutsspezifischen Haftungsverbund angehören, können ihre Sicherungseinrichtung für Frühinterventionsmaßnahmen nutzen und dürfen deshalb die Rücklagen, die für Entschädigungen von Einlegern vorgesehen sind, geringer halten. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass durch frühe Interventionsmaßnahmen der Sicherungseinrichtung das Risiko eines Entschädigungsfalls sinken dürfte. Gehört eine Sparkasse einer Institutssicherung an, die im Rahmen des EU-Bankenaufsichtsrechts spezielle Risikomanagement-Vorgaben erfüllt, gelten für sie darüber hinaus auch geringere Eigenkapitalanforderungen.

In der zweiten Phase des EDIS, der sogenannten "Mitversicherungsphase", werden die Beiträge der Banken neu berechnet und justiert. Dieser risikobasierte Ansatz bedeutet, dass sich die Höhe der Beiträge zum EDIS danach richtet, welche Risiken ein Institut nicht nur im Vergleich zu den anderen Banken seines Landes, sondern im Vergleich zu allen anderen Banken im Euroraum eingeht. Dies sind gute Nachrichten für alle auf Sicherheit setzenden Banken in Europa, denn wir erwarten, dass sie niedrigere Beiträge zahlen, aber zusätzlichen Schutz erhalten.

Wie alle anderen Einlagen-Institute im Euroraum werden also alle deutschen Institute nicht nur in das EDIS einzahlen, sondern auch Unterstützung aus dem EDIS erhalten. Gleichzeitig werden Sparkassen und Genossenschaftsbanken ihre derzeitigen institutsspezifischen Sicherungssysteme beibehalten. Dies wird auch in der Phase der Vollversicherung noch der Fall sein. Auch ihre Beitragskosten werden durch das EDIS insgesamt nicht steigen, da die Beiträge zum EDIS von den Beiträgen zur nationalen Einlagensicherung abgesetzt werden können.

Effektives Garantiesystem als Stütze der wirtschaftlichen Erholung

Erfahrungen aus den USA zeigen, dass ein starkes und effektives Garantiesystem die wirtschaftliche Erholung stützen kann. Wir möchten, dass die Menschen in Europa wissen: Ihre Spareinlagen sind sicher; wir haben einen stabilen Finanzsektor, der nicht auf Rettungsaktionen angewiesen ist; einen Bankensektor, der im gesamten Euroraum stärker und integrierter ist; und vor allem, unsere Wirtschaft ist widerstandsfähig, wächst und schafft Arbeitsplätze. Unsere Vorschläge werden uns helfen, die genannten Ziele zu erreichen.

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