Aufsätze

Das Stiftungsgesetz - neue Möglichkeiten für den Genossenschaftssektor?

Die jährlich am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, stattfindende Verleihung der Nobelpreise ist fester Bestandteil der Gesellschaft. Jedermann weiß, was es mit dieser Auszeichnung auf sich hat. Dass sich dahinter der Stiftungsgedanke verbirgt, ist allerdings weniger bekannt.

Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung

Mit der Stiftung der Nobelpreise wollte der schwedische Forscher und Großindustrielle Alfred Nobel (1833 bis 1896) einen Konflikt lösen, der sein Leben bestimmte: Der Dynamit-Erfinder konnte nicht verwinden, dass seine Entdeckung für den Krieg genutzt wurde. Als "Wiedergutmachung" vermachte er sein Vermögen einer Stiftung, aus deren Zinsen Preise für jene finanziert werden sollten, die "im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben". 1901 wurde der Preis das erste Mal verliehen. Die ersten beiden Nobelpreisträger waren Wilhelm Konrad Röntgen, der Entdecker der nach ihm benannten Strahlen, und Emil Adolph von Behring, Pionier der Schutzimpfung gegen Tetanus und Diphtherie.

Was aber hat Nobels Stiftungsgedanke mit den Genossenschaftsbanken zu tun? Stiftungen und Genossenschaftsbanken passen sehr gut zusammen. Beide basieren auf dem Prinzip der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung. Dass sich die Volks- und Raiffeisenbanken mit ihrem 150 Jahre alten Grundsatz der solidarischen Selbsthilfe besonders verantwortlich für die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse fühlen, versteht sich somit von selbst. Aber Tradition alleine genügt heute nicht mehr. Sie muss gelebt werden.

Lebendige Tradition zeichnet sich durch ihre Fähigkeit aus, sich von innen heraus zu modifizieren - zu erneuern. Dazu gehört der permanente Wille zur Veränderung, zur Verbesserung und zur Anpassung an neue Herausforderungen. Und das ist der Prozess, der erfolgreiche Genossenschaften auszeichnet. Stiftungsengagement ist eine besonders geeignete Form, die genossenschaftlichen Grundwerte auf zeitgemäße Weise umzusetzen.

Stiftungen sind für Genossenschaftsbanken in mehrfacher Hinsicht interessant. Die Stiftungsbetreuung und die damit verbundene Vermögensverwaltung wird zunehmend als Geschäftsfeld erkannt. Als Initiator und Zustifter einer Bürgerstiftung oder noch besser durch Gründung einer eigenen Stiftung kann eine Genossenschaftsbank ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft noch mehr unter Beweis stellen. Die sich bietenden Möglichkeiten und Vorteile sind vielfältig und der Zeitpunkt zur Umsetzung ist günstiger denn je.

Steuerliche Verbesserungen

Am 21. September 2007 hat der Bundesrat das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerlichen Engagements verabschiedet und insbesondere die steuerlichen Rahmenbedingungen für Stifter deutlich verbessert. Gegenüber der bis Ende 2006 geltenden Rechtslage wurde die Höchstgrenze für den Zuwendungsabzug sowohl für Körperschaften als auch für natürliche Personen von fünf beziehungsweise zehn Prozent auf 20 Prozent des Einkommens angehoben und vereinheitlicht. Die alternativ anzuwendende Umsatzgrenze wurde ebenfalls verdoppelt.

Zusätzlich können natürliche Personen künftig Zuwendungen in das Grundstockvermögen einer Stiftung bis zu einer Million Euro über zehn Jahre verteilt absetzen. Damit wird der bisherige Höchstbetrag von einmalig 307 000 Euro mehr als verdreifacht. Künftig kann der Betrag in den Vermögensstock jeder Stiftung investiert werden - ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt sie errichtet wurde. Entfallen ist allerdings der zusätzliche Abzug für Zuwendungen an steuerbegünstigte Stiftungen bis zu einem Höchstbetrag von 20 450 Euro.

Diese steuerlichen Verbesserungen können für die Kundenberatung von Bedeutung sein, insbesondere auch im Hinblick auf die von vielen genossenschaftlichen Banken unterstützten Bürgerstiftungen. Im Hinblick auf die sich ab 1. Januar 2008 wesentlich reduzierenden Körperschaftssteuersätze wäre eine Stiftungsgründung noch im Jahre 2007 steuerlich sehr interessant. Eile wäre dann geboten, denn das Gründungsprozedere sollte zeitlich nicht unterschätzt werden. Die Übersicht fasst die Regelungen noch einmal kurz zusammen.

Gründungsboom?

Es ist davon auszugehen, dass durch das neue Gesetz ein Gründungsboom einsetzen wird, wie er bereits im Jahr 2000 anlässlich der Reform des Stiftungssteuerrechtes zu erleben war. Fritz Brickwedde, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, Berlin, prognostizierte Anfang Mai 2007 auf dem Deutschen Stiftungstag in Lübeck, dass sich die Zahl der Stiftungen in den nächsten 25 Jahren auf etwa 60 000 vervierfachen könnte; eine Prognose, die den Genossenschaftssektor nicht unberührt lassen sollte und enorme Chancen birgt.

