WEALTH MANAGEMENT

Stiftungen in Bedrängnis: Vermögensmanagement anpassen

Alexander von Boehm Bezing, Foto: Tresono Family Office

Bei vielen Stiftungen bricht die Einnahmenseite rapide ein. Werden nicht ausreichend Erträge generiert, ist die Zweckerfüllung von Einrichtungen in Gefahr. Damit besteht im Vermögensmanagement akuter Handlungsbedarf, so Alexander von Boehm Bezing. Ein auskömmliches Vermögensmanagement, so der Autor, ist jedoch auch in Niedrigzinsphasen möglich. Die damit einhergehenden Risiken sind beherrschbar, erfordern aber ein strukturiertes Vorgehen mit dem Ziel eines sicheren und renditestarken Vermögensmix. Das A und O dabei sind passgenaue und aktuelle Anlagerichtlinien. Red.

Mehr Wettbewerber, weniger Spender, sinkende Zinseinnahmen: Viele Stiftungen blicken in eine ungewisse Zukunft. Auch wenn die Herausforderungen sehr unterschiedlich sind, leiden Stiftungen flächendeckend unter stark schwindenden Einnahmen. Es besteht ein wachsender Handlungsdruck, die Ertragssituation zu verbessern, zumal der digitale Umbruch auch in den nächsten Jahren zusätzliche Ausgaben erfordert.

Immer mehr Stiftungen in finanzieller Schieflage

Jahrzehntelang haben Stiftungen vorrangig auf Rentenanlagen gesetzt und damit stabile Erträge generiert. Diese Zeiten sind lange vorbei und kommen vorerst nicht wieder. Die anhaltende Zinsflaute beraubt Stiftungen ihrer Haupteinnahmequelle. Zugleich gehen auch die Spendeneinnahmen zurück. Immer mehr Einrichtungen konkurrieren um einen Spendenkuchen, der seit Jahren nicht weiter anwächst. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Spender kontinuierlich ab, so der Deutsche Spendenrat. Wie schlecht es um viele Stiftungen bestellt ist, zeigen Erhebungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Bereits Ende 2018 lag die Rendite der Vermögensanlage nach Abzug aller Kosten bei 39,1 Prozent der Einrichtungen unterhalb der jährlichen Inflationsrate, Tendenz stark steigend.

Immer mehr Stiftungen rutschen in eine finanzielle Schieflage. Stifter und verantwortliche Gremien müssen die Geschicke noch strenger nach ökonomischen Gesichtspunkten ausrichten, vor allem in der Geldanlage. Hinzu kommen verstärkte Anstrengungen im Marketing, um die Reputation der Stiftung trotz wachsenden Markt- und Wettbewerbsdrucks zu stärken. Mehr denn je sind wirtschaftliches Denken und Handeln gefragt. Dabei kommt Unternehmern eine besondere Rolle zu. Sie können wertvolle Impulse geben und die Entwicklungen federführend anstoßen.

Immer noch scheuen viele Stiftungen eine Veränderung im Vermögensmanagement. Doch im Niedrigzinsumfeld ist eine Neuausrichtung der Geldanlage unausweichlich. Stiftungen kommen nicht umhin, die Bandbreite ihrer Anlagen deutlich zu erweitern. Die verantwortlichen Gremien müssen unter Umständen kontrolliert höhere Risiken eingehen, um den Stiftungszweck zu erfüllen. Gleichzeitig gilt es, die Haftungsrisiken für den Vorstand zu begrenzen.

Stiftungsorgane im Dilemma

Stiftungsorgane befinden sich in einem Dilemma: Sie müssen einerseits das Stiftungsvermögen erhalten, andererseits aber aus dem Vermögen aus reichend Erträge erzielen, um den Stiftungszweck zu erfüllen. Deshalb agieren sie in Vermögensfragen traditionell vorsichtig und vermeiden Risiken.

Die anhaltende Zinsflaute zwingt den Vorstand zum Umdenken in der Vermögensanlage. Die Verantwortlichen müssen sich auch mit neuen Anlageformen auseinandersetzen und prüfen, inwieweit sie eine Option darstellen. Eine neue Anlagestrategie führt nicht automatisch zu hohen persönlichen Haftungsrisiken für die Gremien. Bei entsprechender Organisation lassen sich viele Risiken eng begrenzen oder gänzlich vermeiden.

Spielraum oft größer als gedacht

Der Spielraum in der Kapitalanlage ist vielfach größer als gedacht. Die so genannte "Business Judgement Rule" ist Gegenstand der laufenden Rechtsprechung und räumt Stiftungsorganen einen vergleichsweise großen Ermessensspielraum ein. Der Vorstand darf grundsätzlich in jede Anlageform investieren, ohne dass er für die negativen Folgen von Finanzentscheidungen haftet. Voraussetzung ist, dass die Entscheidung auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Stiftung getroffen wurde. Damit trägt die Rechtsprechung dem Grundprinzip einer modernen Vermögensanlage Rechnung. Risiken sind in der Vermögensanlage oft unvermeidbar und begründen unter Umständen erst den wirtschaftlichen Erfolg.

Die Anlagemöglichkeiten sind vielschichtig. Dazu zählen neben festverzinslichen Wertpapieren auch Fonds und Aktien ganz unterschiedlicher Branchen und Unternehmen.

