MIPIM-Special

Die Auswirkungen der künftigen Regulierung auf die Immobilienanlagen der Assekuranz

Immobilienanlagen sind seit vielen Jahrzehnten ein wichtiger Baustein in der Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen. Mit ihrer langfristigen Ausrichtung passen wertbeständige Immobilienanlagen ideal zum langfristig ausgerichteten Geschäftsmodell der Assekuranz. Besonders die Lebensversicherer schätzen die konstanten und gut planbaren Finanzströme dieser Anlageklasse für die kongruente Bedeckung ihrer passivseitigen Leistungsversprechen. Zudem haben sich Investitionen in Sachwerte in Finanzkrisen bewährt und maßgeblich zur Stabilisierung der Anlageergebnisse und somit auch zur Erwirtschaftung von attraktiven Erträgen für die Versicherungskunden beigetragen.

Ende September 2013 hatten die deutschen Erstversicherungsunternehmen rund 42 Milliarden Euro in Immobilien investiert. Damit sind sie ein bedeutender Investor für die Immobilienwirtschaft. Die individuellen Immobilienquoten der Versicherer sind dabei sehr unterschiedlich ausgeprägt und können im Einzelfall bis zu 16 Prozent ihrer Kapitalanlagen erreichen. Mehr als zwei Drittel dieser Immobilienanlagen sind zudem innerhalb Deutschlands und damit im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in einem besonders wertbeständigen Markt investiert.

Die Direktanlage ist der beliebteste Investitionsweg für deutsche Versicherungsunternehmen - sie macht aktuell rund 70 Prozent der gesamten Anlage in Immobilien der Assekuranz aus. Darüber hinaus tragen die Versicherer auch durch die Anlage in Hypothekenpfandbriefe mit einem Volumen von rund 253 Milliarden Euro wesentlich zur Refinanzierung des Immobiliensektors bei.

Kapitalunterlegung (noch) nicht risikogerecht

Nicht zuletzt durch das anhaltende Niedrigzinsniveau sind die Versicherer darauf angewiesen, auch in Zukunft attraktive und sicherere Anlageformen nutzen beziehungsweise diese weiter ausbauen zu können. Neben der Frage, ob sich Immobilien im Hinblick auf das gewünschte Risiko-/Renditeprofil für ein Unternehmen individuell eignen, spielen aufsichtsrechtliche Vorgaben dabei eine entscheidende Rolle. Daher muss sichergestellt werden, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Immobilienanlagen unter dem neuen europäischen Regelwerk Solvency II so ausgestaltet werden, dass die Versicherungsunternehmen weiter in diese Anlageklasse investieren und somit der Immobilienwirtschaft als wichtige Refinanzierungsquelle zur Verfügung stehen können.

Durch das neue Aufsichtsregime Solvency II soll die Eigenmittelausstattung der Versicherer künftig besser an die tatsächlich eingegangenen Anlagerisiken der Unternehmen angepasst werden. Die korrekte Einschätzung dieser Risiken ist dafür eine Grundvoraussetzung. Erfolgt diese nicht adäquat, werden die bestehenden Risiken entweder über- oder unterbewertet. Im Ergebnis erfüllt beides nicht die Ziele von Solvency II: Bei einer Unterbewertung könnte die Eigenmittelunterlegung in Stresssituationen nicht ausreichend sein. Eine Überbewertung von Risiken würde die Versicherer dagegen in ihren Anlageentscheidungen unangemessen einschränken - die aufsichtsrechtlichen Vorgaben könnten zu Fehlallokationen führen.

Für Investitionen in Immobilien sieht die Solvency-II-Standardformel aktuell eine einheitliche Kapitalunterlegung von 25 Prozent vor. Hierunter sind Immobilieninvestments im engeren Sinne (zum Beispiel Grundstücke, Gebäude, Beteiligungen an Immobiliengesellschaften) sowie Immobilienfonds zu verstehen. Ziel des europäischen Gesetzgebers war es, durch eine europaweit einheitliche Vorgabe eine möglichst einfache Berechnung der Eigenmittelunterlegung zu ermöglichen.

