Neues vom Pfandbrief

Qualität hat ihren Preis

Erholt und entspannt präsentiert sich der europäische Covered-Bond-Markt derzeit beileibe nicht, wohl aber der Präsident des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp), Jan Bettink. Als er dieser Tage die Verbandsbilanz für das Jahr 2011 und den Ausblick auf 2012 vorstellte, gab er sich angesichts der Probleme im internationalen Finanzsystem bemerkenswert gelassen. Fatalismus liegt ihm freilich fern. Vielmehr wirkte wohl der gerade beendete Urlaub nach eigenem Bekunden noch als Stimmungsaufheller nach. Folglich sieht der Präsident weder Weltwirtschaft noch Staaten von einer Krise in die nächste stolpern, sondern kann allenfalls einen überfälligen Strukturwandel ausmachen. Das meint zwar auch nichts anderes, doch wird der Eindruck erweckt, dass der Prozess aktiv, zielgerichtet und aus eigenem Antrieb gestaltet und vorangebracht werden könne.

Allerdings muss Bettink zugeben, dass auch die Pfandbriefbanken noch immer Getriebene sind. Basel III, Solvency II und EBA traktieren mit verschärften, teils konträren Anforderungen die Kreditwirtschaft und würden eine seriöse Geschäftsplanung erschweren. Hinzu kämen die nach wie vor großen Unsicherheiten am Kapitalmarkt. Nachdem bereits im Frühjahr 2011 ein Ende der Finanzmarktkrise nahe schien und die EZB schon wieder die Zinsen erhöhte, beendete das Drama um die hellenischen Staatsfinanzen die Hoffungen auf baldige Besserung. Seitdem belasten hohe Marktpreisschwankungen bei Staatsanleihen der Euro-Peripherieländer die Banken und beeinträchtigen zeitweise auch ihre Refinanzierung, speziell im unbesicherten Bereich.

Beschweren können sich die Pfandbriefbanken ansonsten kaum. Nach eigenem Bekunden geht es ihnen - von einzelnen Abwicklungsfällen abgesehen - vergleichsweise gut. Eine solide Konjunktur, eine stabile Arbeitsmarktlage und die hohe Immobiliennachfrage in Deutschland wirken sich positiv auf das Aktivgeschäft aus. Mit 89,8 Milliarden Euro wurde bei den Immobilienfinanzierungen das Vorjahr um 6,1 Prozent übertroffen. Dabei halten sich wohnwirtschaftliche und gewerbliche Kredite die Waage. Angesichts der Staatspleite Griechenlands und im Vorgriff auf die geplante Leverage Ratio ist der Rückgang bei neuen Staatskrediten von 44,2 Milliarden Euro um 33,3 Prozent auf 29,5 Milliarden Euro kaum verwunderlich. Flugzeugfinanzierungen lagen mit 2,3 Milliarden Euro um 3,3 Prozent über dem Vorjahresniveau, Schiffskredite mit 6,4 Milliarden Euro um 38,3 Prozent unter dem Wert von 2010.

Damit haben sich die Verhältnisse im Neugeschäft wieder umgekehrt. Vor zehn Jahren hatten Hypothekarkredite am Neugeschäft der Institute gerade mal noch einen Anteil von 34,4 Prozent. Im Jahr 2010 überstiegen Baufinanzierungen mit 54 Prozent erstmals wieder die Staatskredite und 2011 waren bereits 70 Prozent der Neuzusagen Immobiliendarlehen. Endlich besinnen sich die Institute wieder auf ihr originäres Geschäft als Immobilienfinanzierer - wenn auch erst unter regulatorischem Druck. Diese Entwicklung soll sich auch 2012 fortsetzen.

Das hat jedoch erhebliche Folgen für die Refinanzierung. Mit dem Pfandbrief gelingt es, einen erheblichen Teil des Geschäfts sehr günstig und verlässlich zu refinanzieren. Dabei färbt die stabile Wirtschafts- und Haushaltslage in Deutschland auch auf das Image der gedeckten Bankschuldverschreibungen ab.

Zwar wurden im vergangenen Jahr die Spreads deutscher Pfandbriefe von der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum mit nach oben gerissen, doch in wesentlich geringerem Ausmaß als Covered Bonds aus anderen europäischen Staaten. Das rechnet sich der Verband durchaus als Erfolg der eigenen Arbeit zu, die in erster Linie auf die Verbesserung der Produktqualität zielt.

