Marktforschung

Kundenerlebnisse neu gewichten: Der menschliche Faktor entscheidet

Gleichgültig, welchen Vertriebskanal Banken und Sparkassen ihren Kunden anbieten und unabhängig davon, welchen diese tatsächlich präferieren, die Kunden haben drei Möglichkeiten an Eindrücken, Erfahrungen und auch Erlebnissen vor sich:

Es ist wie immer - also gemäß ihren Erwartungen (gleichgültig, welche das sind).

Es ist nicht so abweichend, dass es einer besonderen Erwähnung wert ist.

Es hat sich etwas ereignet, an das sich der Kunde auch noch einige Zeit später stark erinnert - im positiven wie im negativen Sinne.

Bei den beiden ersten Situationen handelt es um Bestätigungen bestehender Eindrücke. Bei der dritten Situation handelt es sich in der Regel um ein Erlebnis, das die bisherigen Eindrücke zu überschreiben vermag. Dann handelt es sich um Situationen, in denen das im Mitarbeiter- oder Technikkontakt Erlebte so gravierend war, dass es nicht nur auf der rein rationalen Ebene zu einem positiven oder negativen Urteil reicht, sondern auf der emotionalen das bisher Erfahrene beziehungsweise Gewohnte einfach auslöscht, den bisher positiven Eindruck ruiniert oder einen lauen oder verhalten negativen Eindruck positiv überschreibt.

Solche "Make-or-Break"-Situationen ereignen sich öfter, sie werden in Kundenzufriedenheitsbefragungen aber nicht ermittelt. Denn bei gewöhnlichen Regressionen, die den Einfluss einzelner Aspekte auf die Gesamtzufriedenheit berechnen sollen, werden skaliert abgefragte Urteile gegeneinander ge- und verrechnet. Das dadurch gebildete Modell sieht vor, dass positive Erlebnisse durch negative einfach ausgeglichen werden können - und umgekehrt. Bei dem von Maritz Research entwickelten Make-or- Break-Modell, das nicht kompensatorische Faktoren mit einschließt (mit Hilfe einer Non Compensatory True Driver Analysis - NC TDA), lassen sich unterschiedliche Intensitäten der Einflüsse auf die Gesamtzufriedenheit berechnen. So wird deutlich, welche der positiven Erlebnisse andere weniger positive überdecken können - und welche negativ bewerteten Erlebnisse tatsächlich so gravierend waren, dass sie die bisherigen positiven ruinieren.

Um solche Make-or-Break-Situationen besser zu verstehen, empfiehlt es sich, im Interview durch besondere offene Nachfragen (mit Maritz Research Smart Probe) deutlich mehr Details zu generieren - für Marketingund Vertriebsmanager wertvolle Hinweise, welche Ereignisse für ihre Kunden so relevant waren, dass die dargebotene Erfüllung der Kundenerwartung zu Umschwüngen in der Bewertung der Bank oder Sparkasse geführt haben. Um aber ihre Wirkung zu quantifizieren, ist eine standardisierte Abfrage relevanter Aspekte aus allen Kundenkontaktpunkten notwendig.

Freundlichkeit hinterlässt nachhaltigen Eindruck

Im Sommer 2011 hatte Maritz Research in einer Befragung von zirka 2 000 Kunden der Banken und Sparkassen in Deutschland die Kunden nach ihrer Zufriedenheit mit ausgewählten Leistungsmerkmalen im Kontakt zu Mitarbeitern oder Technik gefragt - verbunden mit der Nachfrage, ob und welche der einzelnen Aspekte ungeachtet ihrer Bewertung einen positiven Eindruck beziehungsweise einen negativen Eindruck hinterlassen haben. Anschließend wurden die Ergebnisse einer NC TDA unterzogen.1) Hier werden ausgewählte Ergebnisse zu den drei Vertriebskanälen für die Kunden der Banken und Sparkassen in Deutschland vorgestellt.

Die Analyse zeigt, dass zur Zufriedenheit der Kunden erbrachte Aspekte auch noch nach Wochen als deutlich positiv erinnert werden können - obwohl es sich eigentlich bei der Freundlichkeit der Mitarbeiter, der akkuraten Beantwortung der vorgebrachten Fragen und der Geschwindigkeit, mit der das Anliegen bearbeitet worden war, um Selbstverständlichkeiten und damit um Hygienefaktoren handelt, deren Erbringung zu den conditiones sine qua non im Kundenkontakt zählt. In anderen Worten beschrieben: Manche (nicht alle) mit hoher Zufriedenheit bewerteten Vorgänge bleiben so nachhaltig positiv in Erinnerung, dass sie durchaus als Verstärker zur Kundenbindung genutzt werden können, was hoffentlich nicht daran liegt, dass Kunden bei diesen drei Verhaltensweisen möglicherweise geringere Erwartungshaltungen haben und Kunden in hohem Maße mit diesen Selbstverständlichkeiten überrascht und begeistert werden können.2) Nichtsdestotrotz und ein Signal an alle Personalverantwortlichen: Diese Aspekte eignen sich sehr gut, um Kunden positive Erlebnisse zu verschaffen - zumindest solange, wie sich Banken und Sparkassen in diesen Punkten noch voneinander und von anderen Dienstleistern außerhalb der Bankenwelt unterscheiden.

Proaktives Zugehen auf die Kunden weckt keine Emotionalität

Deutlich ist auch, dass es Aspekte gibt wie das proaktive Zugehen auf Kunden, deren Erfüllung einen mittleren Anteil an Zufriedenheit bewirken, die aber kein herausragend positives Erlebnis hinterlassen. Dabei erwartet ein Teil der Kunden, dass die Bankmitarbeiter auf sie zugehen (das zeigt jede Kundenbefragung), aber offensichtlich entsteht dabei keine Emotionalität, kein unerwartetes Verhalten, es gibt keine Überraschungen.

