MIPIM Special

Internationale Bewertung institutioneller Immobilieninvestments

Wurde in der Immobilienwirtschaft vor zehn Jahren noch eine Internationalisierung der Immobilienmärkte auf europäischer wie auch globaler Ebene als Zukunftsvision prognostiziert, kann heute mit ausreichender Evidenz ein globaler institutioneller Immobilieninvestmentmarkt testiert werden. Zur Transparenz der internationalen Verflechtungen hat die Finanz- und Wirtschaftskrise sicherlich einiges beigetragen, auch wenn hier in den letzten Jahren (nicht unberechtigt) eher die negativen Folgeerscheinungen näher beleuchtet wurden.

Zwar hatten auch schon zuvor ausländische Investoren in Deutschland investiert und deutsche Investoren ihre Risikostreuung durch Investitionen außerhalb des deutschen Heimatmarktes erweitert. Heute kann man jedoch von einer eigenen Industrie sprechen, die nationale Immobilienmärkte mitprägt. Das Anlage suchende Kapital wird heute unabhängig von seiner Herkunft bewusst strategisch dort investiert, wo die Rahmenbedingungen am günstigsten erscheinen. So gilt beispielsweise Deutschland derzeit als einer der sichersten und stabilsten Investmentmärkte weltweit und steht dementsprechend bei vielen Investoren im Fokus.

Auch wenn sich das Investitionsvolumen grenzüberschreitender Immobilieninvestments wie auch die Zusammensetzung der Akteure im Laufe der letzten Jahre verändert hat, so ist der Anteil ausländischer Investoren weiterhin hoch. Diese Entwicklung ist sowohl auf deutscher wie auch auf europäischer und globaler Ebene zu beobachten.

Im Jahr 2011 wurden vier der fünf größten Immobilieninvestitionen in Deutschland (größer als 400 Millionen Euro) von ausländischen Investoren getätigt, wobei drei der Investoren ihren Hauptsitz außerhalb Europas haben. Zu den Investoren aus den Nicht-Euro-Ländern zählten insbesondere Dundee International REIT, Canada Pension Plan Investment Board oder TIAA-CREF.

Hinzu kamen die eher opportunistischen Immobilienfirmen wie beispielsweise Kenmore, Valad, Cerberus oder Develica bis hin zu den traditionellen institutionellen Investoren wie Prudential, Aviva, Scottish Widows und Standard Life. Die Offenen Immobilienfonds sind nach wie vor die dominierende Gruppe unter den deutschen Investoren, die auch im Ausland aktiv sind.1)

Was bedeutet das konkret für die Bewertung? Eine Internationalisierung der Immobilienmärkte erfordert auch eine Internationalisierung ihrer Organisation. Die zentrale Rolle von grenzüberschreitenden Investitionen hat weitreichende Konsequenzen für die Bewertungspraxis zur Folge gehabt. Um einen Vergleich zwischen den verschiedenen Märkten zu erleichtern, besteht eine erhöhte Nachfrage nach einheitlichen Begriffsdefinitionen und -standards sowie nach besseren Standards für die Leistungsmessung und -kontrolle. Hier steht jedoch schon lange kein ideologisch geführter Methodenstreit mehr im Vordergrund.

Internationalisierung und Harmonisierung

Bewertungsdienstleister mussten sich auf die zuvor genannten Veränderungen nicht nur einstellen, sondern diesen offensiv begegnen, indem sie neue Ansätze für Bewertungen von Immobilien über die Landesgrenzen hinaus eingeführt haben. Dies führt nun zunehmend dazu, dass die internationale Bewertungspraxis harmonisiert wird und eine vergleichbare Bewertungsmethodik entsteht.

Die Bewertungsanlässe sind vielfältig, überwiegend steht jedoch die transparente wiederkehrende Performancemessung für Anteilsinhaber im Vordergrund. Die Häufigkeit der Bewertung ergibt sich aus gesetzlichen Anforderungen (zum Beispiel Bilanzierungserfordernisse nach IFRS)2) wie auch selbstauferlegten Qualitätsstandards. In einigen Fällen bedeutet das sogar eine monatliche Aktualisierung der Bewertung, üblich sind jedoch quartalsweise oder halbjährliche Aktualisierungen.

Die folgenden Punkte sollten bei wiederkehrenden Bewertungen - international und damit auch national - berücksichtigt werden, um ein höheres Niveau an Bewertungskonsistenz aufzubauen und zu erhalten.

