Digitalisierung

Digitale Exzellenz: die richtige Strategie

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Der digitale Wandel kann in der Geschäftspraxis nur von oben nach unten angestoßen werden, meinen die Autoren. Nur dann können die nötigen Änderungen in den Verantwortungs- und Prozessstrukturen gelingen. Ein Kerntreiber dabei ist Big Data, aber auch die Flexibilisierung der IT und eine Modernisierung der Sicherheitsregeln gehören auf die Agenda. Und auf dem Weg zur "Digitalen Exzellenz" dürfen sich Banken auch neuen Kooperationen untereinander und mit neuen Wettbewerbern nicht verschließen. Red.

Für Finanzinstitute ist eine umfassende Strategie unumgänglich, um die Herausforderungen des digitalen Wandels zu bewältigen. Die Zielsetzung lautet dabei "Digitale Exzellenz". Voraussetzung ist das Beherrschen zentraler Disziplinen, von der Auswertung polystrukturierter Daten aus unterschiedlichen Quellen bis hin zu flexiblen und automatisierten Prozessen. Best Practices aus dem Bankensektor bieten dabei eine gute Orientierungshilfe.

Der Ansatz der Digitalen Exzellenz ist eine Zielvorgabe zur Bewältigung des digitalen Wandels und keine Wegbeschreibung. Er basiert auf aktuellen Anforderungen und konkreten Praxisbeispielen, welche die Management- und IT-Beratung Sopra Steria Consulting gemeinsam mit der Universität Hamburg analysiert hat. Dabei hat sich für den Finanzsektor herauskristallisiert, dass für die aktuellen Fragestellungen insbesondere bankinterne Themen zu berücksichtigen sind, wenn es um die künftige Vernetzung mit Kunden und Partnern geht.

Den digitalen Wandel anstoßen

Der digitale Wandel betrifft aktuell alle Lebensbereiche. So fordern auch immer mehr Mitarbeiter in Banken moderne und mobile Arbeitsprozesse, die sie von anderen Instituten oder aus ihrem Privatleben kennen. Doch eine echte Transformation kann in der Geschäftspraxis nur von oben nach unten angestoßen werden. Entsprechend muss die Unternehmensführung die richtigen Weichen stellen und durch eine Transformation der Organisation, aber auch der Kultur über alle Ebenen hinweg ein digitales Zielbild entwickeln und vorgeben. Dies kann zum Beispiel ein Chief Digital Officer (CDO) unterstützen, der alle Initiativen koordiniert und über sämtliche Ebenen hinweg vorantreibt.

Nur wenn auch der CEO die Themen Digitalisierung und Innovationsfähigkeit auf seine Agenda schreibt, diese im Alltag vom Management mitgedacht sowie durch Änderungen in den Verantwortungs- und Prozessstrukturen umgesetzt werden, sind nachhaltige Veränderungen möglich. Dabei müssen die Mitarbeiter von Beginn an in die Konzeption und Ausgestaltung eingebunden werden, damit sie die Strukturveränderungen akzeptieren und mittragen. Erst durch die Kombination von vorgegebenen Richtlinien und die Bereitschaft der Mitarbeiter, diese zur Bewältigung der neuen Herausforderungen auch umzusetzen, ist die digitale Transformation eines Finanzinstituts möglich.

Die Mitarbeiter befähigen

Viele Mitarbeiter verfügen zwar bereits über Erfahrungen mit digitalen Technologien, doch bestehen in aller Regel unterschiedliche Reifegrade im Umgang mit diesen. Daher sollten Banken ihre Mitarbeiter durch Trainings und Weiterbildungen für die Digitalisierung qualifizieren.

Neben dem reinen Fachwissen spielen dabei auch die Fähigkeiten zum schnellen Informationsaustausch, innovative und flexible Denkweisen sowie die Verantwortung beim Schutz der Systeme vor Sicherheitsgefahren eine wichtige Rolle. Moderne digitale Plattformen für die Zusammenarbeit schaffen dabei Freiräume für die Entwicklung von Ideen, aber auch für das spielerische Vermitteln von Kompetenzen.

