Kirche und Immobilien

Immobilienverwaltung am Beispiel des Bistums Essen

Das Bistum Essen - in seiner Organisation vergleichbar mit anderen deutschen Bistümern - besteht aus einer Vielzahl von unabhängigen Rechtsträgern. Die umgangssprachliche Bezeichnung "katholische Kirche" fasst die öffentlichen Körperschaften Bischöflicher Stuhl, Domkapitel und Bistum regelmäßig und vereinfachend zusammen. Jede dieser Organisationen ist dabei Eigentümer einer oder mehrerer Immobilien. Ebenso ist jede örtliche Pfarrgemeinde, vertreten durch den gewählten und ehrenamtlich tätigen Kirchenvorstand, selbstständiger Rechts- und Vermögensträger1) mit Immobilieneigentum.

Neuorganisation soll Potenziale heben

Aufgrund dieser Struktur besteht im Bistum Essen keine zentrale Verwaltung oder Verantwortlichkeit hinsichtlich Immobilien in Form eines Corporate oder Public Real Estate Managements (CREM/ PREM). Im Januar 2006 wurden jedoch innerhalb des Generalvikariates die Bereiche Bauangelegenheiten und Liegenschaften dem Finanzdezernat zugeordnet, um die Potenziale immobilienwirtschaftlichen Managements realisieren zu können.

Das Generalvikariat in Essen, die Verwaltungsbehörde des Ruhrbistums, versteht sich als Dienstleister und bietet bistumsnahen Rechtsträgern und Einrichtungen auf Anfrage professionelle Begleitung und Unterstützung in den Bereichen Bauangelegenheiten und Liegenschaften. Gegenüber der örtlichen Kirchengemeinde agiert das Generalvikariat (Dezernat Kirchengemeinde) dagegen als kooperative und serviceorientierte Fachaufsicht mit Genehmigungsvorbehalt. Dieses Selbstverständnis ist erklärter Wille und wird nachhaltig verfolgt.

Weiterhin folgt zum 1. Januar 2008 die freiwillige Umstellung der Kameralistik auf die kaufmännische Buchführung (Doppik). Damit wird unter anderem die Grundlage für ein ziel- und ergebnisorientiertes Immobilienmanagement geschaffen. Im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen werden gleichzeitig die bestehenden Immobiliendaten aktualisiert und ergänzt, um weitere Transparenz und Steuerungsansätze zu ermöglichen. Weitere Schritte werden folgen. So prüft zurzeit die Evangelische Landeskirche von Westfalen die Einrichtung einer landeskirchlichen Dienstleistungsagentur zur Verwertung ihrer Immobilien.2)

Das Bistum Essen3) betreut aufgrund seines breiten Aufgabenspektrums unterschiedlichste Immobilientypen im Eigenbestand. Das Portfolio umfasst Spezialobjekte wie Bildungshäuser und Schulen (teilweise mit Speisesälen und Schwimmbädern), aber auch ein Kloster und ein Priesterseminar. Darüber hinaus werden klassische Einzelhandelsobjekte, Mehrfamilienhäuser, Verwaltungsgebäude und unbebaute Grundstücke verwaltet. Kindergärten und alle dazu gehörigen Gebäude sind im Bistum Essen seit dem 1. Januar 2007 in dem Kita-Zweckverband gebündelt, der auch für die fachliche Instandhaltung und Bewirtschaftung zuständig ist. Eigentümer ist weiterhin die örtliche Pfarrgemeinde. Das Bistum verfügt somit über 370 Tageseinrichtungen mit mehr als 26 000 Plätzen.

Aufgrund der bisherigen Zuständigkeit der örtlichen Kirchengemeinden für die jeweiligen Kindergärten sind die Gebäude größtenteils individuell errichtet worden. Zu berücksichtigende Vorgaben ergeben sich nur aus behördlichen Auflagen und gesetzlichen Normen. Seitens des Generalvikariates werden keine Planungsvorgaben gemacht. Entsprechend erfolgt die Planung und Realisierung durch örtliche Architekten.

