Zweigstelle als Treffpunkt

Zusatzdienste in Filialen - bislang nur Weniges akzeptiert

In Zeiten, in denen sich die Banken intensiver um das Vertrauen ihrer Kunden bemühen, wird der persönlichen Kundenkommunikation in den Filialen eine hohe Bedeutung zugemessen. Doch können die Filialen diesen Anspruch in einer zunehmend digitalisierten Welt heute überhaupt noch erfüllen? Im Rahmen der Trendstudienreihe "Bank & Zukunft" von Fraunhofer IAO wurde ermittelt, dass der zunehmende Wettbewerbsdruck nicht allein mit Maßnahmen der Kostenoptimierung zu beherrschen ist. Erforderlich ist auch eine Stärkung der Ertragskraft, die wiederum eine schlagkräftige Vertriebsstruktur im Markt erfordert. Im Vertrieb setzen 96 Prozent der Banken in Deutschland auf die Intensivierung bestehender Kundenbeziehungen, so das Ergebnis der Trendstudie 2009 (siehe Abbildung 1). Begleitet wird dies durch verbesserte Vertriebssteuerungsinstrumente sowie strukturelle Anpassungen in der Vertriebsorganisation. Rund 43 Prozent der Banken wollen sich zudem um neue Kunden im Sinne einer gezielten Neukundenakquisition kümmern.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Kundenverhalten und die Erwartungen an den Verlauf der Bankinteraktion im Informationszeitalter verändert haben. Die Banken spüren dies durch steigende Anforderungen an die Beratungsqualität infolge zunehmend besser informierter Kunden. Diese nutzen die zahlreich vorhandenen Informationsangebote im Internet (zum Beispiel Wikis für allgemeine Informationen, Anbieter- und Leistungsvergleiche) und testen schon mal attraktive Angebote der Online-Anbieter ("flirtende Kunden").

Durch die steigende Markttransparenz und das zunehmende Wissen der Kunden über Finanzprodukte hat sich der Wissensvorsprung des Bankberaters gegenüber seinem Kunden insbesondere im Massengeschäft reduziert. Kommen die Kunden zu einem Beratungsgespräch in die Filiale, so erwarten sie dort neben einer fachkundigen Unterstützung und der Komplexitätsreduktion vor allem eine vertrauensförderliche Gesprächssituation. Der Filialbesuch soll dabei nicht den Charakter des Bittgangs haben, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe zum Ausdruck bringen.

Bestehende Filialen sind zukünftigen Herausforderungen nicht gewachsen

In der Trendstudie Bank & Zukunft 2009 werteten 71 Prozent der befragten Banken die Bedeutung der Filiale in der Zukunft für gleichbleibend wichtig, 17 Prozent ordneten ihr sogar wieder eine zunehmende Bedeutung zu. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, dass die heute im Markt bestehenden Filialen den zukünftigen Herausforderungen nicht gewachsen sind. Rund jede zweite Bank nennt vor diesem Hintergrund den Bedarf der Modernisierung aller Filialen in der Fläche, jede vierte Bank will durch sogenannte Leuchtturmfilialen die Markenpräsenz im Markt wieder stärken.

Banken versuchen heute mit unterschiedlichen Gestaltungsschwerpunkten, die Begegnung mit dem Kunden in der Filiale zu verbessern und somit auch die Kunden zur persönlichen Begegnung in der Filiale zu motivieren. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Filiale nur einen Weg der Kundenbegegnung einer Multikanalbank darstellt. Im Mittelpunkt des Innovationsprozesses muss stets die Kommunikation von Bank und Kunde als zentrales Element des Erlebens der Bank aus Sicht des Kunden stehen.