- Bewertungsregelmäßigkeit: Eine regelmäßige Aktualisierung der Bewertung ist insbesondere in Zeiten ungewöhnlicher Marktvolatilität wichtig. Die Art der Investoren und deren Zusammensetzung entscheiden dabei über die Häufigkeit der Bewertung, wobei der Trend zur quartalsweisen Bewertung geht. Die Rahmenverträge für die Bewertungen werden überwiegend für einen Zeitraum von ein bis drei Jahren abgeschlossen, um eine gewisse Konsistenz für diesen Zeitraum zu erreichen. Anschließend wird der Bewertungsdienstleister häufig durch einen Wettbewerber ersetzt.

- Bewertungsumfang: Grundsätzlich gibt es keine Erleichterungen im Umfang der Bewertungsaktualisierung, nur weil es sich um eine Wiederholung handelt. Bei der Erstbewertung sollte daher der volle Bewertungsumfang geleistet werden, um insbesondere Veränderungen des Bewertungsergebnisses zu vermeiden, die sich nicht aus dem Markt und/oder der Objektperformance ergeben, sondern ausschließlich auf unterschiedlichen Objektinformationsgrundlagen zwischen zwei verschiedenen Bewertungen basieren.

Aus Zeit- beziehungsweise Kostengründen wird der Umfang jedoch häufig in Hinsicht auf Besichtigungsumfang sowie Bewertungsberichtserstellung eingeschränkt. Besichtigungen werden dann beispielsweise auf reine Außenbesichtigungen eingeschränkt und/ oder die Häufigkeit reduziert. Sollten im Rahmen der Erstbewertung vollumfassende Bewertungsberichte erstellt und kontinuierlich jährlich aktualisiert werden, so genügt unterjährig oft eine Kurzversion des Bewertungsberichtes. Dabei stehen dann die wesentlichen Veränderungen zur Vorbewertung im Vordergrund.

In Immobilienfinanzierungsverträgen sind häufig ebenfalls regelmäßig wiederkehrende Bewertungen (in der Regel jährlich) vereinbart. Wichtig ist hierbei, dass die für den Zweck der Performancemessung erstellten Bewertungen im Bewertungsumfang nicht immer auch den Ansprüchen der finanzierenden Banken gerecht werden. Eine alleinige Erweiterung des Adressatenkreises ist daher oft nicht ausreichend, vielmehr sollte dann gleichzeitig auch ein Bewertungsumfang vereinbart werden, der auch die Ansprüche der Banken erfüllt.

- Bewertungsmethodik: Ein einheitlicher Ansatz innerhalb und zwischen den Fonds gewährleistet eine bessere Performanceanalyse und verbessert dadurch die Transparenz für die Investoren. Das beinhaltet über die objektspezifische Ableitung der Marktdaten (Marktmieten und Renditen) hinaus die Darstellung und Berücksichtigung von bewertungsrelevanten Informationen wie beispielsweise:

- Mietzinsveränderungen (Veränderungen durch Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln, Mietvertragsneuabschlüsse),

- nicht umlagefähige Nebenkosten (Kostenveränderungen durch veränderte Kostenumlagefähigkeit bei Neuvermietung) sowie weitere laufenden Kosten (zum Beispiel Erbbauzinsen),

- Kosten für Leerstände beziehungsweise wahrscheinliche Wiedervermietungskosten bei Mietvertragsauslauf (im Wesentlichen Mietausfall, Ausbaukosten, Maklerhonorar, Incentives),

- Erwerbsnebenkosten (insbesondere Veränderung der Grunderwerbssteuer),

- Kapitalaufwendungen (unter anderem Instandhaltungsstau, energetische Sanierungsmaßnahmen).

Im regelmäßigen Abgleichversuch allgemeiner, eher durchschnittlicher Bewertungsansätze mit den oft sehr spezifischen Ansätzen in den Businessplänen der Investoren besteht auch eines der größten Spannungsfelder. - Bewertungssoftware: Eine gemeinsame Bewertungsplattform gewährleistet eine bessere Transparenz und ermöglicht länderübergreifende Portfolioanalysen sowie Sensitivitätsszenarien. Idealerweise sollte die Plattform den Anforderungen des Kunden entsprechen - schließlich soll der Bewerter grundsätzlich das aggregierte Verhalten relevanter Marktakteure im Rahmen seiner Bewertung reflektieren und nicht umgekehrt.

Best Practice

Internationale Bewertungen sollten nach den Best Practice Standards des International Valuation Standards Council (IVSC) und der Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) erstellt werden, welche einen unabhängigen und transparenten Bewertungsprozess anstreben. Die inhaltliche Ausgestaltung der Standards unterscheidet sich nicht mehr wesentlich. Die beiden im europäischen Raum wesentlichen internationalen Bewertungsstandards3) enthalten beispielsweise eine einheitliche, international anerkannte Marktwertdefinition.

