Gespräch des Tages

US-Hypothekenfinanzierer - Staatshilfen auf amerikanisch

Es ist längst nicht mehr die Frage, ob der amerikanische Steuerzahler die beiden halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae (Federal National Mortgage Association) und den etwas kleineren Freddie Mac (Federal Home Loan Mortgage Corporation) mit Milliarden Steuergeldern stützen muss, sondern nur noch wann. Dabei geht es für die beiden Hypothekenfinanzierer um nicht weniger als die Abwendung einer Pleite, deren Auswirkungen nicht nur die US-Wirtschaft massiv in Mitleidenschaft ziehen würde. Denn ungeachtet ihrer possierlichen Namen sind die beiden Institute die Zentralgestirne des US-Wohnungsbaumarktes, die mittlerweile jeden zweiten Eigenheimkredit in den USA in ihren Büchern stehen haben. Deren Volumen summieren sich auf nicht weniger als 5 000 Milliarden US-Dollar (zum Vergleich: das US-BIP beträgt rund 14 000 Milliarden US-Dollar).

Der Grund für dieses gewaltige Volumen liegt im US-amerikanischen Hypothekensystem begründet, bei dem als Aktiengesellschaften strukturierte halbstaatliche Institutionen die Eigenheimhypotheken der Banken sichern, wenn diese den Bonitätskriterien entsprechen. Dazu werden die Forderungen der privaten Immobilienfinanzierer angekauft, gebündelt und als Verbriefung am internationalen Kapitalmarkt platziert.

Dieses Prinzip hat durchaus Charme, denn es senkt tendenziell die Finanzierungskosten für Eigenheimerwerber, weil einerseits die Banken das Risiko nicht oder nur teilweise nehmen müssen und andererseits die bestehenden Risiken besser strukturiert und weltweit am Kapitalmarkt als liquide Bonds verbrieft werden können. Soweit die Theorie und die lange Zeit bewährte Praxis. Jetzt droht das System zu kollabieren, obwohl Fannie Mae und Freddie Mac an der Subprime-Krise keinen Anteil haben, weil sie minderwertige Kredite gar nicht ankaufen dürfen. Allerdings führten die krisenbedingten Zwangsversteigerungen und Notverkäufe - die gerade erst ihren Höhepunkt erreichen - zu einem deutlichen Preisverfall bei US-Eigenheimen. Dies wiederum wertet auch die Sicherheiten der intakten Baufinanzierungen ab. Doch gerade auf diese immobilen Werte ist die Refinanzierung von Fannie Mae und Freddie Mac abgestellt. Folglich finden deren Verbriefungen nur noch mit deutlichen Risikoaufschlägen Abnehmer.

Insgesamt haben Fannie Mae und Freddie Mac Schuldverschreibungen in Höhe von 1 700 Milliarden US-Dollar ausstehen. Davon werden im September rund 225 Milliarden Euro fällig. Diese zu ersetzen, wird teuer, denn schon bei den wesentlich kleineren Refinanzierungsvolumina der vergangenen Wochen haben beide Institute ihren Kapitalbedarf nur mit Mühe und zu erheblich höheren Kosten decken können. Binnen drei Monaten hatten sich die Spreads fast verdoppelt. Damit konnte offensichtlich auch eine Ende Juli vom Kongress beschlossene Kompetenzerweiterung für das Schatzamt, demnach den beiden Instituten in unlimitierter Form mit staatlichen Krediten und/oder Kapitaleinlagen unter die Arme gegriffen werden darf, kein besseres Klima bei Investoren machen. Bemerkenswert an dieser politischen Rettungsoption ist, dass es im heutigen Amerika offensichtlich weniger Beklemmungen bei der Gewährung staatlicher Beihilfen gibt, als dies in Europa der Fall ist, wo Wettbewerbshüter der Europäischen Kommission mit Eifer in jeder staatlichen Garantie oder Kreditgewährung einen unzulässigen Markteingriff argwöhnen, den es zu verhindern gilt.

Eines aber gilt angesichts der Leiden von Fannie Mae und Freddie Mac als gewiss: Das amerikanische System sollte nicht als Vorbild für Europa dienen, auch wenn der eine oder andere anglophile Lobbyist in Brüssel gerne das Gegenteil beweisen möchte. Umgekehrt gilt jedoch ebenso, dass die aus europäischen Traditionen, Krisen und Mentalitäten gewachsene Finanzierungslandschaft kaum als Blaupause für die USA gelten kann. Vor Belehrungen oder gar Häme sollten sich die Europäer tunlichst hüten, denn Irrungen und Wirrungen sind auch dem hiesigen Finanzplatz nicht fremd.

Eine Erkenntnis sollte sich aber sowohl an den Ufern des Potomac als auch an der Spree durchsetzen: Die (halb-)staatliche Eigentümerschaft an privatwirtschaftlichen Kreditinstituten bedarf permanenter, sorgfältiger und kritischer Überprüfung - nicht nur aus ordnungspolitischen Erwägungen, sondern vor allem wegen des immer wieder zu beobachtenden Moral-Hazard-Problems. Offensichtlich verleitet die öffentlich garantierte Insolvenzfestigkeit dazu, Risiken bereitwilliger zu nehmen und nicht immer marktgerecht zu bepreisen. Wohin dieser Leichtsinn führt, erlebt derzeit nicht nur Amerika.

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