Kirche und Immobilien

Möglichkeiten des Erhalts von Kirchengebäuden

Bei der Diskussion um Umwidmung und Abriss von Kirchen steht sehr schnell die Frage im Raum: "Wie viele Kirchen sind nötig?" Immer wieder kursieren eher zweifelhafte Zahlen, zum Beispiel dass in den nächsten Jahren gar "über 30 Prozent" der Kirchen aufgegeben werden müssten.

Zur aktuellen Situation

Halten wir uns zunächst an die Fakten: Die evangelische Kirche in Deutschland besitzt zirka 75 000 Gebäude, davon sind knapp 21 000 Kirchen (Zahlen auf Basis der Erhebung von 1994). Die Mehrzahl der Kirchengebäude steht unter Denkmalschutz. Davon wiederum allein 8 000 in den an Kirchen reichen, aber mitgliederschwachen östlichen Bundesländern.

Allein in der Kirchenprovinz Sachsen, einer Landeskirche, die den Großteil des Bundeslandes Sachsen-Anhalts ausmacht, gibt es von 2 300 Kirchen mehr als 1 500, die vor 1500 gebaut wurden. Diese Landeskirche hat aber nur 510 000 Mitglieder - alleine dieses Verhältnis deutet bereits die Schwierigkeiten an, die in der Erhaltung der Kirchen liegen.

Dieses Problem ist aber für die Kirchenprovinz nicht neu: Während der Zeit der DDR konnte man aus anderen Gründen unmöglich alle Kirchen erhalten. So bildete man Kategorien:

- In der ersten Kategorie fasste man unbedingt zu erhaltende Kirchen zusammen,

- in der zweiten Kirchen, die man gerne erhalten wollte, wenn man die Ressourcen noch auftreiben könnte und

- in der letzten Kategorie waren Kirchen, die man wegen fehlender Ressourcen aufgeben wollte.

Es zeigte sich folgendes Phänomen:

Kaum war bekannt geworden, dass eine Kirche in die letzte Kategorie fallen sollte, setzte ein Sturm der Entrüstung ein. Dörfer machten mobil, dass "ihre" Kirche auf jeden Fall erhalten bleiben sollte. Ein Dorf ohne Kirche war einfach nicht vorstellbar. Oft waren es viele dieser Kirchen, die gleich nach 1990 als Allererste wieder hergestellt worden sind.

Brauchen wir noch alle Kirchen? Können wir noch alle bezahlen? Wie viele Kirchen sind nötig? Das lässt sich nicht rational beantworten. Kirchen sind keine Fabriken oder Konzertsäle. Sie sind in Jahrhunderten entstanden und Teil unseres kulturellen Erbes. Es lässt sich ökonomisch voraussagen, dass die Finanzierbarkeit bei einer - infolge der bekannten demografischen Entwicklung in Deutschland - sinkenden Mitgliederzahl nicht einfacher werden wird. Dabei zeigt sich, dass die Identifikation der Gemeinden der politischen wie der kirchlichen - mit "ihrer" Kirche und die Bereitschaft, sich mit "Hand- und Spanndiensten" oder mit Spenden an der Erhaltung der Kirche vor Ort einzubringen, zunimmt (sehen wir einmal von mancher Betonkirche der sechziger Jahre ab). Deswegen wird die wirkliche Aufgabe und der tatsächliche Verkauf von Kirchen keine großen Dimensionen erreichen - wahrscheinlich nicht einmal 1 000 Kirchgebäude.

Bürgerengagement fördern Um diesen Moment des Engagements vor Ort zu fördern, hat die Evangelische Kirche in Deutschland und die Landeskirchen vor zehn Jahren die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung Ki Ba) gegründet. Diese konnte bisher über 330 Projekte mit über 5,7 Millionen Euro fördern. Im Jahr 2007 werden es über 100 Projekte mit einer Gesamtfördersumme von über 2,2 Millionen Euro sein. Durch diese Förderung werden zusätzliche Drittmittel im Verhältnis 1:10 ermöglicht - die Einrichtung einer eigenen Stiftung für den Erhalt der Kirchen zeigt sich als Erfolgsmodell kirchlicher finanzieller Planungen: Es sind die Menschen vor Ort, die sich für ihre Kirche engagieren.

Zwar kennt die evangelische Kirche theologisch keine "Heiligen Räume", trotzdem kommt den Kirchen als Stätten jahrhundertelangen Gebets eine ganz besondere Bedeutung zu. Menschen identifizieren sich mit "ihrer" Kirche, sind in dieser Kirche getauft, konfirmiert und getraut. Eine nicht sachgerechte Umnutzung kann zu einem Identitätsverlust führen - wer will in der Kirche, in der er einst getraut wurde, morgen eine Diskothek vorfinden? Man spricht deswegen von der Eindeutigkeit der Nutzung, der "Lesbarkeit".

Darum steht nicht die Aufgabe oder Umnutzung von Kirchen im Vordergrund der Überlegungen, sondern die Nutzenserweiterung. Wie kann man Kirchengebäude - auch baulich - so in den Stand setzen, dass sie für viele, aber "kirchengemäße" Zwecke genutzt werden können? Dazu zählen Bürgerversammlungsräume ebenso wie Bibliotheken, Nutzung durch Konzerte, Theater oder Kleinkunst. Verkauf oder Abriss ist die Ultima Ratio. Aber vorher muss man alle Möglichkeiten prüfen, denn eine Frage muss immer zuvor beantwortet werden: Haben wir das Recht, das Erbe, welches wir übernommen haben, wegen finanziellen Fragen, auf die wir heute keine Antwort haben, unseren Nachkommen vorzuenthalten?

Es gibt starke Stimmen, die in solchen Fällen einfach eine Notsicherung vorschlagen. So kann selbst eine notgesicherte Kirchenruine zur Bewahrung beitragen und noch als "Denkmal" zur Erinnerung dienen, dass der Mensch letztlich nicht über alles verfügen kann.

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