Dabei befinden sich die Institute in einer durchaus ambivalenten Situation. Wegen der hohen gesetzlichen Standards ist der Pfandbrief für Emittenten und Investoren vergleichsweise teuer. Umgekehrt lassen sich niedrige Kupons und enge Spreads nur mit überdurchschnittlich hoher Qualität rechtfertigen. Entsprechend bemüht ist der Verband, möglichst viele Investorenwünsche zu erfüllen. Im Fokus steht derzeit vor allem die Markt- und Deckungsstocktransparenz.

Nachdem in den vergangenen Jahren mehrere Versuche scheiterten, das Market Making wiederzubeleben, lässt der Verband seit 9. Januar dieses Jahres die Pfandbriefspreads von 15 Investmentbanken börsentäglich mitteln, um Investoren ein Gefühl für einen fairen Marktpreis der Schuldverschreibungen zu geben. Die Initiative ist durchaus lobenswert, doch bezieht sie sich nur auf das schwindende Segment der Jumbo-Pfandbriefe, die nach Verbandsdefinition mindestens eine Milliarde Euro Volumen haben müssen. Längst gilt jedoch auch bei den Investoren Volumen nicht mehr als Maßstab oder gar Ausweis besonders hoher Liquidität. So sind deutsche Institute zuletzt weniger mit Jumbos am Primärmarkt aktiv geworden, sondern bevorzugen Benchmark-Emissionen mit geringerem Volumen. Darauf will der Verband in diesem Jahr reagieren, indem Pfandbriefe ab 500 Millionen Euro in die Sekundärmarkt-Transparenzinitiative einbezogen werden sollen.

Hinsichtlich der Deckungsstockqualität soll eine Novelle des Pfandbriefgesetzes die Publikationspflichten nach § 28 erweitern. Demnach werden künftig auch Zins- und Währungsrisiken im Deckungsstock abgebildet, gewichtete Durchschnitte des Alters von Forderungen angegeben, das Volumen EZB-fähiger Forderungen genannt, Restlaufzeiten von unter zwei Jahren nach halbjährlichen Fristenbändern aufgeschlüsselt und sonstige Deckungswerte genauer erklärt. Nicht ins Gesetz bringen kann der Verband die von Investoren gewünschte Bonitätsdifferenzierung für öffentliche Deckungswerte - vor allem bei deutschen Kommunalkrediten. Hier will der Verband in Eigeninitiative Informationen bereitstellen. Auch bei der Einschätzung des deutschen Immobilienmarktes soll den Investoren ein besseres Gefühl gegeben werden, indem der aus Finanzierungsdaten der Mitgliedsinstitute ermittelte Immobilienpreisindex, den es bislang für selbst genutztes Wohneigentum und Büroimmobilien gibt, um Mietwohnungen und Einzelhandelsimmobilien erweitert werden soll.

Mehr Transparenz und Qualität geht sicherlich immer, doch wenn weitgehend jedes Risiko aus den Pfandbriefen eliminiert wurde, welche Rendite sollen sie dann noch bieten? Dass der Pfandbrief in Schönheit stirbt, ist derzeit nicht zu befürchten. Im Gegenteil: Der Pfandbrief ist ein Gewinner der Krise, die aber, so müssen auch die Pfandbriefbanken hoffen, nicht ewig anhält. Wie gefragt werden dann hohe Sicherheit gepaart mit schwacher Rendite sein? Ein weiteres Problem: Die höhere Qualität der Pfandbriefe entwertet die ungedeckte Refinanzierung. Diese aber brauchen die Institute, einerseits um im Finanzierungsgeschäft wettbewerbsfähig zu bleiben und andererseits um die gestiegenen Überdeckungsanforderungen der Ratingagenturen zu erfüllen.

Dieser Realität kann sich auch der Verband nicht verweigern. So werden erstaunlich unaufgeregt geliebte Dogmen über Bord geworfen. Galten etwa Pfandbrief-Generika wie Structured Covered Bonds vor wenigen Jahren noch als Teufelszeug, wurden sie jüngst als sinnvolle Beimischung im Refinanzierungsmix der Banken gelobt. Als "Pfandbrief light" will der vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt die Nachahmer-Produkte dennoch nicht verstanden wissen. Vielmehr sieht er in ihnen ein Substitut für andere Formen der ungedeckten Refinanzierung, bei denen lediglich Strukturmerkmale des Pfandbriefs kopiert werden. Es sind also nicht nur Finanz- und Weltwirtschaft, die einen Wandel durchmachen. So entspannt und erholt, wie sich der Verbandspräsident gibt, sind die von ihm vertretenen Institute längst noch nicht. L. H.

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