Trennung von nicht betriebsnotwendigen Immobilien

Im Jahre 2006 hat das Bistum Essen begonnen, sich von nicht mehr betriebsnotwendigen Objekten systematisch zu trennen, um einen Beitrag zur Haushaltsentlastung zu leisten. Auf Ebene der Kirchengemeinden wird ein ähnliches Desinvestment folgen. Dies ist die zwingende Folge auf die innerkirchlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, denen sich die katholische Kirche und insbesondere die Kirche von Essen gegenüber sehen.

Als Ursache gelten die hohe Arbeitslosigkeit, der Strukturwandel im Ruhrgebiet, die demografische Entwicklung und schließlich die Entscheidung von Menschen, aus der Kirche auszutreten. Aus diesen Gründen ist die Zahl der Katholiken im Bistum Essen seit seiner Gründung im Jahre 1958 um rund ein Drittel gesunken.

Insbesondere in den sechziger Jahren wurden 47 Pfarrzentren neu gebaut. Diese umfangreiche Neuerrichtung von Pfarrzentren und Kirchen muss nun korrigiert werden und wurde bundesweit auf die häufig verwendete Schlagzeile "Bistum Essen schließt über 100 Kirchen" reduziert. So wie die Kirche sich in Wachstumsperioden vergrößert hat, steht sie nun vor der Herausforderung, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen - eine natürliche, aber schmerzliche Folge und mit Blick auf die Finanzlage ohne Alternative. Die in den sechziger Jahren aufgebaute Infrastruktur für 1, 5 Millionen Katholiken ist für die heutigen Verhältnisse überdimensioniert und nicht mehr zu finanzieren.

Die Herausforderungen, denen sich das Ruhrbistum bereits stellt, stehen vielen anderen öffentlichen Haushalten größtenteils noch bevor. Aufgrund des eigenständigen, geschlossenen und damit anfälligen Systems muss die Kirche auf grundlegende Veränderung viel früher reagieren als die öffentliche Hand4). Insbesondere die demografische Entwicklung trifft die katholische und evangelische Kirche hart. Sofern in der 10. koordinierten Vorausberechnung des statistischen Bundesamtes eine Zuwanderung von 200 000 Menschen per annum unterstellt wird, ist zu bedenken, dass bei einem hohen Anteil an Migranten aus osteuropäischen Ländern und der Türkei der Anteil der christlichen Bevölkerung überproportional stark fallen wird. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkung auf das Kirchensteueraufkommen.

Hauptaufgabe der katholischen Kirche ist die Seelsorge in Verkündigung und Caritas. Die Aufgabe kirchlicher Immobilienverwaltung ist es, adäquate Räume für diesen Zweck bereitzustellen, zu unterhalten und zu entwickeln. Dabei sind vielschichtige Anforderungen aufgrund der pastoralen Nutzung5) zu berücksichtigen. Die Raumanforderungen katholischer Kindergärten, Schulen, Universitäten, Bildungs- und Krankenhäusern, aber auch die Orte sozialer sowie caritativer Angebote und nicht zuletzt für den Gottesdienst weichen von konfessionslosen, klassischen Gebäudeansprüchen erheblich ab. Hier kann zum Beispiel die Atmosphäre und die Wirkung des Raumes mitunter eine herausragende Rolle spielen.

Ziele kirchlicher Verwaltung

So wurde im März 2007 ein architektonisch anspruchsvoller Ersatzbau für die Marienschule mit über 700 Schülerinnen in Essen-Werden feierlich eingeweiht. Geplant und ausgeführt wurde das Vorhaben mit dem Architekturbüro Hahn & Helten aus Aachen. Die "alte" Marienschule wurde den heutigen Anforderungen an einen zeitgemäßen Unterricht baujahrbedingt in keiner Hinsicht mehr gerecht. Dem Bistum Essen ist dabei wichtig, den hohen Stellenwert der Bildung und das breit gefächerte gesellschaftspolitische Engagement der Kirche auch in ungünstigen Zeiten deutlich zu machen.

Darüber hinaus stellt und sichert kirchliche Immobilienverwaltung einen angemessenen Bestand an modernen, effizienten Verwaltungsflächen und Dienstwohnungen. In der Vergangenheit wurde eine weitaus größere Anzahl an Dienstwohnungen für Geistliche und Bistumsmitarbeiter vorgehalten und teilweise individuell errichtet. Heute werden solche Ein- und Mehrfamilienhäuser - aufgrund der demografischen Entwicklung, Haushaltslage und neuer Prioritäten sukzessive veräußert. In Einzelfällen bietet es sich zudem an, Dienstwohnungen für Geistliche in unmittelbarer Nähe der Pfarrei anzumieten, als weiter entfernt liegende Objekte im Eigenbestand zu nutzen.