Gewöhnung an Selbstbedienung hat funktioniert

Allen Unkenrufen zum Trotz, die Menschen gehen immer noch sehr oft in eine Filiale. Drei Viertel der Befragten aus der TNS-Filialstudie sind innerhalb von einer Woche, 87 Prozent innerhalb der letzten zwei Wochen in einer Filiale gewesen. Fakt ist allerdings, dass die Prozesse, mit denen die Banken ihre Kunden an Selbstbedienung und Internet gewöhnt haben, nun auch wirken: Die Kunden nutzen hochgradig die Automaten. Zuweilen stehen diese aufgereiht wie Wächter in den Eingangshallen der Banken. Sie scheinen deutlich zu signalisieren: "Kunde, was willst du im Inneren? Die Mitarbeiter von wichtigen Erledigungen abhalten? Bleib hier! "

Zu Stoßzeiten wird der Eindruck noch verstärkt, dann nämlich, wenn an den Automaten Schlangen von Menschen stehen. Dann wird der Gang ins Innere der Filiale zum Hürdenlauf, quer durch die Riegel von Menschen, die im Rückstau der seitlich stehenden Automaten quer durch den Raum den Verkehr in die Filiale hinein blockieren. Trotzdem schafft es noch eine Reihe von Menschen, ihre Anliegen am Schalter zu erledigen (siehe Abbildung 2). Mehr als zehn Prozent sind das nicht, aber sie betreten die Filiale noch - ebenso wie die acht Prozent, die ein Produkt abschließen oder ein Beratungsgespräch führen.

Acht Prozent klingt sehr wenig, aber acht Prozent von 64,8 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 80 Jahren sind immerhin 5,2 Millionen Kunden, von denen 87 Prozent in den letzten zwei Wochen in einer Filiale waren. 4,5 Millionen Kunden innerhalb von zehn Arbeitstagen, das sind fast 450 000 Kunden pro Tag. Bezogen auf die Ende 2007 noch knapp 40 000 vorhandenen Geschäftsstellen bedeutet das grob gerechnet im Durchschnitt 11,25 qualifizierte Kontakte pro Tag!

Die Ehrfurcht ist geschwunden

Die Kundenurteile über ihren Aufenthalt in der Filiale zeigen, dass sich die Filialen in den letzten Jahren verändert haben. Wer hat noch die dunklen Wände mit den schweren Vorhängen und Sitzgelegenheiten, dunkle Möbel oder Schalterverkleidungen in Erinnerung, die auf Brusthöhe hochgezogen dem Kunden deutlich signalisieren, dass sein Bewegungsradius spätestens hier endet? Nun bestätigen die Kunden fast einstimmig, dass die Filialen gut erreichbar, übersichtlich gestaltet und hell geworden sind.

Bei der Innenarchitektur ist es nicht geblieben, heute geht es in den Filialen lebhafter zu, sie verlieren ihren klassischen Ausdruck, sie werden "gewöhnlich", weil man ihr Aussehen gewohnt ist - weil der Besuch einer Filiale inzwischen zum normalen Geschäftsakt geworden ist. Da bleibt es nicht aus, dass die Ausstrahlung einer Filiale auch nicht in allen Fällen als hochwertig empfunden wird. Die Ehrfurcht ist geschwunden und wenn "Banking" gewöhnlich geworden ist, dann muss nicht jede Bank eine hochherrschaftliche Ausstrahlung pflegen - zuweilen werden Hemmungen auf Kundenseite umso schneller abgelegt, je gewöhnlicher die Bank daher kommt. Das kann bei anderen Kunden auch zu einem "billigen" Eindruck führen - was bei 13 Prozent der Fall ist. (siehe Abbildung 3). Fraglich ist, ob "billig" von der Bank oder Sparkasse gewollt ist oder nicht.

