Kirche und Immobilien

Potenziale kirchlicher Immobilien - Transparenz als Chance

Ecclesia semper reformanda - "die immer der Reform bedürftige Kirche" befindet sich in einem ständigen Wandel und bedarf immer wieder der Erneuerung. Trotz dieses Wandels haben die beiden großen Kirchen in Deutschland noch immer eine nicht unbedeutende Größe. Nahezu zwei Drittel der Bevölkerung

Deutschlands sind Kirchenmitglieder. Laut Statistik gehörten im Jahr 2007 annähernd 25,5 Millionen Bürger zur römischkatholischen Kirche und 24,8 Millionen zu den 23 evangelischen Landeskirchen.

Gebäudebestand

Die Kirchen trifft jedoch nun stark die demografische Entwicklung, was sich durch sinkende Gemeindemitgliederzahlen zeigt. Bis zum Jahr 2040 wird die Zahl der Kirchenmitglieder um rund 20 Prozent zurückgehen. Die Zahl der erwerbsfähigen und damit Kirchensteuer zahlenden Mitglieder geht um etwa 30 Prozent zurück. Bereits in den vergangenen Jahren lag der Ressourcenverzehr im Finanzbereich bei 39,2 Prozent. Darauf muss die Kirche reagieren. Im Hinblick auf die finanzielle und demografische Entwicklung sind jetzt nachhaltig wirkende Veränderungskonzepte notwendig, die letztlich auch Auswirkungen auf den kirchlichen Immobilienbestand haben werden.

Die Kirchen verfügen zur Erfüllung der kirchlichen Aufgaben über einen umfangreichen historisch gewachsenen Immobilienbestand. Dieser heterogene Gebäudebestand mit den vielen denkmalgeschützten Objekten bereitet den Kirchengemeinden bei den zurückgehenden Finanzmitteln zunehmend große Schwierigkeiten. So verfügen die beiden großen Kirchen über einen Immobilienbestand von über 150 000 Gebäuden, wovon rund 45 000 Kirchen/Gotteshäuser sind. Zwischen 1990 und 2005 wurde bei etwa 1,7 Prozent der Kirchengebäude in den deutschen (Erz-)Bistümern die liturgische Nutzung beendet. Davon ist der größte Teil (zirka 1,3 Prozent) im Eigentum der römisch-katholischen Kirche geblieben und steht in kirchlicher oder fremder Nutzung beziehungsweise ist noch ohne Nutzungskonzept. Der Rest (0,4 Prozent) ist verkauft oder abgerissen worden. Bei den Evangelischen Landeskirchen der EKD ergibt sich ein ähnliches Bild.

Heute erfordert der Gebäudebestand einen ständigen Handlungsbedarf: Erhaltung, Sanierung und Betrieb besonders der denkmalgeschützten Bauwerke verursachen erhebliche Kosten, die an den Gesamtausgaben mit rund elf Prozent, das heißt mit über zwei Milliarden Euro jährlich zu Buche schlagen. Es zeichnet sich immer stärker ab, dass künftig nicht alle Kirchen angesichts steigender Kosten und sinkender Mitgliederzahlen ihre Gebäude in diesem Umfang auf Dauer unterhalten werden können.

Potenzial kirchlicher Immobilien

Dem zurückliegenden finanziellen Ressourcenverzehr von nahezu 40 Prozent stehen bisher lediglich Gebäudenutzungsänderungen in einer Größenordnung von 1,4 Prozent gegenüber. Unter Beachtung der vorliegenden Mitgliederprognosen müssen sich die Kirchen dringend der Herausforderung stellen, ihren Gebäudebestand auf noch finanzierbare, bedarfsgerechte, wirtschaftliche und qualitätsvolle Objekte mit hinreichender Symbol- und Identifikationskraft zu reduzieren. Hier steckt für die Zukunft ein Potenzial im kirchlichen Immobilienbestand, den es gilt, weiter umzunutzen oder bedarfsgerecht anzupassen.

Wer voller Aktionismus nur an Kürzungen, Streichungen und an die Verwertung von Immobilien geht, wird den Strukturprozess am Ende nicht erfolgreich durchgeführt haben. Vor jeder Entscheidung über die Verwertung von Immobilien hat die Gemeinde daher zunächst auch die inhaltlichen Aufgaben zu lösen. Erstens muss das zukünftige Gemeindeprofil 20xx entwickelt werden, um dann zweitens festzustellen, welche Immobilien die Gemeinde dafür braucht und drittens muss natürlich auch festgestellt werden, ob die Gemeinde sich die notwendige Immobilie finanziell leisten kann. Das ist die Frage: Welches Gemeindeprofil will sie im Jahr 20xx erreichen und welche Schwerpunkte möchte sie setzen? Wichtig ist: Keine Gebäudestrategie ohne Gemeindestrategie.

Das kirchliche Immobilienmanagement wirkt in einer komplexen und heterogenen Struktur. Die Immobilienfrage lautet: Was braucht die Kirche tatsächlich an Immobilien, um bei der veränderten Mitglieder- und Finanzentwicklung den unmittelbaren kirchlichen Auftrag nachhaltig erfüllen zu können? Patentrezepte für eine erfolgreiche Haushaltskonsolidierung gibt es auch bei der Kirche nicht, Maßnahmen sind vielfach von den örtlichen Ausgangssituationen abhängig. Doch es gibt übertragbare Strategien und Werkzeuge, um den Prozess zielorientiert und effektiv umzusetzen.

