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Pflicht zum Einbau einer digitalen Funkanlage

Der Aufbau des bundesweiten Digitalfunknetzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) schreitet voran. In einigen Städten und Regionen ist es bereits in Betrieb. Die zuständige Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) geht davon aus, dass der Netzaufbau "zeitlich gestaffelt in 45 geografischen Netzabschnitten im Wesentlichen bis Ende 2014" abgeschlossen sein wird. Dieses digitale Funknetz, landläufig auch "Polizeifunk" genannt und nicht zu verwechseln mit den kommerziellen Mobilfunknetzen (D1, D2, E-Plus, O2) löst die vorhandenen analogen BOS-Funknetze ab, weil diese den Anforderungen an eine moderne und vor allem sichere Kommunikation der Einsatz- und Rettungskräfte nicht mehr genügen.

Eigentümer rechtlich in der Pflicht

Selbstverständlich müssen die Sicherheits- und Rettungskräfte wie Polizei, Feuerwehr, DRK, THW et cetera das bundesweite digitale Sprech- und Datenfunksystem auch in Gebäuden, Bauwerken, Tunneln und sonstigen Objekten nutzen können. Hier beginnt das Thema für Immobilienbesitzer oder deren Beauftrage rechtlich bedeutsam zu werden. Denn die neue bundesweite Netzinfrastruktur, die derzeit für die BOS aufgebaut wird, ist nicht in allen Immobilien funktionstüchtig. Zwar kann in zahlreichen Immobilien bereits durch die Funkversorgung im freien Feld die Gebäudeinnenversorgung mit sichergestellt werden. Doch je nach Gebäudebeschaffenheit (Stahlbeton, metallbedampfte Fenster und so weiter) und Entfernung zur nächsten Basisstation wird die Versorgung von außen das Gebäude nicht hinreichend abdecken.

Aber nicht der Betreiber des BOS-Netzes, also die Bundesrepublik Deutschland, steht in der Pflicht, für eine funktionsfähige Funkversorgung in Gebäuden zu sorgen, sondern die Eigentümer oder Betreiber der Gebäude. Die Gewährleistung einer umfassenden Funkversorgung innerhalb von Gebäuden und Objekten (der Fachbegriff lautet "Objektversorgung") liegt aus verschiedenen Gründen (Brandschutz, Sicherheit und weitergehende Aspekte) bei ihnen. Die Inhaber und Betreiber der Objekte, also auch Immobilienbesitzer oder deren Beauftragte, müssen die Objektversorgung selber angehen.

Eine Frage der öffentlichen Sicherheit

Eine mangelnde Funkversorgung gerade auch in öffentlichen Gebäuden mit hohem Personenaufkommen stellt eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Man stelle sich nur vor, eine hochfrequentierte Immobilie, zum Beispiel eine Einkaufspassage, eine Konzert- oder Messehalle geriete in Brand und die heranrückende Feuerwehr hätte keine Funkversorgung im Gebäude. Die Feuerwehr hätte das Recht, den Einsatz zu verweigern. Deshalb ist die Rechtsgrundlage zur Forderung nach Errichtung einer Objektfunkanlage vor allem im vorbeugenden Brandschutz zu finden - auch wenn alle BOS das Netz nutzen sollen.

Rechtliche Vorgaben und Bedingungen

Der "Leitfaden zur Planung und Realisierung von Objektversorgungen (L-OV)" für das digitale Sprech- und Datenfunksystem für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) in der Bundesrepublik Deutschland" beschreibt die rechtlichen Vorgaben und Bedingungen für die Objektversorgung sowie die Anforderungen an die technische Umsetzung. "Die Funkversorgung in Objekten ist eine sicherheitsrelevante Forderung von Feuerwehren, Polizei und Rettungskräften." Zwar reiche in kleineren Gebäuden eine Versorgung durch die außen liegende Funkanlage aus. Doch größere Objekte benötigten eine sehr komplexe Funkanlage, "die den Digitalfunk im gesamten Innenbereich verteilt". Die Funkanlage sei nach ihrer Fertigstellung den BOS zur Nutzung zu überlassen. "Die Kosten der Beschaffung, Installation und Unterhaltung der Funkanlagen trägt jedoch der jeweilige Bauherr beziehungsweise Eigentümer des Objekts", heißt es unmissverständlich.

Bauordnungen der Bundesländer wichtig

Über die allgemeinen Leitlinien der BDBOS hinaus existieren in den Bundesländern und Kommunen Richtlinien, Regelungen und Konzepte zur Objektversorgung, die bei Planung, Genehmigung und Errichtung von Objektfunkanlagen berücksichtigt werden müssen. Wichtige gesetzliche Regelungen zur Objektversorgung liefern vor allem die verschiedenen Bauordnungen der Bundesländer. Beispielsweise sehen die Bauordnungen vor, dass innerhalb von Baugenehmigungsverfahren für sogenannte Sonderbauten (Einkaufszentren, Sportstadien et cetera) besondere Auflagen zur Gewährleistung eines ausreichenden Brandschutzes gemacht werden können. Zu diesen besonderen Auflagen kann auch die Gewährleistung einer digitalen Funkversorgung für die Feuerwehr in und um das Gebäude herum zählen.