Finanzdienstleister nutzen "Kundenfrequenzverstärker"

Ernstzunehmende Anteile an Urteilen wie "lebhaft, billig, nicht klassisch" zeigen bei aller Symbolhaftigkeit auch, dass Veränderungen innerhalb der Filialen wahrgenommen und gegen Eindrücke aus früheren Zeiten oder gegen Erfahrungen aus anderen Branchen abgeglichen werden. Dazu kommt, dass wie in vielen anderen Ländern auch in Deutschland "Kundenfrequenzverstärker" genutzt werden. Das sind Ausstellungen genauso wie Kaffeeautomaten, Fernseher und Zeitungsecken in Ruhe- und Verweilzonen, aber auch Angebote lokaler oder kommunaler Dienstleister. Ist die Filiale nicht mehr auf dem Marktplatz präsent, dann macht es Sinn, diesen en miniature in die Filiale zu bringen. Zumal die Versinnbildlichung der Identität zwischen lokaler Bank und lokalem Geschehen die Bank auch nahe der Einstellung "eine von uns" bringt. Je stär ker die Einrichtungen mit dem täglichen Leben oder den Bedürfnissen der Kunden verbunden sind, um so intensiver werden sie auch bemerkt, genutzt und auch akzeptiert.

So zurückhaltend wie die Einführung der verschiedenen Inhalte in den Filialen vorgenommen wird, so gering werden diese Einrichtungen dann auch von den Kunden wahrgenommen und erst recht genutzt. Umgekehrt lässt sich aber sagen: sie werden genutzt, nicht abgewiesen - auch dort, wo sie (noch) nicht als einer Bank angemessen beurteilt werden.

Nach den langen Jahren der Distanzierung der Kunden, die für die Banken so erfolgreich verlaufen ist, dass sie heute mit aller Macht darum kämpfen, eben diese Kunden wieder in die Filiale, in den Aktionsraum der Mitarbeiter zu locken, müssen die Kunden erst an diese Einrichtungen gewöhnt werden. Das geht mit Informationsmaterialien lokaler Vereine, Firmen oder Initiativen, mit Ausstellungen und mit Wasser- oder Kaffeeautomaten deutlich leichter als mit Schlüsseldiensten, Reisebüros oder Beratungsangeboten (siehe Abbildung 4).

Kommerzielle Zusatzservices haben es schwer

Nachrichten aus dem eigenen persönlichlokalen Umfeld, Ausstellungen zum Füllen kurzer Wartezeiten oder gar Angebote für etwas Bequemlichkeit und Entspannung wie eine Tasse Kaffee sind unverbindlich und für die Kunden gewohnt, weil auch an anderen Orten anzutreffen. Die Kunden gehen also mit der Annahme des Nutzungsangebots keine Verpflichtung gegenüber der Bank ein. Deutlich schwieriger haben es Einrichtungen, für die die Kunden bezahlen müssen. Das bringt eine Filiale in die Nähe eines Einkaufszentrums - und das erwarten Kunden nicht unbedingt. Oder besser: Das erwarten sie heute (noch) nicht, weil sie darin nicht sozialisiert sind. Die Analyse von Nutzung und Bewertung als angemessen nach Altersgruppen zeigt, dass sich die jüngeren mit den Neuerungen sehr viel leichter tun als die älteren Kunden. Vielleicht auch deshalb, weil Filialen mehr bieten als rationale Beziehungsanlässe.

Die Erlebnisse der Kunden in der Filiale haben eine zentrale Bedeutung. Die Kunden erwarten eine zeitgemäße Filiale, in der auch Basisanforderungen wie die Sicherstellung der Diskretion oder eine klare Orientierung zu gewährleisten sind. Vor allem erwarten sie einen stimmigen Prozessablauf. Ein Universalmodell für alle Filialstandorte kann und wird es auch in Zukunft nicht geben. Dennoch lassen sich ein paar wesentliche Aspekte zusammenfassen: Die "Filiale der Zukunft" fördert innovative Wege der Kommunikation zwischen Menschen, ohne den wirtschaftlichen Aspekt aus dem Auge zu verlieren. Der Begriff der Kundennähe wird durch den Einsatz neuer Medien zwar erweitert, nicht aber grundlegend neu definiert. Es wird künftig eine stärkere Differenzierung von Filialen einer Bank geben.

