Im Gespräch

"Der Markt ist heute ein komplett anderer als vor einigen Jahren"

1971 sind Eicke Marschollek und Manfred Lautenschläger angetreten, um den Finanzvertrieb für Akademiker zu revolutionieren. Wie sehen Sie das Unternehmen MLP heute positioniert?

In der Gründungsidee von MLP sind zwei Dinge verankert, die der Markt bis dahin nicht kannte: eine unabhängige Beratung des Kunden und die Konzentration auf Akademiker. Beides ist heute noch fester Bestandteil unseres Geschäftsmodells und unterscheidet uns von anderen. Aber MLP ist weit mehr: Vor allem in den letzten fünf Jahren haben wir uns deutlich weiterentwickelt und sind heute ein breit aufgestelltes Beratungshaus. Zusammen mit unseren Töchtern Feri und TPC decken wir das gesamte Spektrum ab - angefangen vom Rating und Research über die Betreuung von Privatkunden und von Family Offices bis hin zur Beratung von Firmen und anderen institutionellen Anlegern.

Welche Veränderungen im Finanzdienstleistungsvertrieb haben Sie in den vergangenen fünf Jahren als die grundlegendsten empfunden?

Die Veränderungsdichte war so hoch wie in mehreren Jahrzehnten zuvor nicht. Entscheidend war aber nicht ein einzelnes Gesetz, sondern deren Summe. Da sind die MiFiD, das neue Vermittlerrecht, das Versicherungsvertragsgesetz und - jüngst - die neuen Dokumentationsvorschriften in der Geldanlage auf der regulatorischen Seite. Vergessen sollten Sie aber auch die zahlreichen Veränderungen auf der Produktseite nicht, Stichworte Alterseinkünftegesetz, Abgeltungssteuer oder Gesundheitsreform. Zusammengenommen haben diese Regelungen vor allem eins zur Folge: Der Markt ist heute ein komplett anderer als vor einigen Jahren.

Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Finanzvertrieb?

Die Komplexität und der bürokratische Aufwand sind in den letzten Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Daher ist es die wichtigste Aufgabe und Herausforderung, dem Berater den Rücken freizuhalten. Ziel muss es sein, dass er sich auf seine Kernaufgabe konzentrieren kann: die Beratung und Betreuung seiner Kunden. Das gelingt durch eine gezielte Entlastung - sei es durch die Unterstützung von Experten im Hintergrund oder durch IT-Lösungen und intelligente Prozesse.

Erwarten Sie Verschiebungen in den Vertriebsstrukturen der Branche durch die zum Jahreswechsel in Kraft getretenen neuen Anlegerschutzbestimmungen?

Im Markt wird es in den nächsten Jahren deutliche Verschiebungen geben, aber sicherlich nicht durch dieses Gesetz. Es überträgt doch lediglich die Dokumentationsvorschriften aus dem Versicherungsbereich auf die Geldanlageberatung, die MLP im Übrigen schon in der Vergangenheit dokumentiert hat. Transparenz ist ein wichtiger Teil einer guten Finanzberatung - daran wird sich die Branche gewöhnen müssen. Wer meint, das Thema Dokumentation und Transparenz nur halbherzig angehen zu können, muss sich darüber im Klaren sein, dass dann der Gesetzgeber wieder aktiv wird. Wir alle sollten die neuen Regeln als Chance sehen.

Ihre großen Wettbewerber (beispielsweise AWD und OVB) hatten in den vergangenen Monaten durchaus mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Wie stark oder schwach nehmen Sie aktuell den Wettbewerb wahr?

