Wohnungen als Kapitalanlage

Bedeutung und Perspektiven des Erbbaurechts in Deutschland

Fast exakt vor 90 Jahren, am 15. Januar 1919, wurde in Deutschland die "Verordnung über das Erbbaurecht" erlassen. Ziel war es, breiten Bevölkerungskreisen die Bildung von Wohneigentum zu ermöglichen. Ein auch heute topaktuelles Thema. Denn im Zuge der internationalen Finanzkrise wird der Traum vom Eigenheim durch Kreditengpässe bei Banken für viele immer schwerer realisierbar. Hier kann das Erbbaurecht, das die rechtliche Trennung von Grundstück und darauf stehenden Gebäuden ermöglicht, Abhilfe schaffen. Das Erbbaurecht kann überdies aber auch durch innovative Anwendungsmöglichkeiten im kommunalen Bereich sowie bei gewerblichen Immobilien eine Renaissance in Deutschland erleben: Aus dem Gedanken heraus, dass das Nutzungsrecht eines Grundstücks und weniger das Eigentum daran entscheidend ist.

Günstiger in die eigenen vier Wände

Beim Erbbau muss der Erwerber oder Bauherr einer Immobilie das Grundstück nicht mitfinanzieren. Er erhält das Grundstück beziehungsweise den Baugrund vom Erbbaurechtsgeber gegen Zahlung eines Erbbauzinses zur Nutzung auf theoretisch unbegrenzte Zeit - die in Deutschland gängigen Verträge über 99 Jahre sind beliebig oft verlängerbar. Als grundstücksgleiches Recht ist das Erbbaurecht dabei frei handelbar, übertragbar, vererblich und beleihbar.

Gerade in den Städten kann das Erbbaurechtsmodell daher eine attraktive Alternative zum konventionellen Kauf oder Erwerb einer Immobilie darstellen. Denn hier machen die Grundstückskosten einen großen Teil des Gesamtpreises einer Immobilie aus. Und es zeigt sich ein starker Trend zum innerstädtischen Wohnen. Die Menschen - sowohl junge Familien als auch Senioren - möchten von der hier vorhandenen Infrastruktur und den vielfältigen kulturellen Angeboten wieder stärker profitieren. Tatsächlich ist die Nutzung des Erbbaurechts in Deutschland verbreiteter als vielfach angenommen. So entstand einer Studie zufolge etwa in den Jahren 2004 bis 2007 fast jedes sechzehnte Eigenheim in Deutschland im Erbbau. Hochrechnungen ergeben, dass rund fünf Prozent der gesamten Wohnfläche in Deutschland sich auf Erbbaugrundstücken befinden. Und gerade etwa bei denkmalgeschützten Altbauten kommt das Erbbaurechtsmodell jetzt ebenfalls zusehends zum Einsatz.

Denn es lässt sich auch auf bereits bebaute Grundstücke bestellen. Das Eigentum an Grundstück und Gebäude kann hier also "nachträglich" getrennt werden und der Erwerber muss den Grundstücksanteil nicht mitfinanzieren - und der ist bei Baudenkmalen meist durch ihre exponierte Lage besonders hoch. Vor allem können Kapitalanleger hierdurch profitieren. Bei der Vermietung des Gebäudes sind die Erbbauzinsen steuerlich absetzbar - anders als der Grundstücksanteil beim konventionellen Immobilienerwerb.

Traditionell vergeben in Deutschland vor allem Kirchen und Kommunen Erbbaurechte. In einer aktuellen Studie der Initiative Erbbaurecht geben so 91 Prozent aller teilnehmenden Kommunen ab 25 000 Einwohnern an, Erbbaurechtsgrundstücke im Bestand zu haben. Mehr als ein Dutzend Städte erzielen der Studie zufolge sogar über eine Million Euro Erbbauzinseinnahmen pro Jahr. Durch die Vergabe von Erbbaurechten können dabei Areale einer bestimmten einheitlichen Nutzung zugeführt werden.

Kommunen und Kirchen als Erbbaurechtsgeber

Für die Kirchen bietet die Vergabe von Erbbaurechten vor allem die Möglichkeit, Erlöse aus vorhandenem Grundbesitz zu ziehen, ohne ihn verkaufen zu müssen. So verwalten beispielsweise allein vier Kirchen in Baden-Württemberg zusammen gut 33 000 Erbbaurechte: die Evangelische Stiftung Pflege Schönau der Badischen Landeskirche, die Evangelische Landeskirche in Württemberg sowie die Erzdiözese Freiburg und die Diözese Rottenburg.

Die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen Kirchen und Kommunen zeigen sich deutlich in der erwähnten Studie der Initiative Erbbaurecht. So geben hierin 88 Prozent der teilnehmenden Kommunen an, zu einem Verkauf ihrer Erbbaurechtsgrundstücke - in der Regel an den Erbbauberechtigten - grundsätzlich bereit zu sein. Unter den teilnehmenden kirchlichen Verwaltungsstellen sagen dies jedoch nur ganze zwölf Prozent.