- Interessant sind in vielen Fällen auch sogenannte "Impact Investments". Dabei handelt es sich um wirkungsorientierte Geldanlagen, die ökologische oder soziale Zwecke fördern. Es lassen sich oft einige Investments finden, die ähnliche Ziele wie die Stiftung verfolgen. So können Einrichtungen den Stiftungszweck auf anderem Weg erfüllen. Wirkungsorientierte Anlagen können per se zur Zweckerfüllung beitragen. Oberdrein sollten sie noch eine Rendite beisteuern.

- Auch Cashflow orientierte Anlagen in Wohn und Geschäftsimmobilien können eine sinnvolle Option darstellen. Vermietungsobjekte in guten Lagen gelten als sehr wertbeständig und sichern langfristig stabile Erträge. Ergänzend kommen unter Umständen auch Investitionen in Infrastruktur, erneuerbare Energien oder auch in Wald und Landwirtschaft in Betracht.

Die Kunst liegt darin, das Stiftungsvermögen clever über verschiedene Anlageklassen zu diversifizieren. Dadurch lassen sich Marktschwankungen bei liquiden Werten besser verschmerzen. Verschiedenartige Cashflows sorgen in der Summe für kontinuierliche Ausschüttungen. Gleichzeitig gewährleisten wertbeständige Anlagen eine langfristige Vermögenssicherung für die Stiftungen.

Wichtig ist eine ganzheitliche Vermögensstrategie, die eine Zweckerfüllung auch in dynamischen Märkten sicherstellt. Grundlage hierfür sind klare Regeln in Form von individuell erstellten Anlagerichtlinien, die als Entscheidungsgrundlage für den Vorstand dienen. Die Richtlinien definieren die Anlagestrategie, das Risikoprofil der Vermögensanlage und den Entscheidungsprozess.

Eine detaillierte Ausgestaltung der Richtlinien liegt im Interesse des Vorstandes. Dies begrenzt zwar den Ermessenspielraum, doch verringert gleichzeitig auch das verbleibende Haftungsrisiko, etwa für grobe Fahrlässigkeit. Individuelle Anlagerichtlinien dienen als Leitplanken für die zukünftige Vermögensanlage und ermöglichen zielgerichtete Entscheidungen.

Anlagerichtlinien, aber richtig

Die Entwicklung der Anlagerichtlinien sollte gewissenhaft und planvoll erfolgen. Qualifizierte Vermögensverwalter oder Family Offices kosten deutlich weniger, als sie an Mehrwert bringen. Zudem lassen sie sich an Erfolgen messen.

Idealerweise ergreift bereits der Stifter die Initiative und gibt die Richtlinien vor. Alternativ können auch die Kontrollgremien oder der Vorstand selbst aktiv werden. Bei der Ausarbeitung der Richtlinien ist Detailarbeit gefragt. Die Regelung sollten keinen Interpretationsspielraum bieten.

Neben einer konkreten Zielrendite, sollten auch die Anlagegrenzen innerhalb der einzelnen Vermögensklassen klar definiert werden. Ein Formulierungsbeispiel: Immobilienanlagen dürfen bis zu 20 Prozent des Gesamtvermögens betragen, davon maximal ein Drittel außerhalb der Eurozone. Der Fokus liegt auf Wohn und Büroimmobilien in guten Lagen (Core, Core+). Von Entwicklungsprojekten wird grundsätzlich abgesehen.

Flankierend empfiehlt sich der Aufbau eines professionellen Risikomanagements. So lassen sich viele Fehler und Fehlentwicklungen frühzeitig erkennen und vielfach von vorneherein vermeiden. Kommt es zu einer kritischen Situation, greift ein Notfallplan mit passenden Gegenmaßnahmen.

Alexander von Boehm Bezing, Geschäftsleiter, Tresono Family Office, Köln
 
Wege zu den passenden Anlagerichtlinien
1. Anlageformen prüfen: Je nach Stiftungszweck kommen sehr unterschiedliche Vermögensstrukturen in Betracht. Deshalb: Alle Vermögensklassen auf ihre Eignung hin prüfen. Es ist zu ermitteln, welchen Beitrag die einzelnen Anlagen für die Zweckerfüllung leisten können. Ziel ist eine ausgewogene Vermögensstreuung, die den Finanzbedarf langfristig sichert, ohne das Stiftungsvermögen zu gefährden
 
2. Richtlinien definieren: Ein effizientes Vermögensmanagement erfordert klare Regeln. Sie verringern obendrein die Haftungsrisiken für den Vorstand. Kernpunkte sind die Anlagestrategie, das Risikoprofil und der Entscheidungsprozess. Stellen der Stifter oder ein Kontrollorgan die Richtlinien auf, entstehen verbindliche Vorgaben für den Vorstand. Legt hingegen der Vorstand selbst die Richtlinien fest, dienen sie lediglich als Orientierungshilfe.
 
3. Know how ergänzen: Ein neues Vermögensmanagement erfordert zum Teil neue Kompetenzen. Diese Lücke können Vermögensverwaltungen oder Family Offices schließen. Sie übernehmen bei Bedarf das komplette Vermögensmanagement, inklusive Reporting. Damit geben die Stiftungsorgane das Vermögensmanagement in erfahrene Hände und sichern sich den Zugang zu allen erdenklichen Anlageformen.
Alexander von Boehm Bezing , Geschäftsleiter, Tresono Family Office, Köln
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