Gespräch des Tages

Baufinanzierung - Change. Yes, we can!

Für die Wahl zum US-Präsidenten läuft sich der demokratische Aspirant schon einmal auf Auslandsreisen warm. Dass dieser es sich gerne gefallen lässt, mit John F. Kennedy verglichen zu werden, darf ihm als allzu menschliche Eitelkeit nachgesehen werden. Sollte der Einzug ins Weiße Haus unter der Losung "Change. Yes, we can." tatsächlich gelingen, wird er ganz andere Krisen zu meistern haben als der legendäre Vorgänger. Gelingt es der hilflos wirkenden Noch-Regierung nämlich bis zum Herbst nicht, das Subprime-Krisen-Domino aufzuhalten, wird dem neuen Präsidenten - ob demokratisch oder republikanisch - eine finanzwirtschaftliche Hypothek aufgebürdet, deren Bewältigung weniger den Charme eines Kennedy, sondern vielmehr die Fähigkeiten eines Franklin D. Roosevelt erfordert. Die Krisen des vorigen Jahrhunderts haben gezeigt, wie schnell ein eben noch intakt erscheinendes Wirtschaftssystem in die Depression schlittern kann. Die frühe Warnung des BaFin-Präsidenten Jochen Sanio, dies werde die schlimmste Bankenkrise seit 1931, kann heute nicht mehr bestritten werden. Countrywide, Bear Stearns, Indymac und die seit einem Jahr fast täglich verkündeten Geschäftseinstellungen von US-Hypothekenfinanzierern sind schmerzliche, aber noch keine systemgefährdenden Zusammenbrüche. Doch wenn im Zuge dieser Pleitewelle jetzt die beiden Angelpunkte des US-Hypothekensystems Fannie Mae und Freddie Mac, die mittlerweile 80 Prozent der Eigenheimfinanzierungen auf der Bilanz haben sollen, mürbe werden und - trotz gelockerter Mindestanforderungen und üppiger Staatshilfen - Gerüchte von einer bevorstehenden Insolvenz der beiden Institute die Runde machen, dann geht es ans Eingemachte.

Auf 5 000 000 000 000 - in Worten: fünf Billionen - US-Dollar belaufen sich die ausstehenden Schuldverschreibungen der beiden Häuser. Kommt es zum Kollaps, werden die Schockwellen durch alle Märkte fegen. Dann ist es fast schon egal, für welches Übel sich die alte beziehungsweise die neue Regierung entscheidet. Lässt sie Fannie Mae und Freddie Mac über die Klinge springen und den heimischen Immobilienmarkt implodieren, ist auch das internationale Finanzsystem gefährdet. Denn von den Forderungsausfällen wären auch die Zentralbanken betroffen. Besonders pikant: Den USA droht in diesem Fall der Verlust des AAA-Ratings. Dies hätte nicht nur Folgen für den US-Haushalt, sondern auch für dessen Finanzierer in aller Welt, nicht zuletzt für die deutschen Pfandbriefbanken. Eine staatliche Rettungsaktion der beiden Banken können die Vereinigten Staaten jedoch nur mittels massiver Staatsverschuldung stemmen, die aber schon heute über neun Billionen US-Dollar beträgt.

Besonders erschreckend ist, wie wirkungslos die milliardenschweren Staatshilfen für das Hypotheken-Doppelgestirn verpuffen. Wundern kann dies freilich nicht, denn im Epizentrum der Krise rumort es weiter und heftiger denn je. Erst in diesem Sommer dürfte das Subprime-Debakel seinen Höhepunkt erreichen, wenn beim Großteil der mit günstigen Lockkonditionen versehenen Baufinanzierungen die Zinsanpassung ins Haus steht. Dabei haben die Erschütterungen schon längst die Prime-Hypotheken - und damit deren Garanten Fannie Mae und Freddie Mac - erreicht. Der Druck kommt einerseits von den zunehmenden Zwangsverkäufen, die auf die Immobilienpreise drücken und die Sicherheiten der Hypothekarkredite entwerten, andererseits verstärkt eine US-amerikanische Spezialität die Bankenkrise: Weil die Baufinanzierungen reine Objektbeleihungen sind, können die Häuser "strafzinsfrei" zusammen mit dem Kredit an die finanzierende Bank übergeben werden. Diese Möglichkeit nutzen derzeit noch solvente Hausbesitzer, um ihr altes Heim gegen eine neue, bessere und vor allem günstig zu erwerbende Wohnung einzutauschen. Damit geraten auch die solidesten Baufinanzierer unter Druck.

Angesichts dieses amerikanischen Häuserk(r)ampfes ist die Solidität der hiesigen Finanzierungskultur nicht hoch genug einzuschätzen. Beleihungswert, Festzins, Pfandbrief und Bausparen sind die wesentlichen Fundamente im deutschen Baufinanzierungsgeschäft. An diesen darf nicht ohne Not herumgeklempnert werden. Den als Innovation angepriesenen Forderungen nach Vollfinanzierungen und Abschaffung der Zinsbindung darf nicht nachgegeben werden. Denn beides ist hierzulande keine Neuheit, sie haben sich aber am Markt nicht durchgesetzt. Dass auch dem Gesetzgeber die Nachhaltigkeit und Sicherheit des Systems wichtig sind, zeigt die Vorsicht, mit der die Regelungen - zum einen den Pfandbrief, zum anderen den Kredithandel betreffend - modifiziert und ergänzt werden. Diese Behutsamkeit wäre auch bei der Wohnungsbauprämie wünschenswert gewesen. Deren erweiterte Zweckbindung schafft eben nicht jenen pädagogischen Anreiz zum langfristigen Zielsparen, der ursprünglich mit dieser Förderung verbunden wurde. Zudem stützt ein intakter Mietmarkt mit qualitativ guten Beständen zu bezahlbaren Preisen das hiesige System, denn damit ist Mieten eine Alternative zum Eigentum und umgekehrt. Um diese Ausgewogenheit zu wahren, braucht es die Förderung des Mietwohnungsbaus ebenso wie die Unterstützung für jene, die Eigentum erwerben. Vielleicht kann ein künftiger US-Präsident von den hiesigen Erfahrungen etwas mitnehmen, um Lösungen für die heimischen Probleme zu finden, die längst keine allein amerikanischen mehr sind. Roosevelt soll es einmal so formuliert haben: "Im Leben gibt es etwas Schlimmeres als keinen Erfolg zu haben: Das ist, nichts unternommen zu haben." L. H.

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