Die zuständigen Bauordnungsämter müssen bei der Bearbeitung der Baugenehmigungsanträge beachten, welche technischen Anforderungen eine Objektfunkanlage zu erfüllen hat und welche baulichen Maßnahmen für die Installation der Anlage ergriffen werden müssen. Dies wiederum ergibt sich aus entsprechenden Richtlinien und Rahmenempfehlungen der zuständigen BOS. Darüber hinaus existieren für bestimmte Objektkategorien spezifische Vorgaben zur Gestaltung der Objektversorgung. Zu diesen speziellen Vorschriften für bestimmte bauliche Anlagen zählen unter anderem Versammlungsstättenverordnungen (VStattVO), Sonderbauverordnungen (SonderbauVO), Brandschutzgesetze (jeweiliges Landesrecht).

Technisches Konzept für die Objektfunkversorgung

Zu Beginn der Realisierung einer Anlage zur Objektversorgung im digitalen BOS-Funknetz steht die Analyse der Ausgangslage; ihr folgen die Ausarbeitung des Konzeptes und die technische Umsetzung. Die Anforderungen an die Objektversorgung sind oftmals schon in der Baubeschreibung beziehungsweise Baugenehmigung enthalten. Messtechnikexperten können feststellen, ob die bestehende Gebäudeinnenversorgung bereits durch die Freifeldfunkversorgung von außen sichergestellt wird. Die Versorgung aus dem Freifeld reicht dann aus, wenn in 96 Prozent des Gebäudes funktechnisch versorgt werden kann. In diesem Fall wären keine weiteren Installationen im Gebäude nötig.

Wenn die notwendige Funkversorgung im Gebäude nicht vorhanden ist, startet die technische Planung mit dementsprechenden Messungen oder Ausbreitungsmodellen für die Objektfunkversorgung. Danach müssen Funkfrequenzen bei der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) beantragt und geeignete Lösungen zur Anbindung an das digitale BOS-Funknetz gesucht werden. Nach Installation, Prüfung, Abschlussmessung, Dokumentation und Abnahme nimmt ein unabhängiger Sachverständiger die Installation der Objektfunkanlage baurechtlich ab. Den anschließenden Praxistest übernimmt die Feuerwehr.

Migration von Analog- zu Digitalfunk

Für Planung, Aufbau und Wartung einer Objektfunkanlage stehen zertifizierte Planungsunternehmen zur Verfügung. Diese können Bauherren durch alle technische Verfahrensschritte und die Frequenzbeantragung bei der BNetzA begleiten.

Bei der Objektversorgung für den digitalen BOS-Funk muss das Rad nicht überall neu erfunden werden: Schließlich verfügen zahlreiche, gerade auch strategisch wichtige Objekte bereits heute über eine Funkversorgung für den analogen BOS-Funk, der vom digitalen BOS-Funk abgelöst wird. Für diese Objekte bedarf es eines technischen Konzeptes für die Umwandlung (Fachterminus: "Migration") einer analogen in eine digitale Inhouse-Netzstruktur. Wo bereits eine analoge Objektfunkversorgung installiert ist, können zur Migration in den Digitalfunk vorhandene analoge Komponenten genutzt werden. Um den Betreibern und Inhabern der Gebäude eine möglichst kosteneffiziente Digitalfunkversorgung zu bieten, sollten nach detaillierter Prüfung möglichst viele Komponenten des Analogfunks auch für den Digitalfunk genutzt werden.

Während der Migrationsphase vom analogen in den digitalen Funkbetrieb ist ein Parallelbetrieb möglich. Hierbei kommt es darauf an, dass möglichst viele vorhandene Elemente im Parallelbetrieb effizient eingesetzt werden. Eine Unterbrechung der für die Objektsicherheit so wichtigen Funkversorgung ist somit nicht erforderlich. Nach Abschluss der Migrationsphase sollten dann diejenigen Elemente der alten analogen Systemtechnik, die im digitalen System nicht mehr genutzt werden können, effizient demontiert werden.

Das richtige Timing

Bei Um- und Neubauten ist die strategische Einbindung der Funkversorgung in den Bauprozess (Stichwort: Verkabelung) dringend zu empfehlen. Dabei kommt es nicht zuletzt auf das Timing an. Der Ausbau des Gebäudes muss soweit fortgeschritten sein, dass die Funkmessung im Gebäude einen realistischen Ist-Wert ergibt; gleichzeitig darf der Ausbau nicht soweit fortgeschritten sein, dass die Installation der Funkanlage und dessen Antennensystem unnötige Mehrkosten verursacht, weil zum Beispiel vorhandene Leitungsschächte nicht mehr mitgenutzt werden können.

Erste Anlagen in Betrieb

Erste Objektfunkanlagen im digitalen BOS-Funknetz haben ihren Betrieb aufgenommen. So sind in Berlin bereits über 70 Objekte, darunter das Berliner Olympiastadion, der Deutsche Bundestag, mehrere Verwaltungsgebäude, Hotelbauten und Einkaufszentren sowie in Baden-Württemberg ein Bundesstraßentunnel versorgt. In Hamburg können Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienst den BOS-Digitalfunk auch in den insgesamt zirka 40 Kilometer langen Tunnelanlagen, in den U-Bahnhöfen und in den fahrenden U-Bahn-Zügen nutzen. Doch angesichts des von der BDBOS genannten Zeitpunkts für den weitgehenden Abschluss des Netzaufbaus bleibt in relativ kurzer Zeit viel zu tun. Von einer flächendeckenden digitalen BOS-Funkversorgung zumindest der strategisch bedeutsamsten Immobilien, die von sehr vielen Menschen frequentiert werden, sind wir in Deutschland noch weit entfernt.

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