Kernprozesse automatisieren

Die Digitalisierung eines Finanzinstituts benötigt jedoch nicht nur entsprechend qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, sondern auch weitgehend automatisierte Kernprozesse, die von der IT optimal unterstützt werden. Führende Unternehmen beweisen, dass dies bereits heute zu einem hohen Grad möglich ist. Viele Banken diskutieren dagegen zwar schon seit längerem die Automation, haben sie aber immer noch nur ansatzweise umgesetzt. Bei einfachen Prozessen ist dies meist schon gelungen, bei komplexeren nicht. Dies liegt vor allem an den befürchteten Kosten, aber auch an mangelndem Wissen über geeignete, neue Technologien, unklaren Arbeitsprozessen und kulturellen Widerständen.

Aktuell zeichnet sich eine Entwicklung in Richtung Digitalisierung deutlich ab, da viele Banken aufgrund drastisch sinkender Margen und hohen Wettbewerbsdrucks durch neue Marktteilnehmer wie Fintechs enormen Handlungsdruck zur Effizienzsteigerung haben. Zudem erwarten immer mehr Mitarbeiter und Kunden die Möglichkeit zur Nutzung mobiler Geräte wie Smartphones oder Tablets. Dazu sind ebenfalls automatische Prozesse nötig sowie eine schnelle Schnittstelle zu den Banksystemen. Eine der größten Herausforderungen dabei ist es, mit der technologischen Entwicklung, ob bei Hardware, Software oder den Vernetzungssystemen, Schritt zu halten.

Verschiedene Datenquellen auswerten

Dies gilt auch für die explodierenden Datenmengen. Aufgrund des ständig steigenden Volumens und der zunehmenden Anzahl verschiedener Quellen wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten und sie in kurzer Zeit auszuwerten. Da aber gerade dies eine Voraussetzung für viele Kernprozesse ist, wie Kreditvergabe, Zinsberechnung oder Angebotskalkulation, ist Big Data insbesondere im Bankensektor ein Kerntreiber für die Di gitalisierung.

Banken verfügen heute schon über viele Daten - ob aus eigenen Quellen oder aus sozialen Netzwerken oder E-Commerce -, werten sie aber nicht optimal aus. Mit diesen Informationen lassen sich automatische regelbasierte Systeme entwickeln, die die Bedürfnisse der Bankkunden granular darstellen. Eine Reaktion auf neue und zukünftige Kundenanforderungen wäre in Echtzeit möglich. Das größte Hindernis ist hier, dass die dafür nötigen High-Performance-Technologien entweder noch nicht oder nur zu einem hohen Preis zur Verfügung stehen. Zudem liegen die meisten Daten in unstrukturierter Form vor, wodurch deren Sammlung und Auswertung deutlich erschwert wird.

Eine weitere Hürde bildet der richtige Umgang mit den Informationen. So müssen Analysten heute nicht nur Daten aus der Vergangenheit auswerten, sondern daraus Prognosen für künftige Entwicklungen und Trends ableiten. Dazu stehen entsprechende Business Intelligence (BI)-Anwendungen bereit. Für die vorausschauende Analyse ist jedoch der ständig fließende Datenverkehr in Echtzeit zu erfassen sowie mit den richtigen Fragestellungen auszuwerten.

Die IT flexibilisieren

Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse können Banken dann sofort auf veränderte Marktanforderungen reagieren. Doch dazu ist eine flexible und agile IT-Infrastruktur nötig. Häufig kommen aber weiterhin veraltete Host-Plattformen und starre Eigenentwicklungen zum Einsatz, die sich nur mit großem Aufwand verändern und anpassen lassen. Entsprechend ist ein Austausch der IT-Systeme nötig, um neue Geschäftsprozesse zu ermöglichen. Um den Umstieg zu erleichtern, sollten sie im ersten Schritt ihre Systeme standardisieren. Dann sind bereits schnell Effizienzsteigerungen und entsprechende Kosteneinsparungen möglich. Collaboration Tools lassen sich anschließend meist mit wenig Aufwand installieren und bieten zwei wesentliche Vorteile: Erstens lassen sich damit vor allem junge Fachkräfte binden, die moderne Kommunikationskanäle auch am Arbeitsplatz erwarten. Zweitens können damit auf einfache Weise abteilungsübergreifend Informationen ausgetauscht werden, um wissensintensive Prozesse für jeden Einzelfall effizient durchzuführen. Im dritten Schritt können dann Cloud-Technologien die Skalierbarkeit, Flexibilität und Agilität der IT-Prozesse weiter erhöhen.