Der Vorstand der VR Bank Südpfalz eG, Landau i. d. Pfalz, einem Institut mit knapp 1,4 Milliarden Euro Bilanzsumme, 41 Geschäftsstellen und 466 Mitarbeitern hat bereits im Jahre 1998 die Chance ergriffen und die "Stiftung der VR Bank Südpfalz eG" gegründet. Stiftungszweck ist die Förderung von sozialen, kirchlichen, religiösen, umweltorientierten und wissenschaftlichen sowie kulturellen Projekten. Es wurde bewusst ein breites Spektrum an Fördermöglichkeiten gewählt.

Das ursprüngliche Stiftungsvermögen von einer Million DM wurde vor zwei Jahren auf 750 000 Euro aufgestockt. Das Kuratorium der Stiftung, das sich aus dem Vorstand, dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinen Stellvertretern zusammensetzt, wollte mit der Gründung der Stiftung nicht nur den Zuwendungsspielraum erhöhen. Es wollte damit auch ein sichtbares Zeichen setzen, dass der Bank das gesellschaftliche Engagement sehr wichtig ist.

Förderung des kulturellen Lebens

Durch die Stiftung ist ein Teil der Spendenbereitschaft auf Dauer gesichert, unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg der Bank. Nach nunmehr fast zehn Jahren kann man folgende Zwischenbilanz ziehen:

Seit Gründung der Stiftung flossen rund 160 000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen im Geschäftsgebiet der Bank. Es wird darauf geachtet, dass bei der Verteilung der Mittel Ausgewogenheit in den fünf Regionalmärkten herrscht und dass nach Möglichkeit die Bereiche Umwelt, Kultur und Soziales gleichermaßen berücksichtigt werden.

Größere Summen wurden in den zurückliegenden Jahren dafür verwendet, das kulturelle Leben und den Erhalt historischer Gebäude in der Region zu fördern. Beispielsweise übernimmt die Stiftung seit zehn Jahren das Honorar eines Orchesters für ein Benefiz-Weihnachtskonzert. Insgesamt konnten dadurch rund 100 000 Euro "gesammelt" und für kunsthistorische Investitionen gespendet werden.

Im laufenden Jahr ist geplant, die Entscheidung, wem die Mittel zufließen sollen, in Absprache mit den Bürgermeistern im Geschäftsgebiet der Bank zu treffen. Diese Vorgehensweise ist eine hervorragende Möglichkeit, die Beziehungen zur öffentlichen Hand zu pflegen und eine größtmögliche Außenwirkung zu erzielen. Zirka zehn Prozent der Stiftungserlöse werden jährlich auch für sinnvolle Projekte in der Dritten Welt zur Verfügung gestellt. Für die symbolische Übergabe der Stiftungserlöse findet einmal jährlich am Nikolaustag ein kleiner Empfang statt, zu dem die Vertreter der jeweils begünstigten Institutionen eingeladen werden.

Aktuell wird über die Ausschreibung eines langfristig angelegten humanitären Wettbewerbs in der Region nachgedacht. Unter dem Motto "Jung hilft Alt" könnten sich beispielsweise Jugendliche bewerben, die mit ihrer Schulklasse oder im Freundeskreis etwas Besonderes für die ältere Generation geleistet haben. So könnte der Schulchor eines örtlichen Gymnasiums ausgezeichnet werden, der in Altersheimen Musikabende durchführt.

Stiftungsberatung - ein interessantes und ausbaufähiges Geschäftsfeld

Mit diesem Förderpreis wäre dann wiederum die Anschaffung neuer Instrumente möglich. Da es viele förderungswürdige Projekte aus unterschiedlichen Bereichen zum Thema "Jung hilft Alt" gibt, wäre über viele Jahre hinweg ein generationsübergreifendes sozialpolitisches Thema öffentlichkeitswirksam aufgegriffen und umgesetzt.

Die VR Bank Südpfalz hat die Stiftung mit dem Ziel gegründet, sowohl die humanitären Förderziele zu verwirklichen als auch die Spendenpraxis zu verstetigen. Die bisher gewonnenen Erfahrungen zeigen, dass dies der richtige Schritt zur langfristigen Sicherung des Spendenengagements war, welcher gleichzeitig in hohem Maße imagefördernd wirkt - kurz gesagt: zur Nachahmung empfohlen.

Angesichts der neuen Gesetzgebung und der zu erwartenden Erbschaftswelle in Verbindung mit der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass das Potenzial für Stiftungsgründungen sehr hoch ist. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass auf Grundlage des prognostizierten Erbschaftsvolumens der kommenden Jahre davon rund vier Milliarden Euro pro Jahr gemeinnützigen Stiftungen zufließen könnten.

