Leitartikel

Care-Paket für Fannie und Freddie

Es ist längst nicht mehr die Frage, ob die Federal National Mortgage Association und die Federal Home Loan Mortgage Corporation - denen New Yorks Börsianer in besseren Zeiten die Koseformen Fannie Mae und Freddie Mac verpasst haben sollen - mit Milliarden US-Dollars gestützt werden müssen, sondern nur noch wann. Dabei geht es für die beiden Hypothekenfinanzierer um nicht weniger als die Abwendung einer Pleite, deren Auswirkungen nicht nur die US-Wirtschaft massiv in Mitleidenschaft ziehen würde. Denn ungeachtet ihrer possierlichen Namen dürfen die beiden Institute als die Zentralgestirne des amerikanischen Wohnungsbaumarktes angesehen werden, die mittlerweile jeden zweiten Eigenheimkredit in den USA in ihren Büchern stehen haben. Diese summieren sich auf nicht weniger als 5 000 Milliarden US-Dollar (zum Vergleich: Das US-BIP beträgt 14 000 Milliarden US-Dollar). Der Grund für dieses gewaltige Volumen liegt im US-amerikanischen Hypothekensystem begründet, das ohne die hierzulande bekannten und bewährten Instrumente wie beispielsweise Beleihungswert und Pfandbrief auskommt. Vielmehr sichern als Aktiengesellschaften strukturierte halbstaatliche Institutionen die Eigenheimhypotheken der Banken, wenn diese den Bonitätskriterien entsprechen. Dazu werden die Forderungen der privaten Immobilienfinanzierer angekauft, gebündelt und als Verbriefung am internationalen Kapitalmarkt platziert.

Dieses Prinzip hat durchaus Charme, denn es senkt tendenziell die Finanzierungskosten für Eigenheimerwerber, weil einerseits die Banken das Risiko nicht oder nur teilweise nehmen müssen und andererseits die bestehenden Risiken besser strukturiert und weltweit am Kapitalmarkt als liquide Bonds verbrieft werden können. Soweit die Theorie und die lange Zeit bewährte Praxis, die seit 1968 sogar ohne Staatsgarantien auskam. Dass dabei in den zurückliegenden 70 Jahren weder das gelegentlich auftretende interne Missmanagement noch die diversen Banken- und Immobilienkrisen das System und seine beiden Kerninstitutionen zu erschüttern vermochte, attestiert zumindest dessen grundsätzliche Funktionsfähigkeit. Allerdings gilt diese nur unter der Nebenbedingung eines liquiden Kapitalmarktes. Dass dieser temporäre Störungen aufweisen kann, hat Fannie Mae und Freddie Mac bislang nicht berührt. Doch nachdem im Zuge der Subprime-Krise seit nunmehr zwölf Monaten die Verbriefungskanäle ausdürren, beginnen auch die Hypothe-ken-Schwergewichte zu dehydrieren und nach einem kräftigen Schluck aus der Staatspulle zu dürsten. Und sie werden ihn bekommen, wenn das ganze System nicht kollabieren soll.

Dabei trifft Fannie Mae und Freddie Mac keine Schuld an den Fehlentwicklungen auf dem US-Hypothekenmarkt, da sie gemäß ihren politischen Vorgaben zu keinem Zeitpunkt minderwertige Baufinanzierungen ankauften. Die Tragik ist jedoch, dass Subprime-Hypotheken in den vergangenen Jahren einen so hohen Anteil an den Häuserkrediten erreicht haben, dass ihre Ausfälle den gesamten Wohnungsmarkt in Mitleidenschaft ziehen. Denn die massenhaften Zwangsversteigerungen bei notleidenden Subprime-Hypotheken haben einen deutlichen Preisverfall bei US-Eigenheimen ausgelöst und damit auch die Sicherheiten der intakten Baufinanzierungen abgewertet. Doch gerade auf diese immobilen Werte ist die Refinanzierung von Fannie Mae und Freddie Mac abgestellt. Da wundert es nicht, dass die Verbriefungen nur noch mit deutlichen Risikoaufschlägen Abnehmer finden. Immerhin 1 700 Milliarden US-Dollar haben Fannie Mae und Freddie Mac an Schuldverschreibungen im Umlauf. Davon werden im September rund 225 Milliarden Euro fällig. Diese zu ersetzen, wird teuer, denn schon bei den wesentlich kleineren Refinanzierungsvolumina der vergangenen Wochen haben beide Institute ihren Kapitalbedarf nur mit Mühe und zu erheblich höheren Kosten decken können. Binnen drei Monaten hatten sich die Spreads fast verdoppelt. Damit konnte offensichtlich auch eine Ende Juli vom Kongress beschlossene Kompetenzerweiterung für das Schatzamt, demnach den beiden Instituten in unlimitierter Form mit staatlichen Krediten und/oder Kapitaleinlagen unter die Arme gegriffen werden darf, kein besseres Klima bei Investoren machen.

Aufhorchen lässt jedoch nicht nur die Tatsache, dass der Kapitalmarkt auf staatliche Interventionsankündigungen kaum noch reagiert. Angesichts dieser Tatsache dürften sich Wirtschaftsliberale die Hände reiben, haben sie doch schon lange prophezeit, dass dem politischen Handeln in einer globalisierten Wirtschaft Grenzen gesetzt sind. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber, dass es in den USA offensichtlich weniger Beklemmungen bei der Gewährung staatlicher Beihilfen gibt, als dies in Europa der Fall ist, wo Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission mit zuweilen lästig erscheinendem Eifer in jeder staatlichen Garantie oder Kreditgewährung einen unzulässigen Markteingriff argwöhnen, den sie umgehend zu verhindern sich berufen fühlen müssen. Im Vergleich zwischen der amerikanischen und europäischen Praxis mag man Nachteile für die hiesigen Unternehmen vermuten, für deutsche und europäische Eigenheimfinanzierer dürfte die Diskussion aber allenfalls akademischer Natur sein.

Gleichwohl zeigen die Leiden von Fannie Mae und Freddie Mac, dass das amerikanische System kaum als Vorbild für Europa dienen sollte, auch wenn der eine oder andere anglophile Lobbyist in Brüssel dies nicht wahrhaben will. Umgekehrt gilt jedoch ebenso, dass die aus europäischen Traditionen, Krisen und Mentalitäten gewachsene Finanzierungslandschaft kaum als Blaupause für die USA gelten kann. Vor Belehrungen oder gar Häme sollten sich die Europäer aber tunlichst hüten, denn Irrungen und Wirrungen sind auch dem hiesigen Finanzplatz nicht fremd.

Eine Erkenntnis sollte sich dieser Tage aber sowohl an den Ufern des Potomac als auch an der Spree durchsetzen: Die (halb-)staatliche Eigentümerschaft an privatwirtschaftlichen Kreditinstituten bedarf permanenter, sorgfältiger und kritischer Überprüfung - nicht nur aus ordnungspolitischen Erwägungen, sondern vor allem wegen des bekannten Moral-Hazard-Problems. Offensichtlich verleitet die öffentlich garantierte Insolvenzfestigkeit dazu, Risiken bereitwilliger zu nehmen und nicht immer marktgerecht zu bepreisen beziehungsweise abzusichern. Wohin dieser Leichtsinn führt, erlebt derzeit nicht nur Amerika. L. H.

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