Die genannten Unternehmen sind zwar in der gleichen Branche tätig, Wettbewerber sind sie aber deshalb nicht. MLP ist nicht nur deutlich anders aufgestellt, vor allem gibt es bei den Kunden so gut wie keine Schnittmengen. Unsere Konkurrenz sind vor allem die Banken. Hier hat der Wettbewerb in den vergangenen Jahren natürlich deutlich zugenommen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass der Marktanteil von Banken an der Altersvorsorge kontinuierlich gewachsen ist. Insgesamt befindet sich der Markt für Vorsorge und Vermögensmanage ment derzeit in einem Verdrängungswettbewerb - nicht zuletzt wegen der schwierigen Rahmenbedingungen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise. Mittel- und langfristig sehe ich dann wieder attraktive Perspektiven.

Haben Sie davon profitieren können, dass AWD durch die Übernahme durch Swiss Life die Unabhängigkeit verloren hat? Wie hat sich der medienwirksam ausgetragene Kampf von MLP um den Erhalt der Unabhängigkeit aufs Geschäft ausgewirkt? Und wie hat das Engagement von Swiss Life bei MLP das Verhältnis zu AWD beeinflusst?

Wie gesagt: Der AWD ist in einem anderen Kundensegment tätig, deshalb stellen sich einige Fragen nicht. Beim

Thema Swiss Life ging es uns nicht um Medienwirksamkeit, sondern schlicht und einfach um den Erhalt unseres Geschäftsmodells. Wir sind sehr froh, dass wir unsere Unabhängigkeit mit wichtigen Ankeraktionären sichern konnten. Und glauben Sie mir: Auch unsere Kunden wissen dieses Alleinstellungsmerkmal zu schätzen.

Wie wichtig ist für MLP der kürzliche Einstieg der Barmenia und die damit verbundene Reduzierung des Swiss-Life-Anteils an MLP unter die Zehn-Prozent-Schwelle?

Sehr wichtig. Mit diesem Schritt haben wir unser Ziel erreicht, das wir unmittelbar nach dem Einstieg der Swiss Life im Sommer 2008 ausgegeben haben. Diese Zehn-Prozent-Grenze ist für uns deshalb so markant, weil wir ab diesem Wert unsere

Kunden im Erstgespräch über die Beteilung informieren müssen. Und dass dies nicht mit unserem Leistungsversprechen vereinbar ist, liegt auf der Hand. Die Barmenia versteht unser Geschäftsmodell, und uns verbindet eine langjährige und sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit. Deshalb begrüßen wir die Beteiligung ausdrücklich.

Den Vertrieb von Swiss-Life-Produkten hatten Sie vorübergehend ausgesetzt. Wird er jetzt wieder aufgenommen?

Wir haben immer gesagt, dass die Reduzierung des Anteils auf unter zehn Prozent die Voraussetzung dafür ist. Und die ist jetzt erfüllt. Wir werden also die Produkte der Swiss Life in unseren Auswahlprozess aufnehmen. Und in diesem Prozess wählen wir dann nach einem einzigen Kriterium aus: der Qualität von Anbieter und Produkt.

Wie ist das Geschäft bei MLP 2009 gelaufen? Und was erwarten sie für 2010?

Wer sich mit dem deutschen Privatkundengeschäft beschäftigt, wird sich nicht wundern, dass die Rahmenbedingungen schwer sind und schwer bleiben. Viele Anleger sind nach wie vor zurückhaltend in kapitalmarktnahen Bereichen und bei lang laufenden Verträgen. Vielmehr setzen viele Kunden auf liquiditätsorientierte Anlagen und einen Ausbau des Risikoschutzes. Von diesem Marktumfeld kann sich kein Anbieter vollständig abkoppeln auch wenn wir im vierten Quartal eine saisonal übliche Belebung gesehen haben.

Sehen Sie MLP als maßgeblichen Treiber der Konsolidierung in der Branche? Gibt es nach Kauf und Integration des Maklers ZSH weitere Akquisitionspläne?

Wir beobachten den Markt natürlich weiterhin. Aber für eine Übernahme müssen verschiedene Parameter passen. Dazu gehören unter anderem das Geschäftsmodell, die Unternehmenskultur und der Kaufpreis.

