Leitartikel

Jubel, Jubel, Jubiläen

Dieser Tage gibt es einiges zu feiern. Zum Beispiel, dass das Bundesbauministerium den nunmehr schon "Zweiten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland" vorgelegt hat. Mehr als eine Bestandsaufnahme ist das freilich nicht. Wer Programmatisches erhofft hatte, darf enttäuscht sein. Auch um neue Erkenntnisse bemüht sich der Report zu wenig. Vielleicht liegt es auch daran, dass vielfach auf ältere Erhebungen zurückgegriffen werden musste. Es ist wohl ein ungewollter Fingerzeig, dass die Immobilien- und speziell die Wohnungswirtschaft im eigenen Interesse mehr Transparenz wagen sollte. Sonst besteht die Gefahr, dass auf dieser Basis politische Entscheidungen getroffen werden, die den aktuellen Entwicklungen nicht gerecht werden. Vieles haben die Bestandshalter bereits getan, um mehr Informationen zu erfassen, zusammenzutragen und aufzubereiten. Doch es darf, es muss wohl noch etwas mehr sein.

Es gibt aber derzeit durchaus Ereignisse, die wirklich zu feiern sind. Vor 120 Jahren - oder sogar noch mehr - hielt der Genossenschaftsgedanke in der Wohnungswirtschaft Einzug. Über fünf Millionen Menschen leben heute in Genossenschaftswohnungen, von denen es immerhin 2,1 Millionen in Deutschland gibt. Damit kommt diese Wohnform auf neun Prozent Marktanteil. Da ist es wohl gerechtfertigt, diese Idee stärker in die Welt hinauszutragen, fanden auch die Vereinten Nationen, als sie 2012 zum Jahr der Genossenschaften ausriefen. Selbst das Bundeskabinett erliegt dem Charme der Wohnungsgenossenschaftsidee und adelt die Unternehmen: "Die Identität von Eigentümer und Nutzer sowie das auf Dauer angelegte Nutzungsrecht an den genossenschaftlichen Wohnungen bieten Genossenschaftsmitgliedern besondere Vorteile. Mit diesen Eigenschaften bieten die Wohnungsgenossenschaften als Zwischenform sowohl zum selbst genutzten Wohneigentum als auch zum Wohnen zur Miete eine bewährte Alternative."

Doch es gibt noch weitere Jubilare: Das Wohnungsbauprämiengesetz ist 60. Was wären die Bausparkassen ohne dieses herrliche Vertriebsargument. Dabei ist es inzwischen weniger die Höhe der Zulage, die den Ausschlag gibt, in das Bausparen einzusteigen. Auch die Bedingungen, um in den Prämiengenuss zu kommen, sind eher unattraktiver geworden. Es ist vielmehr die staatliche Anerkennung, dass Bausparen ein geeignetes und deshalb von der öffentlichen Hand gefördertes Produkt ist, um Wohneigentum zu bilden. Jährlich 500 Millionen Euro wendet der Staat dafür auf. Und das Prädikat "Wohnungsbauprämie" zieht: Mehr als 30 Millionen Bausparverträge haben die Deutschen abgeschlossen. Freilich werden nicht alle prämienbeziehenden Bausparer eine Wohnung erwerben können. Doch was zählt, ist der "pädagogische Anreiz". "Zentrales Förderinstrument (...) bleibt auch zukünftig die Bausparprämie", verspricht deshalb auch die Bundesregierung im genannten Bericht ihres Bauministers.

Und noch eine Säule ihres Erfolgs dürfen die Bausparkassen feiern: Im November wird das Bausparkassengesetz 40 Jahre alt. In ihm sind nicht nur die Strukturen der Institute und ihre Aufsicht geregelt, sondern vor allem auch die zulässigen Geschäfte. Dass diese streng und klar begrenzt waren, hat manchen Bausparkassenvorstand in der Vergangenheit arg gezwickt. Doch heute sind die Institute froh, dass das Gesetz ihnen einige bittere Lehren ersparte. Und trotzdem bleiben der Reiz und der Drang, die rechtlichen Zäune etwas weiter nach außen zur verrücken. Nur zu gern würden einige Bausparkassen mehr Geschäftsmöglichkeiten wahrnehmen, das zweifellos bewährte Wissen der Kollektivsteuerung auf Bereiche jenseits des Bauens und Wohnens ausdehnen. Ob das klug ist?

Dann: Vor zehn Jahren startete der Stadtumbau Ost. Aufgelegt wurde das Programm seinerzeit, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und hohen Leerstandsquoten in der ostdeutschen Wohnungswirtschaft zu beseitigen und das Wohnen nachhaltig attraktiver zu machen. Seitdem haben Bund, Länder und Gemeinden insgesamt 2,7 Milliarden Euro dafür zur Verfügung gestellt und damit in 442 Kommunen mehr als 900 Projekte gefördert. Kombiniert mit der Altschuldenhilfe erwies sich das Programm als äußerst zielführend, denn inzwischen steigen auch in ostdeutschen Städten die Mieten und Grundstückspreise wieder.

Die Jubilare zeigen, vieles ist in den vergangenen Jahrzehnten wohnungsbaupolitisch richtig gemacht worden. Doch aktuelle Entwicklungen verlangen nach neuen Konzepten. So erzeugt die Stadtflucht einen neuen Wohnungsmangel. Wo finden Familien noch Wohnraum, wenn zunehmend Single-Wohnungen angeboten werden? Was nützt die Förderung des altersgerechten Umbaus, wenn die Alten sich die Mieten nicht mehr leisten können? Um nur ein paar Fragen zu stellen, auf die heute schon die Antworten gefunden werden müssen.

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