Immobilien und IT

Technische Anforderungen im modernen Forderungsmanagement

Die andauernde Konjunkturschwäche beziehungsweise die Folgen aus der aktuellen Finanzmarktkrise haben zu einem Anstieg von Non-performing Loans (NPL) in der Finanzdienstleistungsbranche geführt. Weltweit ist der Handel mit notleidenden Krediten - teilweise gar mit staatlicher Unterstützung - längst etabliert. In Deutschland begann sich dieser Markt erst vor einigen Jahren zu entwickeln, obwohl die Kreditportfolios deutscher Banken ein großes Marktpotenzial darstellen. Im Hinblick auf die ansteigenden NPL-Volumen sowie die damit einhergehenden Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung sind die bestehenden technischen und prozessualen Rahmenbedingungen im Forderungsmanagement zu überprüfen.

Es ist abzusehen, dass sich die Organisation und die Leistungserstellungsprozesse der Finanzdienstleister immer mehr denjenigen moderner Industrieunternehmen angleichen werden. Kernkompetenz eines erfolgreichen Finanzdienstleisters der Zukunft wird die Fähigkeit sein, kundenspezifische Produkte rasch zu konzipieren, zu implementieren und auf den Markt zu bringen. Des Weiteren ist die Desintegration der Wertschöpfungsketten zu nutzen, sich weitgehend nach Geschäftsprozessen zu organisieren sowie unternehmensübergreifende Kooperationen im Dienstleistungsangebot und in Absatzkanälen eingehen zu können.

Rechtzeitig Voraussetzungen schaffen

Finanzdienstleistern ist zu empfehlen, rechtzeitig die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen zur Abwicklung des Forderungsmanagements zu schaffen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie ein Kreditinstitut mit notleidenden Forderungen umgehen kann:

- Zentrale Abwicklungsabteilung,

- Beitreibung über ein dem Finanzdienstleister zugehöriges Serviceunternehmen,

- Abgabe der Bearbeitung an einen externen Dienstleister (Outsourcing),

- Verkauf der notleidenden Forderungen.

Die Anforderung an eine effiziente Bearbeitung in Verbindung mit einer umfassenden Automatisierung hat kontinuierlich zugenommen und wird in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen. Gerade vor dem Hintergrund einer restriktiven Budgetpolitik sind sauber definierte Prozesse sowie eine flexible ITtechnische Unterstützung der Schlüssel zum Erfolg.

Schlanke Prozesse etablieren

Die wesentlichen Grundvoraussetzungen für die Automatisierung der Abläufe sind einheitlich strukturierte, schlanke Prozesse. Gleiche oder ähnliche Geschäftsvorfälle werden nach derselben Vorgehensweise abgearbeitet. Dies bedingt zunächst die Analyse der zu bearbeitenden Geschäftsvorfälle und ihrer Stückzahlen. Für die verschiedenen Fallarten sind entsprechende Prozesse zu definieren sowie die zugehörigen Schnittstellen anzubinden.

Hierzu ist eine softwaretechnische Lösung unerlässlich. Kernpunkte der Automatisierung der beschriebenen Prozesse im Forderungsmanagement sind die automatisierte Datenübernahme via Schnittstelle sowie die vollständige Workflow gestützte Fallbearbeitung. Hierzu wird aus dem definierten Prozess ein Anforderungsprofil erstellt sowie Abläufe eingerichtet, die insbesondere auch den rechtlichen Grundsätzen Rechnung tragen müssen.

Die Software sollte dabei die grundlegenden Aufgaben und Anforderungen im Bereich des Forderungseinzuges abbilden. Daneben führt die Spezialisierung der Mitarbeiter zu einer höheren Qualität im Abwicklungsprozess und damit zu einer Maximierung der Verwertungsergebnisse. Wesentliche Leistungsmerkmale sind dabei:

- Flexibilität: Freie Definition der Geschäftsprozesse durch den Servicer beziehungsweise Anwender.

- Automatisierung: Prozesssteuerung mit einem integrierten Vorschlagwesen, das eine geeignete Folge von Maßnahmen für einen aktuell zu bearbeitenden Sachverhalt in Abhängigkeit von Parametern der Forderung ermittelt.

- Performance: Nur sehr performante Systeme finden die Akzeptanz der Mitarbeiter.

- Historie: Übersichtliche Darstellung der Bearbeitungshistorie einer Akte auf einen Blick für schnelle Nachvollziehbarkeit und eine bessere Entscheidungsgrundlage.

- Formularfunktion: Automatisches Befüllen von festgelegten Dokumentenvorlagen und Vordrucken mit Daten aus den zu bearbeitenden Sachverhalten. Dadurch werden die Rechtssicherheit sowie eine einheitliche hohe Qualität gesichert.

- Überwachung: Fälligkeitstermine, Verjährungsfristen, Zwangsversteigerungstermine und so weiter werden systemseitig kontrolliert und bei Fälligkeit als Aufgaben den betroffenen Mitarbeitern zugeordnet.

- Systemintegration: Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines IT unterstützenden Forderungsmanagements ist außerdem, dass die Software in technischer Hinsicht mit den vorhandenen Systemen der Institute sowie mit weiteren externen Systemen kommunizieren kann.

- Reporting: Aufgrund einer strukturierten Datenhaltung und der Business-plan-Logik ist das Institut in der Lage, Kunden ein umfangreiches Reporting-Paket anzubieten. Hierzu zählen unter anderem tatsächliche und geplante Cash-Flow-Eingänge, entsprechende Prognosen, Bearbeitungsstände.