Sicherheitsregeln modernisieren

Gerade bei Cloud-Angeboten werden weiterhin fast automatisch Sicherheitsbedenken laut. Banken müssen natürlich für optimalen Datenschutz sowie für eine weitgehende Reduzierung der IT-Gefahren sorgen. Doch viele Cloud-Anbieter gewährleisten hier bereits eine ähnlich hohe, teilweise sogar höhere Sicherheit als so manches Rechenzentrum einer kleinen Bank oder Filiale. Daher können auch Finanzinstitute einen großen Teil ihrer Daten auslagern, selbstverständlich unter Berücksichtigung aller Vorschriften und Compliance-Regeln.

Aber nicht nur in Sachen Cloud sollten Banken die Sicherheitsregeln modernen Anforderungen und Technologien anpassen, sondern auch im eigenen Unternehmen. Schließlich verändern sich mit der zunehmenden Digitalisierung von Geschäftsprozessen auch die Quellen für Sicherheitsrisiken. So müssen Sicherheitsstrategie und Risikomanagement ständig aktualisiert werden.

Auch auf Kundenseite kommen neue Techniken hinzu, etwa im Mobile Banking oder bei Videokonferenzen. Zum Beispiel kann sich heute ein Kunde per Video legitimieren, indem er seinen Ausweis in die Kamera hält. Dies erspart ihm den Gang zur Post oder in die Filiale. Auch für den elektronischen Personalausweis sollten Banken entsprechende Identifizierungsangebote ergänzen.

Die bislang genannten Punkte sind Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit eines Finanzinstituts. Doch welche Trends oder Entwicklungen sind bei einem Blick in die Glaskugel heute schon zu erkennen? Der Zugang zu Angeboten und Dienstleistungen wird künftig stark über digitale Plattformen geregelt. Wer die dominierende Plattform betreibt, wird dann zum digitalen Einstiegspunkt für die Nutzer.

Dies ist heute schon bei sozialen Netzwerken oder Betriebssystemen zu beobachten. Bisher bewegen sich Banken noch in einem geschützten Bereich, da die Kunden meist über ihre Plattformen Online-Banking oder andere Services nutzen. Doch heute ist schon zu erkennen, dass zunehmend branchenfremde Unternehmen wie Google, Apple oder Paypal in den Finanzmarkt eindringen.

Neue Kooperationen mit branchenfremden Partnern

Dies wird vermutlich nicht dazu führen, dass ein Anbieter auf seiner Plattform Dienste von allen Banken anbietet. Doch wahrscheinlich wird die Zusammenarbeit zwischen den Finanzinstituten sowie mit den branchenfremden Unternehmen intensiviert. Zum Beispiel hat Facebook angekündigt, seinen Mitgliedern in Zukunft Geldüberweisungen über Debitkarten in Kooperation mit Visa und Mastercard zu ermöglichen.

Auch andere Online-Anbieter könnten eines Tages in Kooperation mit Kreditkartenfirmen und Banken ihre virtuellen Systeme mit realen Geldscheinen ergänzen und sogar gemeinsam übergreifende Angebote auf einer einheitlichen Plattform entwickeln. So arbeiten etwa Versicherungen und Autohersteller bereits seit längerem für Kombitarife zusammen.

Es könnte aber auch zu einem Verdrängungswettbewerb kommen. Daher sollten Finanzinstitute wachsam bleiben und die digitalen Entwicklungen im Auge behalten. Genau dafür ist eine Digitale Exzellenz nötig.

Zu den Autoren

Thomas Saalmüller, Director, Matthias Frerichs, Leiter der Unit Digital Banking, Sopra Steria Consulting, Hamburg

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