Der einheitliche Maßstab lässt jedoch keine risikogerechte Differenzierung im Hinblick auf den Standort, die Nutzungsart oder die Qualität der gehaltenen Immobilien zu. Wie notwendig diese ist, zeigt ein Vergleich des britischen und des deutschen Immobilienmarktes. Während der britische Immobilienmarkt von starken Preisschwankungen geprägt ist, hat sich der deutsche Immo bilienmarkt in der Vergangenheit als werthaltig und sehr stabil erwiesen.

Der unter Solvency II vorgegebene Wert orientiert sich pauschal am Lon doner Gewerbeimmobilienmarkt. Bildlich gesprochen lässt sich jedoch ein Investment in ein Einkaufszentrum in München kaum mit den Risiken eines Investments in eine Londoner Gewerbeimmobilie bemessen. Wenngleich die effektive Eigenmittelbelastung durch Diversifikationseffekte bei der Aggregation der Kapitalanforderungen der einzelnen Subrisiken verringert wird, überzeichnet der aktuelle Ansatz von Solvency II das tatsächliche Risiko von Immobilieninvestments deutlich.

Es ist daher notwendig, dass für Immobilienanlagen unter Solvency II eine deutlich niedrigere Eigenmittelunterlegung festgesetzt wird. Auch der anerkannte Datendienstleister Investment Property Databank kommt in einer Studie (The IPD Solvency II Review, 2011) zu dem Ergebnis, dass für eine Vereinheitlichung europäischer Marktdaten bereits eine Eigenkapitalhinterlegung von nicht mehr als 15 Prozent ein adäquates Risikomaß darstellt. Die Tatsache, dass die deutschen Versicherer hauptsächlich auf dem wertbeständigen deutschen Immobilienmarkt aktiv sind, ist hierbei noch nicht einmal berücksichtigt. Anstatt eines europaweit einheitlichen Faktors, der angesichts der völlig unterschiedlichen Immobilienmärkte nicht sinnvoll festzulegen ist, sind regionale Faktoren für das Immobilienrisiko jedoch noch geeigneter, um die Anlagerisiken der Versicherer adäquat mit Eigenmitteln zu unterlegen.

Interne Modelle nur bedingt eine Lösung

Zwar könnten Versicherer alternativ zur Standardformel unter Solvency II auch eigene interne Modelle entwickeln, um das tatsächliche Risiko besser abzubilden und eine angemessene Eigenmittelunterlegung für Immobilienrisiken zu erreichen. Nicht zuletzt aufgrund des vergleichsweise hohen Aufwandes werden jedoch voraussichtlich nur wenige Versicherungsunternehmen diesen Weg gehen.

Die Entwicklung und Zertifizierung solcher Modelle stellt vor allem für kleine und mittelgroße Versicherer eine kaum überwindbare Hürde dar, da umfangreiche Berichts- und Dokumentationspflichten zu erfüllen sind. Dem Proportionalitätsprinzip wird hier in keiner Weise Rechnung getragen. Letztendlich steht die zu erwartende Erleichterung aus einem internen Modell oftmals in keinem vertretbaren Verhältnis zu den Kosten, die mit dem Aufbau des Modells verbunden wären.

Eine nicht-risikogerechte Kapitalunterlegung von Immobilien in der Solvency-II-Standardformel kann zu negativen Folgen für die Anlage der Versicherer in Immobilien führen. Vorstellbar ist ein Rückgang des Engagements in Immobilien generell oder verstärkte Investitionen in volatilere Immobilienmärkte, die zwar höhere Renditen versprechen, aber gleichzeitig auch ein höheres Risiko auf weisen. Denn bei einer relativ hohen Eigenmittelanforderung müssen die getätigten Anlagen eine entsprechend hohe Rendite abwerfen, damit die Investition effizient bleibt.

Zwar deuten aktuelle Branchendaten bisher nicht darauf hin, dass sich die Versicherungsunternehmen aus Immobilienanlagen zurückziehen. Allerdings ist bei Neuinvestments eine deutliche Zurückhaltung zu spüren. Je näher die Einführung von Solvency II rückt, desto eher könnte sich die Assekuranz aus bestehenden Immobilienanlagen zurückziehen beziehungsweise Neuanlagen unterlassen.

Finanzierungen als Alternative?