Ein Werkzeug, das die badische Landeskirche erfolgreich einsetzt, ist eine landeskirchenweite Datenbank (Fundus), die Grundstücke und Gebäude, Nutzungsdaten, Kosten und Verbräuche automatisch miteinander verknüpft. Dieses immobilienbezogene Informationssystem ist mit den anderen kirchlichen Informationen (Buchhaltung, Gemeindeentwicklung, Finanzentwicklung, Instandhaltungsstrategie) verbunden, um die Ausarbeitung strategischer Optionen hinsichtlich der Immobilien für ein Haushaltssicherungskonzept möglich zu machen. Gelungen ist damit eine integrierte Softwareplattform als Verbundlösung mit automatisiertem Datenaustausch.

Die Entscheidungsprozesse werden dadurch erleichtert und mit dem Datenmodul "Ad-hoc-Abfragen" werden flexible Auswertungen erzeugt, die die Kosten- und Nutzungsstruktur transparent darstellen und Antworten auf eine Vielzahl von Fragestellungen liefern. Mit Hilfe dieses einfach erzeugten FM-Kennzahlensystems lassen sich Kostensenkungspotenziale identifizieren, versteckte Kosten aufspüren und Einsparungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung umsetzen. Zehn Schritte zum erfolgreichen kirchlichen Immobilienmanagement:

1. Beachtung der finanziellen Ausgangssituation. Der Gebäudebestand bindet einen Großteil der finanziellen Ressourcen der Kirchengemeinden. Finanz- und Mitgliederprognosen sind in alle Bau- und Investitionsentscheidungen einzubinden.

2. Frühzeitige Fragenstellung in Entscheidungsgremien. Welches Gebäude gilt es zu erhalten? Was kostet das jeweilige Gebäude? Wie erhält man die notwendige Transparenz?

3. Einführung eines Ressourcenverbrauchskonzeptes. Für Entscheidungsgremien ist es wichtig, dass die tatsächlichen Gebäudekosten transparent abgebildet werden. Hierzu ist es notwendig, die Gebäudekosten und den Wertverzehr der Gebäude vollständig darzustellen. Im laufenden Haushalt muss dieser Wertverzehr der Gebäude (Ressourcenverbrauch) erwirtschaftet werden. Die Mittel zur erforderlichen Instandhaltung müssen zum rechten Zeitpunkt (Liquiditätsplanung) bereitstehen.

4. Wechsel des Buchführungssystems. Mit der bisherigen Kameralistik ist die Einführung des Ressourcenverbrauchskonzeptes nicht möglich. Bei der Auswahl der Buchführung ist deutlich geworden, dass die Ziele des künftigen Haushalts- und Rechnungswesens sowohl mit Hilfe einer erweiterten (Be-triebs-)Kameralistik, als auch mit der doppelten Buchführung umzusetzen sind.

5. Erfordernis zur Rücklagenbildung. Um dem Wertverlust der Gebäude durch Wertverzehr und Instandhaltungsrückstau vorzubeugen, müssen finanzielle Mittel zum richtigen Zeitpunkt bereitgestellt werden. Der mit der Nutzung einhergehende Ressourcenverbrauch muss fortlaufend erwirtschaftet werden. Dies bedeutet für die Haushaltswirtschaft die Bewirtschaftung des Vermögens im Einklang mit dem kirchlichen Auftrag, die vollständige Erfassung und Bewertung des Vermögens und der Schulden, die Erwirtschaftung des Ressourcenverbrauchs durch Zuführung der Abschreibung an die Substanzerhaltungsrücklage. Nicht erwirtschaftete Abschreibungen sind als Sonderposten zu passivieren und führen zu "Ansprüchen an die künftige Hauswirtschaft".

6. Aufbau einer Liegenschafts- und Gebäude-Datenbank. Bis vor wenigen Jahren hatten die meisten Landeskirchen und Bistümer keinen Überblick über den vorhandenen Gebäudebestand. Zwischenzeitlich haben die Kirchen diesen Mangel aufgegriffen und sind dabei, eine Datenbankstruktur aufzubauen.

7. Portfolioanalyse als Instrument und Strategie. Portfolioanalyse bedeutet die Entwicklung von der Einzelbetrachtung zur Gesamtbetrachtung sowie von der kurzfristigen Planung zur langfristigen Strategie. Portfolioanalyse hilft, um strategische Entscheidungen den Gremien qualifiziert und quantifiziert unterlegen zu können und transparent und nachvollziehbar zu machen.

8. Gebäudestrukturanalyse. Mit Hilfe der Gebäudestrukturanalyse werden die Gebäude strukturell bewertet und aus den gewonnenen Erkenntnissen werden Optimierungsszenarien erarbeitet, Maßnahmen ausgewählt und umgesetzt. Die Gebäudestrukturanalyse erfolgt in sieben Schritten - Grundlagen, Immobilien-Bedarfsermittlung, Erfassung des Gebäudebestands, Bewertung, Optimierungsszenarien, Maßnahmenauswahl sowie Umsetzung/Weiterführung.

9. Gebäudekennzahlen. Sie führen letztlich zu der erforderlichen Transparenz vor Ort sowohl bei den Entscheidungsgremien wie auch gegenüber den Mitgliedern. Gebäudekennzahlen werden in Baden automatisch aus der Gebäudedatenbank Fundus generiert. Eine Portfoliomatrix abgeleitet aus den Gebäudekennzahlen führt dann zu den für die Entscheidungsfindung erforderlichen Erkenntnissen.

10. Widerstände sind beim Veränderungsprozess einzuplanen. Betroffene müssen zu Beteiligten gemacht werden. Veränderungen dürfen auch bei ihrer Umsetzung nur mit den Menschen und nicht gegen sie durchgeführt werden. Folgen sind vorzeitig abzuschätzen und Ursache und Wirkung müssen transparent gemacht werden. Im Prozess ist die Sach- und Beziehungsebene stets zu beachten und zu würdigen. Theologisch-seelsorgerliche Aspekte sind als integraler Teil der Aufgabe zu begreifen.

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