Die Ergebnisse zeigen auf statistischer Ebene, dass kaum ein Aspekt einen hohen Koeffizienten aus der linearen Regressionsanalyse erzielt, wohl aber aus dem Make or Break Part. Die Güte des Make-or-Break- Modells ist deutlich höher als die von klassischen Regressionsanalysen, das Verfahren damit deutlich besser geeignet, Zusammenhänge und Einflüsse aufzuzeigen.

Die Zufriedenheit mit den Kontakten zu den Call-Centern ist - auf hohem Niveau - die bei allen drei Kundenschnittstellen am geringsten gemessene (76 zu 79 Prozent bei der Filiale und 85 Prozent bei der Website). Call-Center werden von Kunden der Großbanken in deutlich höherem Maße genutzt als von Kunden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aber diese sind auch die am wenigsten zufriedenen Kunden.3) Auch im Telefonkontakt spielt die Freundlichkeit der Mitarbeiter eine herausragende Rolle, umso mehr, als die Stimme am Telefon die einzig menschliche Regung ist, die ein Anrufer registrieren kann. Deutlich ist auch im Telefonkontakt, dass die akkurate Beantwortung der Fragen sehr positiv belegt ist, ebenso wie die schnelle Verfügbarkeit der notwendigen Daten, sodass keine (in den Augen der Kunden vielleicht peinliche) Pausen überbrückt werden müssen. Nur ein sehr kleiner Teil der Kunden hat

herausragend negative Erlebnisse in Erinnerung. Diese wenigen allerdings sind sehr massiv, sie haben einen sehr hohen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Das ist weniger ein Problem, wenn sich diese Kunden über alle Kundengruppen verteilen - wo sie aber konzentriert vorkommen, ist schnelles Eingreifen notwendig.

Websites generieren die größte Zufriedenheit

Nicht alle Kunden gehen noch in eine Filiale. Es sind die Kunden der Sparkassen (90 Prozent) und Genossenschaftsbanken (92 Prozent), die noch häufig und deutlich häufiger als die Kunden der Großbanken (80 Prozent) in eine Geschäftsstelle gehen. Großbankkunden suchen häufiger die Websites ihrer Institute auf (83 Prozent) - für die Informationssuche wie für das Onlinebanking. Websites generieren die höchste Zufriedenheit, was nicht am Fehlen des menschlichen Kontaktes (als potenzielle Quelle von Misskommunikation) liegt, sondern an der technischen Erfüllung der hohen Anforderungen an die eingesetzte Software.

Die Nutzung von Websites zur Information oder für Onlinebanking ist wohl immer noch keine Selbstverständlichkeit, sie scheint vielen Kunden nicht alltäglich zu sein. Offensichtlich schwingt immer noch Skepsis mit, obwohl die Sicherheit der Websites außer Frage steht. Entsprechend ist die gelungene Durchführung der gewünschten Transaktion auch für fast zwei Drittel der Kunden ein positives Erlebnis. Deutlich negative Erlebnisse vermeldeten nur ein bis zwei Prozent aller Kunden. Allerdings hat die Unzufriedenheit im Falle des Umfangs der verfügbaren Kontodaten massive Auswirkungen, denn bei diesen Personen sinkt die Gesamtzufriedenheit dramatisch um fast zwei Punkte auf der Fünferskala.

Menschliche Verhaltensweisen entscheidend

Auch wenn Menschen in höherem Maße Unzufriedenheit mit einem Aspekt im Kundenkontakt äußern - für die wenigsten bleibt das der Unzufriedenheit zugrunde liegende Ereignis ein bleibend negatives. Der geringe Anteil ist, falls er sich nicht bei einzelnen Kundensegmenten ballt, sicherlich vernachlässigbar, auch wenn die Auswirkungen auf die Gesamtzufriedenheit sehr massiv sind.

Besonders haften bleibende positive Aspekte sind immer noch die menschlichen Verhaltensweisen. Sie generieren deutlich höhere Einflüsse auf die Gesamtzufriedenheit und sie werden auch von mehr Kunden wahrgenommen als die technisch fehlerfrei ablaufenden Prozesse. Einmal mehr gilt, dass der Mensch an der Schnittstelle Bank-Kunde die positive Gestaltung der Kundenbeziehung entscheidend bestimmt.

Anmerkungen:

1) Eine NC TDA wird gerechnet mit den Werten aus der Gesamtzufriedenheit, den Einzelzufriedenheiten zu Aspekten im Kundenkontakt und mit den Werten aus der Frage nach besonders negativen oder positiven Aspekten. Die Make-or-Break-Koeffizienten geben an, um wie viele Punkte der jeweilige besonders herausragende Aspekt auf die Zufriedenheit einzahlt.

2) Siehe dazu auch die Ausführungen bei Degen, R.; Keller, B.: Wie gewinnt man Fans? in: Sparkassenmarkt 4, 2011 und Keller, B.: Mehr Begeisterung, bitte, in: Finanz Informatik IT-Magazin 2, 2011.

3) Zu den Analysen für Kunden der Großbanken siehe Keller, B., Skeide, O.: Filiale, Web, Callcenter - wie zufrieden ist der Kunde, in: Die Bank H. 4, 2012: 46-50; zu den Analysen für Kunden der Sparkassen, siehe Keller, B., Skeide, O.: Marktforschung für mehr Qualität, in: Sparkassenmarkt, H.2, 2012: 22-23.

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