Mit Blick auf die künftigen aufsichtsrechtlichen Anforderungen setzen die Versicherer auch ihren Weg fort, Risiken innerhalb einzelner Anlageklassen stärker zu diversifizieren. Seit dem Jahr 2006 ist eine leichte Zunahme von Investitionen in Märkte außerhalb Deutschlands sowie eine Diversifizierung bezüglich der Nutzungsart der Immobilien zu beobachten. Im Hinblick auf die Sicherheit der Kapitalanlagen ist dies insoweit unproble matisch, wie dadurch eine günstigere Ver teilung von Risiken erreicht wird. Fraglich ist jedoch, ob Versicherer durch die sich abzeichnenden Aufsichtsregeln nicht gezwungen werden, übermäßig stark in volatile Märkte zu investieren.

Auf der Suche nach weniger eigenkapitalintensiven Immobilieninvestitionen könnten Realkredite in Zukunft verstärkt in den Fokus der Versicherer rücken. Unverbriefte Darlehensforderungen, die mit Immobilien besichert sind, erfordern im Solvency-II-Standardmodell je nach Ausgestaltung eine deutlich geringere Eigenmittelhinterlegung als Immobilien. Dies trifft auch für verbriefte Immobiliendarlehen zu, die abhängig von Rating und Laufzeit mit Eigenmitteln zu unterlegen sind. Hinzu kommen die relativ geringe Korrelation im Vergleich zu anderen Anlageklassen und geringe Wertschwankungen. Allerdings setzt das Immobiliendarlehensgeschäft eine kritische Volumengröße voraus, damit kostendeckend gewirtschaftet und eine auskömmliche Rendite erzielt werden kann. Darüber hinaus muss das Versicherungsunternehmen über die entsprechende Expertise und die internen Kapazitäten verfügen. Für kleine und mittlere Versicherungsunternehmen dürfte dies oftmals nur schwer darzustellen sein. Eine Anpassung der für die Kapitalan lage der deutschen Versicherer maß geblichen Anlageverordnung, die die Anlage in unverbriefte Darlehensforderungen erleichtert, könnte dieser Anlagealternative einen weiteren Schub geben.

Außerdem engagieren sich Versicherer schon seit langem im Bereich der Hypothekendarlehen. Investitionen erfolgen hauptsächlich in eine breit gestreute Vielzahl kleinerer Einzeldarlehen. Unter Solvency II ist die geforderte Eigenmittelunterlegung für derartige Anlagen jedoch bisher nicht risikogerecht. Eine einfache Übertragung der Bankenregulierung auf die Versicherungswirtschaft, wie sie derzeit vorgeschlagen wird, stellt das Risiko für Versicherer falsch dar.

Ein wichtiges Kriterium in der Bankenregulierung ist die schnelle Verfügbarkeit von Liquidität. Anders als Banken halten Versicherer solche Darlehen jedoch meist bis zur Endfälligkeit und müssen sich auch nicht regelmäßig refinanzieren. Sie können ihren Liqui ditätsbedarf mittels regelmäßiger Beitragszahlungen und durch den Rücklauf fälliger Anlagen langfristig planbar steuern. Bei der Bewertung des Risikos von Hypothekendarlehen ist für sie daher der tatsächliche Wert der Sicherheiten und nicht die kurzfristige Liquidierbarkeit entscheidend. Aktuell soll unter Solvency II jedoch nur bei wenigen Hypothekendarlehen die betreffende Immobilie als Sicherheit berücksichtigt werden. Der Großteil der Darlehen soll in dieselbe Risikoklasse wie kapitalmarktabhängige Rentenpapiere fallen - vorhandene Sicherheiten würden dabei nicht angerechnet. Versicherer müssten damit für Hypothekendarlehen unangemessen viel Kapital vorhalten. Hier sind noch umfassende Nacharbeiten notwendig, um Fehlallokationen zu vermeiden.

Die genannten Vorteile und die stabili sierenden Eigenschaften von Immobilieninvestitionen machen diese für Ver sicherer auch in Zukunft zu einem interes santen Anlagefeld. Eine risikogerechte Eigenmittelunterlegung der Anlagen ist jedoch unabdingbar, damit Immobilieninvestments und alternative Anlagenformen für die deutschen Versicherer weiterhin attraktiv bleiben und ausgebaut werden können. In dieser Hinsicht ist bei der Ausgestaltung des künftigen Versicherungsaufsichtsrechts noch einiges zu tun.

Alexander Erdland , Senior Advisor, Ardian Germany, Frankfurt am Main
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