Diese beinhaltet grundsätzlich auch dasselbe Marktwertkonzept nach der in Deutschland im § 194 Baugesetzbuch normierten Marktwertdefinition. Bei richtiger Anwendung dieses Wertkonzeptes kann das Bewertungsergebnis grundsätzlich immer nur zum selben Marktwert führen - unabhängig davon, in welchem Land die Bewertung durchgeführt wird.

Bewertungsstandards sind als Qualitätsstandards der gutachterlichen Tätigkeit zu verstehen, sie sind notwendig, um gewissenhaft und verantwortungsbewusst zu arbeiten und eine Vergleichbarkeit herzustellen. Die RICS vertritt die Auffassung, dass eine Bewertung, die den RICS Valuation Standards entspricht, zugleich auch den International Valuation Standards der IVSC entspricht.4)

Die Bewertung von Immobilien sollte von Fachleuten mit den entsprechenden Fähigkeiten durchgeführt werden. Die Mitgliedschaft bei einer der internationalen professionellen Institutionen, wie der RICS oder dem IVSC, verpflichtet den Bewerter gleichzeitig, die Best Practice Standards einzuhalten. Die RICS arbeitet momentan an einer Verbesserung des internationalen Systems zur Überwachung der Einhaltung der RICS Valuation Standards. Dies beinhaltet unter anderem ein Registrierungssystem für alle als Bewerter praktizierenden Vollmitglieder der RICS (Valuer Registration Scheme, VRS)5).

Standardisierung

Die Einführung einer einheitlichen Bewertungsdokumentation unterstützt insbesondere Fondsmanager, Bewertungsveränderungen und deren Begründung nachzuvollziehen. Ebenso würde eine genauere Definition, was zum Beispiel eine "Yield" genau darstellt, helfen, eine verbesserte Transparenz bei Bewertungen zu erreichen, und zusätzlich den Vergleich von Liegenschaften auf dem Markt erleichtern.

Eine wachsende Internationalisierung bei Immobilieninvestments legt Unterschiede zwischen den Märkten in der Definition und der Begriffsbestimmung frei und erhöht den Druck für eine "gemeinsame Sprache", die auf allen Märkten angewendet werden kann. Zwar hat nicht jedes Land dieselben Grundvoraussetzungen, wie beispielsweise die Transparenz in Hinsicht auf rechtliche Gegebenheiten (zum Beispiel Führung eines Grundbuchs), trotzdem sind nahezu immer identische Fragestellungen im Bewertungsbericht zu beantworten.

In dem heute verstärkt prüfenden Marktumfeld stehen belastbare Bewertungen immer mehr im Fokus. Die aufgeführten Punkte bewirken insgesamt nicht nur eine erweiterte Transparenz und Harmonisierung der internationalen Bewertungspraxis, sie können auch zu einer verbesserten Genauigkeit der Bewertung beitragen.

Während die hoch entwickelte Bewertungsindustrie Großbritanniens traditionell eine hohe Genauigkeit der Bewertungsergebnisse in Hinsicht auf den tatsächlich realisierten Kaufpreis erzielen kann, gibt es in vielen anderen europäischen Ländern noch Handlungsbedarf. Häufig ist die Messbarkeit der Bewertungsgenauigkeit in diesen Ländern nur eingeschränkt möglich, genau in der eingeschränkten Transparenz beziehungsweise limitierten Anzahl von Vergleichstransaktionen die wesentliche Ursache der Ungenauigkeit liegt.

Zudem muss bei einer derartigen Analyse darauf geachtet werden, dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden. Die Definitionen von Kaufpreis und Marktwert unterscheiden sich im inhaltlichen Konzept genauso wie häufig die absoluten Zahlen. Das Bedürfnis nach konsistenten Bewertungssystemen und -prozessen steht also im engen Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach genaueren Bewertungsergebnissen.

Fußnoten

1) CBRE Germany, Research; Januar 2012.

2) International Financial Reporting Standards (IFRS), International Accounting Standards Board (IASB).

3) Valuation Practise in EMEA, CB Richard Ellis International Valuation Germany, April 2010.

4) Vergleiche Einleitung, Seite 2, Wertermittlungsstandards der RICS Deutsche Ausgabe, Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), Ausgabe 6, Stand 1. Januar 2008.

5) Siehe http://www.ricseurope.eu/en/registeredvaluers/; Januar 2012.

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