Weiterhin werden sensible und bedeutende Bereiche - wie zum Beispiel der Essener Dom - geschützt, indem die unmittelbaren Nachbargebäude teilweise im Eigentum gehalten werden. So können nachbarschaftliche Immissionen und unerwünschte Nutzungen nachhaltig kontrolliert werden. Das Verständnis des Ruhrbistums hinsichtlich Immobilien unterscheidet sich damit nicht von dem klassischer Non-Property-Unternehmen beziehungsweise der Zielsetzung des Public Real Estate Managements der öffentlichen Hand. Immobilien werden zielgerichtet zur Erfüllung der Kernkompetenzen eingesetzt.

Gewinnerwirtschaftung kein primäres Ziel

Immobilien sind nicht primäres Mittel zur Gewinnerwirtschaftung. Hier ist deutlicher Unterschied zu den Zielen gewinnorientierter Immobilienunternehmen erkennbar. Überschneidungen bestehen jedoch zum Beispiel in den Bereichen Vermögensanlage für die Altersvorsorge der Geistlichen. Hier werden jedoch grundsätzlich indirekte Immobilienanlageformen der Einzelanlage bevorzugt. Nicht zuletzt wird auch die Optimierung der Baufolgekosten und Lebenszykluskosten durch ein professionelles Facility Management zunehmend eine wichtige Aufgabe kirchlicher Verwaltung. Ein Blick auf das typische Immobilienportfolio eines Bistums oder der öffentlichen Hand und die Abbildung 2 verdeutlicht diese Notwendigkeit.

Gerade die Immobilientypen, die anteilsmäßig die höchsten Baufolgekosten aller Immobilien aufweisen, sind regelmäßig im Immobilienbestand eines Bistums vertreten. So wird zum Beispiel die Erstellkostenschwelle eines Kindergartens bereits nach 3,2 Jahren überschritten.6) Sofern aufgrund des Baujahres die Lebenszykluskosten bei der Errichtung nicht im Fokus der Betrachtung standen, ist eine Verbesserung der Situation umso wichtiger und bietet erhebliches Potenzial, Kosten zu reduzieren.

Die Objektbetreuung für Externe oder Dritte zählt nicht zu den Hauptaufgaben kirchlicher Verwaltung und wird grundsätzlich nicht angeboten. Eine Ausnahme gilt nur für die eigenständigen Rechtsträger des Bistums oder andere kirchliche Einrichtungen, die über keine eigene Immobilienkompetenz verfügen. Dies sind insbesondere der Bischöfliche Stuhl und das Domkapitel.

Bedeutung des Erbbaurechtes

Die wichtigsten Gründe für die Bereitstellung von Erbbaurechten aus Sicht der katholischen Kirche sind traditionell das soziale Engagement für Familien mit Kindern, die langfristige Vermögensanlage und der Erhalt von kirchlichem Grundbesitz.7)

In vielen Fällen ist die Kirche durch Vermächtnisauflagen der Stifter oder Erblasser, aber auch durch stiftungs- und kirchenrechtliche Vorschriften gehindert, Grundstücke zu verkaufen. So bildet das Erbbaurecht oft die einzige Möglichkeit, das Grundstück baulich zu nutzen und der gewünschten sozialen Verwendung zuzuführen. Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen einiger Bistümer im Bereich der Haushaltsentlastung ist die Bedeutung des Erbaurechtes innerhalb der Kirche kritisch zu überdenken.

Zudem stellt sich die Frage, ob ein anfänglicher Erbbauzins von vier Prozent des Grundstückswertes dauerhaft erreicht werden kann. Die Erfahrung aus dem Bistum Essen zeigt, dass im Extremfall bei älteren Erbbaurechtsverträgen nur noch eine aktuelle Verzinsung von unter einem Prozent - bezogen auf den heutigen Grundstückswert - erreicht werden kann. Eine langfristige und attraktive Vermögensanlage besteht in diesen Fällen nicht. Auch ist der erforderliche Aufwand für eine professionelle Verwaltung von Erbaurechten für kleine Bistümer und in den Gemeinden nicht zu unterschätzen.