Bank als Verwalter der Stiftung ein imagefördernder Aspekt

Zahlreiche Wettbewerber agieren bereits heute auf dem Markt der Stiftungsberatung und bauen über dieses Geschäftsfeld ihr Passivvolumen und die Provisionserträge aus. Daher ist es wichtig, dass sich auch die Volks- und Raiffeisenbanken diesem Bereich verstärkt widmen. Das zentrale Betätigungsfeld der Bank im Rahmen der Betreuung von Kundenstiftungen ist die Anlage des Stiftungsvermögens. Der entscheidende Vorteil dabei ist, dass die Vermögenswerte dauerhaft, das heißt ohne zeitliche Begrenzung, auch über den Tod des Stifters hinaus, zur Verfügung stehen.

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt ist die imagefördernde Rolle der Bank als Verwalter der Stiftung. Wenngleich die Zahl potenzieller Stifter sehr hoch sein mag, scheitert die Umsetzung des Stiftungsgedankens oftmals an der "Bürokratiehürde" mit der Folge, dass die Gelder möglicherweise abfließen. Hier gilt es, mit rechtzeitiger Information und einem umfassenden Dienstleistungsangebot anzusetzen, das es dem Stifter erlaubt, sich auf die Stiftungsziele zu konzentrieren, während Vermögensanlage, -verwaltung sowie die Rechnungslegung von der Bank durchgeführt werden.

Die Volks- und Raiffeisenbanken als Initiatorin einer Bürgerstiftung

Nicht zuletzt lässt sich durch die Ergänzung des Geschäftsfeldes "Stiftung" ein Imagegewinn erzielen. Zum einen wird die Aktivität der Bank im Bereich der Stiftungsberatung und -betreuung als weitere Kompetenz wahrgenommen. Zum anderen kann durch geeignete PR-Maßnahmen die finanzielle Unterstützung der jeweiligen Kundenstiftung herausgestellt und somit als weiteres Engagement der Bank für die Region dargestellt werden.

Von der Kundenstiftung und der Bankstiftung zu unterscheiden ist die Bürgerstiftung. Das Besondere und typisch Genossenschaftliche an diesem Modell ist, dass sich die Volks- und Raiffeisenbank als Initiatorin der Stiftung mit engagierten Bürgern und Unternehmen vor Ort zusammenschließt, um mit den eingebrachten kleineren und mittleren Vermögen gemeinnützige Ziele zu verfolgen.

Durch die gemeinsame Zielsetzung und Aktivität können ganz neue Beziehungen zu Menschen, Initiativen und Institutionen aufgebaut werden, die sonst nicht entstehen würden; ein wichtiger Aspekt in einem Zeitalter, in dem es trotz der Flächenpräsenz der Volks- und Raiffeisenbanken immer schwerer wird, Kontakte zu knüpfen. Da berichtenswerte Aktivitäten sowohl die Zustiftungen als auch die Förderung von Projekten sind, haben Bürgerstiftungen im Unterschied zu normalen Spendenaktionen ein doppelt so großes Medienpotenzial.

Das finanzielle Engagement der Bank kann bei einer Bürgerstiftung durch Mit- und Zustiftungen Dritter wesentlich geringer gehalten werden als bei einer eigenen Bankstiftung. Als Initiatorin und Verwalterin kommt die Bank natürlich auch hier in den Genuss der langfristigen Vermögensbindung. Wer sich für die Gründung entscheidet, sollte allerdings zunächst klären, ob es bereits Bürgerstiftungen in der Region gibt und mit welchem Erfolg diese agieren.

Die Bank als "verantwortungsbewusster Bürger"

Die Chancen für Genossenschaftsbanken rund um das Thema "Stiftung" sind immens. Genossenschaftsbanken können auf Basis der zentral entwickelten Programme wie der "Initiative Stiftung", der Fachberatung der Genossenschaftsverbände und den Experten des Finanzverbundes ihren Stiftungsgründern zu jedem Stiftungsmodell eine ganzheitliche Beratung anbieten.

Zwischen den aufgezeigten Stiftungsvarianten besteht keine "Konkurrenz". Jede hat seine eigene Berechtigung aufgrund der unterschiedlichen geschäftspolitischen Zielsetzungen.

Eines aber haben die aufgezeigten Möglichkeiten gemeinsam. Durch Engagement im Stiftungswesen kann die Volks- und Raiffeisenbank einmal mehr unter Beweis stellen, dass sie nicht "nur" Dienstleister, Arbeitgeber und Steuerzahler ist, sondern auch verantwortungsbewusster "Bürger" in einem Gemeinwesen und wichtiges Bindeglied der Gesellschaft. Oder wie Henry Ford es formuliert: "Der oberste Zweck des Kapitals ist nicht, mehr Geld zu beschaffen, sondern zu bewirken, dass das Geld sich in den Dienst der Verbesserung des Lebens stellt."

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