Recht und Steuern

Kein Wucher: Preis 78,9 Prozent über Wert

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hatte unter dem Aktenzeichen 4 O 92/10 zu entscheiden, wann ein Immobilienkaufvertrag wegen erheblicher Abweichung von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig ist. Dabei wurde festgestellt, dass der zwischen den streitenden Parteien vereinbarte Kaufpreis von umgerechnet rund 65 500 Euro den Wert der Wohnung um umgerechnet 36 000 Euro, und damit um 78,9 Prozent, überstieg.

Trotzdem sei der Vertrag, so das Urteil, nicht gemäß § 138 II BGB wegen Wuchers nichtig. Denn die subjektiven Voraussetzungen des Wuchers, dass nämlich der Wucherer die beim Vertragspartner bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausgenutzt habe, sei im zu verhandelnden Fall nicht ersichtlich gewesen.

Gegenseitige Verträge könnten allerdings, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 II BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt sei, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 I BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis bestehe und mindestens ein weiterer Umstand hinzukomme, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lasse.

Dies sei insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten sei, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen habe, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen habe.

Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, hiervon sei bereits davon auszugehen, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch sei wie der Wert der Gegenleistung, so lasse dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu. Die hieran anknüpfende Schlussfolgerung leite sich aus dem Erfahrungssatz her, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not - und nicht ohne einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand - zugestanden werden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt.

Ein besonders grobes Missverhältnis hat das Brandenburgische Oberlandesgericht zwischen Leistung und Gegenleistung indes nicht festgestellt. Zwar übersteige der Kaufpreis den Wert der Wohnung deutlich, doch seien damit noch nicht die Voraussetzungen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts gegeben.

Der Leitsatz der Entscheidung des brandenburgischen Oberlandesgerichts lautete deshalb: Bei Grundstücksgeschäften liegt ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten und damit die Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit des Geschäftes gemäß § 138 BGB zulässt, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung.(IVD Süd)

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