Weiterhin ist die Attraktivität des Erbbaurechtes bei einem aktuellen Fremdkapitalzins von rund 4,5 Prozent und einem üblichen Erbauzinses von ebenfalls 4,0 Prozent - auf den Marktwert des Grundstückes - fraglich. Der potenzielle Erbaurechtsnehmer wird die jeweiligen Zinsbedingungen und effektive Gesamtbelastung sorgfältig prüfen. Denn bei einem nur geringen Aufschlag im Vergleich zu einer Fremdfinanzierung kann der langfristige Erwerb von Volleigentum auch für junge Familien erstrebenswert sein.

Unter den 27 Diözesen Deutschlands nimmt das Bistum Essen hinsichtlich Erbbaurechte eine Sonderstellung ein. Die pauschale Aussage, die Kirchen seien die größten Grundbesitzer Deutschlands, trifft daher auf das "junge" Bistum Essen nicht zu. Erst am 1. Januar 1958 entstand aus Teilen8) der (Erz)Bistümer Köln, Paderborn und Münster das neue Ruhrbistum. Der unbedeutende Grundbesitz des Bistums Essens ist insbesondere auf seine sehr geringe Flächenausdehnung zurückzuführen. In dem ehemals durch Montan- und Stahlindustrie sowie einer sehr hohen Bevölkerungsdichte geprägten Gebiet waren Freiflächen, Ãcker und Länderein im Zeitpunkt der Bistumsgründung nicht anzutreffen. Damit war der klassische Weg, durch Baulandumlegung Erbbaurechte bereitzustellen, ebenfalls verschlossen.

Die Erbbaugrundstücke des Bistums Essen liegen deutlich unter 20 Stück. Auf Ebene der Pfarrgemeinden im Ruhrbistum bietet sich ein heterogenes Bild. Während auf der einen Seite in wenigen Ausnahmefällen ein Bestand von bis zu 400 Erbbaurechten erreicht wird, verfügt die Mehrheit der Gemeinden über keine nennenswerten Erbaurechte. Nach der letzten Umfrage aus dem Jahr 19989) stellt sich der Bestand der Bistümer an Erbaurechten innerhalb der deutschen Diözesen wie in Abbildung 3 dar.

Professionalisierung und kirchliche Werte

Die (immobilienwirtschaftliche) Verwaltung des Bistum Essen ist im Wandel. Nicht zuletzt aufgrund des Sparhaushaltes ist es notwendig schlanke Strukturen zu etablieren, den Bürokratieabbau voranzutreiben und sich an den Maßstäben der Privatwirtschaft verstärkt zu orientieren. Positive Veränderungen sind bereits erkennbar, auch wenn das langfristige Ziel eines PREM10)-Systems sicherlich noch nicht erreicht ist. Die Professionalisierung des kirchlichen Immobilienmanagements wird sukzessive vorangetrieben, ohne dabei die kirchlichen Werte zu vernachlässigen.

Fußnoten

1) Körperschaft des öffentlichen Rechts.

2) Vgl. Newsletter KSD (Katholischer Siedlungsdienst) vom 15. Februar 2007.

3) Gemeint ist hier das Bistum Essen als eigener Rechtsträger.

4) Vgl. "Demografische Entwicklung verschont öffentliche Infrastruktur nicht" Dr. Tobias Just, 28. April 2004 oder "Kostenstelle, stille Reserve oder potenzieller Erfolgsfaktor", IZ 6/2007.

5) Seelsorge.

6) "Immobilienmanagement der öffentlichen Hand", Seite 33, Schulte, 2006.

7) "Das Erbbaurecht in der kirchlichen Praxis", Johannes Baumgartner, Erzbistum Freiburg, 1998 .

8) Duisburg, Mülheim, Oberhausen, Bottrop, Gladbeck, Essen, Wattenscheid, Bochum, Gelsenkirchen, Lüdenscheid, Ennepe-Ruhr-Kreis (ohne Herdecke und Wetter), Kreis Altena.

9) Johannes Baumgartner, a.a. O. 10) Public Real Estate Management.

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