Innovative Interaktionsmodelle führen zu neuen Rollendefinitionen der Mitarbeiter und erfordern eine moderne IT-Unterstützung. Das neue Erlebnis "Bank" erfordert einen Lern- und Entwicklungsprozess, an dem Management, Mitarbeiter und auch die Kunden zu beteiligen sind. Im Rahmen des Innovationsforums "Bank & Zukunft" wurden die Anforderungen an eine künftige Filiale aufgearbeitet. Hieraus wurden vier Filialszenarien abgeleitet (siehe Abbildung 5), die sich vor allem in der Gestaltung der Interaktionsprozesse unterscheiden:

"Community-Banking": Banking als Teil eines Kommunikations- und Erlebnisraums bis hin zum "After-Work-Banking" sowie als bankinitiierter Marktplatz für eine Community (Partnerintegration),

"Life-Assistance-Banking": Individuelle Betreuung als Leitthema für die Gestaltung der Kundeninteraktion (Privat- und Geschäftskunden),

"Convenience-Banking": Einfacher Zugang zu standardisierten Finanzdienstleistungen ("Finanz-Shopping") und

"High-Tech-Banking": Gestaltung der Bankfiliale als Bestandteil eines multimedialen Kommunikations- und Interaktionskonzeptes, mediale Vernetzung von Bankmitarbeiter und Kunde.

Um diese Szenarien zu visualisieren, wur de am Fraunhofer IAO ein Show Case "Bank & Zukunft" aufgebaut, der im Sinne eines Prozesslabors innovative Interaktionskonzepte bereits heute erlebbar macht. Die Informationstechnologie ist dabei wichtiger Prozessbegleiter zwischen Bankberater und Kunde, ohne diese Prozesse zu dominieren.

Die Filiale wird sich noch weiter wandeln. Sie wird noch stärker mit moderner Technik ausgestattet werden und sie wird den Lebenswelten der Kunden noch stärker entgegenkommen. Vielleicht sind in zehn Jahren die Filialen Kombinationen aus Begegnungszentren mit hoher Facharztdichte und Treffpunkten für Gesundheitsfürsorge wie Fitnesscenter und Volkshochschule und angeschlossenen Finanzzentren.

Am Ende des Einrichtungsprozesses werden die Filialen eher Lounges, Clubs oder Bistros gleichen - abgestimmt auf die Interessen der Bank und der Kunden. Wieso soll es in einem Clubsessel schwieriger sein, ein komplexes Bankprodukt zu erklären als an einem nüchterne Büroschreibtisch? Zumal sich auch die technischen Einrichtungen ändern werden, hin zu deutlich mehr Visualisierungsmöglichkeiten - Living Walls oder interaktive Demonstrationstische kommen den multimedial aufgewachsenen Kunden sehr entgegen und auch die Älteren, denen das Klein gedruckte zu schaffen macht, können sich ihre Schriftstücke beliebig vergrößern und mit anderen zusammensetzen lassen.

Aktuelle Beispiele am Markt zeigen, dass Banken zunehmend den Mut gefunden haben, mit Innovationen zu experimentieren. Hierbei gilt es, insbesondere die Mitarbeiter der Bank für die neuen Geschäftsmodelle im Vertrieb zu gewinnen. Denn sie werden durch ihr Handeln den Erfolg zukünftiger Strategien letztendlich bestimmen.

Literatur

Borcherding, J.; Keller, B.: Zielgruppe Filialkunden: eine Rarität im Markt?, in: Duttenhöfer, S.; Keller, B.; Vomhoff, S. (Hrsg.): Handbuch Zielgruppenmanagement, Frankfurt 2009.

Engstler, M.; Keller, B.: Was Bank und Kunde erwarten, in: Geldinstitute, Heft 1/2009, S. 16-18.

Spath, D.; Bauer, W.; Engstler, M. (Hrsg.):Innovationen und Konzepte für die Bank der Zukunft, Wiesbaden 2008.

Spath, D. (Hrsg.); Engstler, M. et al.: Trendstudie "Bank und Zukunft 2008", Stuttgart 2008.

Spath, D. (Hrsg.); Engstler, M. et al.: Trendstudie "Bank und Zukunft 2009", Stuttgart 2009

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