Ihr Engagement im Ausland haben Sie beendet. Wann werden die Transaktion in Österreich beziehungsweise Schließung in den Niederlanden endgültig abgeschlossen sein, und welche Lehren können Sie für die Zukunft aus diesen wenig erfolgreichen Unternehmungen im Ausland ziehen?

Unter beide Projekte werden wir kurzfristig einen Schlussstrich ziehen. Insgesamt haben wir bei unseren Auslandsaktivitäten die Erfahrung gemacht, dass es sehr schwierig ist, ein in Deutschland sehr erfolgreiches Geschäftsmodell zu exportieren und dass sich nur sehr bedingt Synergien heben lassen. Mit dieser Erfahrung ist MLP aber nicht alleine - es gibt zahlreiche Beispiele, wie schwer sich deutsche Banken auf ausländischen Privatkundenmärkten tun und umgekehrt.

MLP hat in den ersten drei Quartalen 2009 rund 24 000 neue Kunden gewonnen. Akquirieren Sie nach wie vor direkt an den Universitäten? Welches ist hier das Einsteigerprodukt? Wie lange muss ein Student/Absolvent bei Ihnen Kunde bleiben, damit Sie an der Kundenbeziehung Geld verdienen?

Ja, im Privatkundenbereich ist die Neukundengewinnung über die Universität nach wie vor ein Hauptweg. Verstärkt hinzugekommen sind in den vergangenen Jahren Empfehlungen aus dem eigenen Kundenstamm. Ein klassisches Einsteigerprodukt gibt es bei uns nicht. Absolventen haben einen enorm hohen Bedarf - angefangen von der Absicherung existenzieller Risiken über die Altersvorsorge bis hin zum Gehaltskonto. MLP bietet das gesamte Spektrum, aus dem der Kunde gemeinsam mit seinem Berater nach seinen persönlichen Präferenzen auswählt. Uns geht es darum, in frühen Jahren den Grundstein für eine langfristige Kundenbindung zu legen.

Sie haben mit einem Wert von 7,3 eine der höchsten Cross-Selling-Quoten im deutschen Markt. Was machen MLP-Berater anders als der Wettbewerb?

Zunächst betreuen wir eine Zielgruppe mit überdurchschnittlichem Einkommen und hohem Vorsorgebedarf. Hinzu kommt, dass unsere Berater ihre Kunden wirklich langfristig und ganzheitlich betreuen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die hohe Beratungsqualität, die wir unter anderem mit unserer umfangreichen Aus- und Weiterbildung sicherstellen.

Welche Rolle spielt das Netz von 250 Geschäftsstellen für Ihr Haus?

Mit unserem Geschäftsstellennetz stellen wir sicher, dass MLP an allen relevanten Standorten in Deutschland vertreten ist. Dabei sind die einzelnen Geschäftsstellen auf einzelne Kundengruppen spezialisiert, beispielsweise auf Berufseinsteiger im Bereich Wirtschaftswissenschaften oder auf Mediziner.

Welche Rolle spielt für MLP die eigene Vollbanklizenz? Die Vollbanklizenz gibt uns zum einen die Möglichkeit, unseren Kunden ein attraktives Liquiditätsmanagement anzubieten - vom Konto über das Tagesgeld bis hin zur Kreditkarte. Zum anderen können wir über Investmentfonds hinaus die gesamte Bandbreite der Geldanlagen anbieten. Beides sind elementare Bestandteile einer ganzheitlichen Beratung.

Wenn Sie einen Tipp geben sollten: Welche Produkttrends darf ein Finanzberater 2010 nicht verpassen?

Ich erwarte in der nächsten Zeit weiterhin seitwärts laufende Kapitalmärkte. In diesem Umfeld werden Konzepte weiter an Bedeutung gewinnen, die sich strikt an der Risikotragfähigkeit des Kunden orientieren. Sie begrenzen die Verluste nach unten, bringen aber gerade in Aufschwungphasen interessante Renditepotenziale mit sich.

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