Vorteile für Unternehmen

Die Studie zeigt auch folgendes: Das Erbbaurecht kommt nicht nur bei Wohnzwecken zum Einsatz. So werden 40 Prozent der Erbbaurechtsgrundstücke der teilnehmenden Kommunen für Nicht-Wohnzwecke genutzt. Manche Kommunen setzen das Erbbaurecht etwa gezielt als Instrument der Wirtschaftsförderung und -ansiedlung ein. Dies war in der Vergangenheit etwa in West-Berlin recht verbreitet, was hier auch die heutige hohe Zahl von Erbbaugrundstücken erklärt.

Interessante Perspektiven durch das Erbbaurecht ergeben sich für Unternehmen dabei nicht nur, wenn neue Gebäude errichtet werden und hierbei die Mitfinanzierung des Grundstücksanteils gespart werden kann. Ebenfalls attraktiv ist dieses Modell: Besitzen Firmen bereits auf eigenen Grundstücken errichtete Gebäude, so können sie durch die nachträgliche Bestellung eines Erbbaurechts das hierin gebundene Firmenkapital wieder mobilisieren. Etwa, um es in höher rentierlichere Bereiche zu investieren. Denn das durch Erbbaurecht abgetrennte Grundstück kann losgelöst vom Gebäude verkauft werden. Und: Das Unternehmen behält am Gebäude weiterhin - im Unterschied etwa zum Sale-and-Lease-back-Modell - die Verfügungsgewalt des Eigentümers. So ist etwa ein Umbau problemlos möglich wenn sich beispielsweise die Produktionserfordernisse des Unternehmens ändern. Weiterer Vorteil: Erbbauzinsen, die Unternehmen für die Nutzung des Grundstücks zahlen, fallen nicht unter die steuerliche Abzugsbeschränkung der sogenannten Zinsschranke, die im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 eingeführt wurde.

Modernisierung kommunaler Wohnungsbestände

Kommunalen Wohnungsgesellschaften bietet sich mit dem Erbbaurecht die Möglichkeit, zur Liquiditätsgewinnung nur Grund und Boden zu veräußern, doch im alleinigen Besitz der aufstehenden Gebäude zu bleiben. Vorteil: Sie können dann - im Unterschied zum Komplettverkauf - weiterhin unmittelbar den Mieterschutz garantieren, da sie als Gebäudeeigentümer ja auch der alleinige Vermieter bleiben. Das Geld aus dem Verkauf des Grundstücks kann die Gesellschaft in die Modernisierung ihrer Wohnungsbestände investieren und so beispielsweise Leerstände reduzieren und Mieteinnahmen erhöhen. Selbst wenn man den Erbbauzins einrechnet, den die Wohnungsgesellschaft für die Überlassung des Grundstücks bezahlt, kann hierdurch die Ertragskraft der Gesellschaften nachhaltig steigen.

Als Käufer solcher "abgetrennten" kommunalen Erbbaugrundstücke kommen institutionelle Investoren aus dem In- und Ausland infrage. Denn Erbbauzinsen haben als Anlageinstrument den Charme, erstrangig im Grundbuch gesichert, zwangsversteigerungsfest und inflationsindexiert zu sein.

Im Rahmen eines anderen Modells können kommunale Wohnungsbestände mithilfe des Erbbaurechts auch sozialverträglich privatisiert werden. Dies ist beispielsweise in Salzgitter geschehen. Dort übernahmen private Investoren die durch Erbbau abgespaltenen Grundstücke der städtischen Wohngesellschaft, und mehrere hundert Wohnungen wurden an die vormaligen Mieter anschließend im Erbbaurecht verkauft.

Effekte aus dem Konjunkturprogramm verstärken

Aktualität erlangt das Erbbaurecht auch durch das Konjunkturprogramm II, wie Friedhelm Ost, Staatssekretär a. D. und Mitglied der "Freunde und Förderer" der Initiative Erbbaurecht im Rahmen der Veranstaltung "Renaissance des Erbbaurechts" am 4. März 2009 in Frankfurt betonte. Denn finanzielle Mittel für Investitionen in Bildungseinrichtungen können Kommunen generieren, indem sie beispielsweise das Grundstück unter einer Schule oder einem Kindergarten mithilfe des Erbbaurechts abtrennen und verkaufen. Diese Gelder können dann in die Modernisierung der Einrichtung investiert werden - auf diese Weise, so Ost, ließen sich Effekte aus dem Konjunkturprogramm multiplizieren. Trotz der vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten stößt das Erbbaurecht hierzulande noch auf Vorbehalte. Wie groß der Markt jedoch sein kann, zeigen andere europäische Länder, beispielsweise Großbritannien. So ist in London etwa der Erwerb eines Gebäudes im Wege des "Leasehold" eher die Regel als die Ausnahme.

Nicht zuletzt durch die Finanzkrise dürfte bei Unternehmen und kommunalen Wohnungsgesellschaften schließlich der Gedanke des Erbbaurechts, dass "Nutzen können statt besitzen" zählt, weiter Platz greifen. Welche Potenziale sich hier bieten, hat etwa das Leasinggeschäft mit Autos auch in Deutschland schon gezeigt.

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