Neue Garantiemodelle bei Lebensversicherungen: Markt in Bewegung

Garantiemodelle bei der privaten Altersvorsorge aus Kundensicht (Angaben in Prozent) Quelle: Cosmos Direkt

Fast vier von fünf Deutschen setzen bei der Altersvorsorge auf eine "möglichst sichere Anlage" ihrer Ersparnisse. Eine lebenslang garantierte Rentenzahlung wünschen sich 68 Prozent der im Frühjahr 2015 Befragten - immerhin acht Prozent mehr als in der vorangegangen Umfrage aus dem Jahr 2011. Das hat das Institut für Demoskopie Allensbach bei einer bevölkerungsrepräsentativen Studie im Auftrag des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Berlin, ermittelt.

Eben diese lebenslangen Garantien werden im Niedrigzinsumfeld für die Versicherer immer schwerer zu erwirtschaften. Und weil sie deshalb nach Solvency II mit hohen Kapitalanforderungen verbunden sind, neigt die Branche mehr und mehr dazu, sich von den klassischen Garantiemodellen zu verabschieden.

Talanx verabschiedet sich von klassischen Tarifen

Als einer der ersten Anbieter am Markt hat die Allianz Leben bereits 2007 angefangen, Produkten mit neuen Garantiemodellen auf den Markt zu bringen. Ende Mai teilte das Unternehmen mit, dass mittlerweile zwei Drittel der Neubeiträge in Verträge mit neuen Garantien fließen. Neben der Tarifvariante "Perspektive", von der seit der Einführung im Jahr 2013 bereits mehr als 130 000 Verträge verkauft wurden, hat die Allianz im Juli 2015 ein neues Vorsorgekonzept unter dem Namen "Allianz Komfort Dynamik" an den Markt gebracht.

Die Zurich hat den Vertrieb von Lebensversicherungsprodukten mit den bisherigen Langzeitgarantien gänzlich eingestellt. Und bei der Ergo gibt es den Classic-Tarif nur noch auf Nachfrage beziehungsweise bei Ergo Direkt.

Am 28. Juli dieses Jahres hat sich nun der Talanx-Konzern als erster deutscher Versicherer in die Riege derjenigen Anbieter eingereiht, die sich von den lebenslangen Garantien verabschieden. Traditionelle klassische Lebensversicherungsprodukte sollen im kommenden Jahr durch "kapitaleffiziente Konzepte der modernen Klassik ersetzt werden, die den Kunden attraktive Chancen bieten." Spätestens Ende 2016 sollen die Lebensversicherer des Konzerns im Geschäft mit Privatkunden den aktiven Verkauf traditioneller klassischer Lebens- und Rentenversicherungen einstellen. Auch in der betrieblichen Altersvorsorge soll der neue Ansatz greifen.

Vermarktet werden die neuen Garantiemodelle mit der Aussicht auf die bessere Nutzung von Chancen am Kapitalmarkt und eine dadurch höhere Rendite im Niedrigzinsumfeld. Ob das unbedingt den Wünschen der Kundschaft entspricht, ist indessen fraglich.

Kunden wollen feste Garantien

Einer im September 2014 veröffentlichten Studie im Auftrag der Cosmos Direkt zufolge dürfte das eher nicht der Fall an. Hier wurden die Verbraucher unter anderem gefragt, welcher Variante einer privaten Altersvorsorge sie den Vorzug geben würden: einer festen Garantie mit niedriger Verzinsung oder einer unter Umständen höheren Rendite, jedoch ohne Garantie.

Die Priorität der Verbraucher war eindeutig: In allen Altersgruppen lag der Anteil derer, die sich für die von den Versicherern jetzt so vehement vermarkteten "Renditechancen" entschieden, spürbar unter 10 Prozent. Und es sind eben nicht nur die an die klassischen Garantiemodelle gewöhnten älteren Jahrgänge, die auf feste Garantien setzen. Sondern gerade den jungen Menschen ist es offenbar besonders wichtig, zu wissen, womit sie einmal werden rechnen dürfen.

Verbraucherschützer skeptisch

Genau an dieser Stelle haken auch die Verbraucherschützer ein, die sich schon lange an der Lebensversicherung abarbeiten. Sie bemängeln - sicher nicht ganz zu Unrecht - dass die Altersvorsorge für den Kunden noch schwerer planbar wird als bisher, wenn unklar bleibt, welche Rentenzahlung zu Beginn der Auszahlungsphase zu erwarten ist. Etliche Verbraucherschützer kommentieren die Entwicklung denn auch in dem Sinn, dass die Lebensversicherung durch die neuen Garantiemodelle als Vorsorgeprodukt noch unbrauchbarer werde, als sie es bisher schon war.

Dass die Reaktionen vonseiten der Verbraucherzentralen auf den Einstieg in den Ausstieg aus den bisherigen Produkten bislang eher zurückhaltend war, darf insofern nicht verwundern. Einem bisher schon viel kritisierten Produkt trauern die Verbraucherschützer nicht nach. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch die neuen Produktgenerationen kritisch im Auge behalten werden.

Beratungsaufwand steigt

Was bedeuten aber diese Veränderungen am Markt Lebensversicherungsprodukte für den Bankvertrieb dieser Versicherungen? Auf jeden Fall dürfte der Beratungsbedarf und -aufwand in Sachen Altersvorsorge weiter steigen. Das kommt angesichts der anhaltenden Diskussion um die Vergütung von Beratungsleistungen sicher zur Unzeit.

Doch die die neuen Tarifmodelle sind des größeren Wertpapieranteils wegen wesentlich komplexer, intransparenter und damit auch erklärungsbedürftiger als die bisherigen. Daneben werden Banken und Sparkassen werden künftig vielleicht auch genauer prüfen müssen, mit welchen Anbietern sie zusammenarbeiten wollen. Denn die neuen Produkte passen - wie die genannten Umfrageergebnisse zeigen - sicher nicht für alle Kunden gleichermaßen.

Vertriebsvereinbarungen auf den Prüfstand stellen?

Wer aber auch Kunden, die sich den neuen Produkten gegenüber nicht aufgeschlossen zeigen, etwas anbieten will, muss künftig vielleicht einen anderen Partner mit ins Boot nehmen, der klassische Tarife im Angebot hat. Die Entwicklung zu offenen Architekturen könnte dadurch befördert werden.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken wird das einstweilen sicher kein Thema sein. Schließlich hat sich die R+V noch auf der Bilanzpressekonferenz 2015 recht deutlich zu einem Fortbestand der klassischen Garantiemodelle für die sicherheitsorientierten Kunden bekannt. Bei Sparkassen beispielsweise, die mit der zum Talanx-Konzern gehörenden Neue Leben zusammenarbeiten, oder auch bei der Postbank (auch die PB Lebensversicherung AG, Hilden gehört zum Talanx-Konzern) könnte das hingegen künftig ganz anders aussehen. Hier wird - abhängig von den Prioritäten der Kunden - möglicherweise der Fortbestand der einen oder anderen Vertriebsvereinbarung demnächst gänzlich auf den Prüfstand gestellt, oder bei mehreren Partnern könnten sich die Gewichte verschieben.

Denn die Berater müssen in jedem Fall vorsichtig sein, wenn sie die höheren Renditechance der neuen Produkte anpreisen. Das Risikoprofil der Kunden ist auch hier unbedingt zu beachten. Sonst ist man ganz schnell wieder beim Thema Falschberatung. Nicht jeder Kunde wird - sollte es ganz ungünstig kommen - mit der bloßen Garantie der gezahlten Beiträge zufrieden sein.

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