- Klassifizierung von Assets / differenziertes Pricing: Es erfolgt eine Unterteilung von artgleichen Assets in die Kategorien (zum Beispiel größer oder kleiner 250 000 Euro, Gewerbe). Die kategorisierte Bündelung in den Zuständigkeiten auf Standorte beziehungsweise Mitarbeiter erlaubt individuelle Bearbeitungsintensität (hinterlegte Prozesszeiten), unterschiedliche Gewichtungen von Prozessteilen und den differenzierten Einsatz von hochqualifizierten Ressourcen. Durch die Unterscheidung in der Bearbeitungsintensität der einzelnen Assetklassen ist ein nachvollziehbarer und differenzierter Prozess und entsprechendes Pricing möglich.

- Net-Present-Value-Betrachtung (Barwert): Um aus verschiedenen Verwer-tungs-Szenarien die optimale Verwer-tungs-Strategie zu identifizieren ist die Generierung eines einheitlichen Wertes erforderlich, der eine zweifelsfreie Vergleichbarkeit ermöglicht. Hierfür sollte das Institut über ein IT-Instrument verfügen, welches auf Basis der geplanten zu erwartenden Cash-Flows Verwer-tungs-Szenarien unter Berücksichtigung des zeitlichen Faktors barwertig transparent miteinander inklusive Abweichungsanalyse vergleicht.

- Transparentes Genehmigungsmedium: Zur Unterstützung eines reibungslosen Genehmigungsprozesses verwendet der Servicer eine standardisierte, transparente und systemunterstützte Genehmigungsvorlage. Hierzu werden automatisch alle entscheidungsrelevanten Informationen aus dem Bestandssystem in einer Übersicht zusammengetragen, zum Beispiel aktuelle Sicherheitenbewertung, Bonitäts- und Gesprächsinformationen des Schuldners und ein kommentierter Verwertungsvorschlag (intern/extern).

Outsourcing als Strategie

Grundsätzlich ist festzustellen, dass das Geschäft der Forderungsbeitreibung erst bei einem hohen Grad der Automatisierung und hohen Stückzahlen effizient betrieben werden kann. Dazu ist eine technische Infrastruktur und personelles Know-how vonnöten, das insbesondere kleinere Finanzinstitute nicht vorhalten können. Häufig sind außerdem Immobilien weit außerhalb des eigenen Geschäftsgebiets zu verwerten oder Sicherheiten, für deren Verwertung das spezifische Wissen fehlt, einer Liquidation zuzuführen. Im Rahmen der Entscheidungen über die Vergabe von Leistungen an Drittanbieter sind daher folgende Kriterien im Einzelfall zu bedenken:

Aktive Ressourcensteuerung: Der Servicer hat stets die Funktion Kapazitätsschwankungen beim Portfolioeigentümer auszugleichen. Der gesamte Aktenbestand wird kontinuierlich bearbeitet.

Verwertungsstrategieüberprüfung/-test: Sich abzeichnende Veränderungen von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen können im überschaubaren Umfeld des Servicers überprüft beziehungsweise getestet werden. Der organisatorische und technische Aufwand kann in Grenzen gehalten werden.

Transparenz und Messbarkeit: Die eingeleiteten Maßnahmen sind im Rahmen eines aussagefähigen Berichtswesens jederzeit nachvollziehbar. Vorgelegte Verwertungsstrategien sind somit immer überprüfbar und gegebenenfalls auch mit internen Strategien vergleichbar respektive herauszufordern. Bestehende Erfahrungen im Servicer-Rating sind vorteilhaft.

Outsourcing-Dienstleistungen fallen in das Kerngeschäft des Servicers und werden somit effizient und mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit abgewickelt. Zusätzlich zu den für die Gläubiger entstehenden Kosten - Bearbeitungs-, Gerichts-, und weitere Kosten - fallen nur im Erfolgsfall zusätzliche Provisionen an.

Die neutrale und sachliche Einschätzung der Schuldnersituation ("unverstellter Blick") kann eher durch Dritte erfolgen. Ein neuer Ansprechpartner kann den Schuldner zur Zahlung motivieren.

Wichtig ist es insbesondere, Regelungen zu treffen, die eine Wahrung des Bankgeheimnisses und der datenschutzrechtlichen Bestimmungen gewährleisten. Außerdem sollten Zusicherungen eingeholt werden, dass die Bearbeitung der Forderungen mit den gesetzlichen Vorschriften einhergeht. Ein kritischer Erfolgsfaktor für das Geschäftsmodell des Outsourcings ist die Übertragung der Falldaten. Nur wenn die Übernahme der Daten weitestgehend ohne manuelle Nachbearbeitung stattfinden kann, ist eine aufwandsarme und vor allem schnelle Bearbeitung der Fälle möglich. Gerade bei der Übernahme großer Stückzahlen würde ein hoher Initialaufwand viele der vorab aufgeführten Vorteile zunichte machen.

Prozessübergreifende Datenhaltung

Mit der Vereinheitlichung und der Automatisierung der Prozesse sowie deren Integration in die vorhandene Systemumgebung können bisher ungenutzte Potenziale gehoben werden (mehr Effizienz bei geringeren Kosten). Durch die Automatisierung der Prozesse werden die Bearbeitungszeiten pro Fall und damit auch die Durchlaufzeiten bis zur vollständigen Beitreibung reduziert. Durch die Reduzierung der Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten kann die Erfolgsquote erhöht werden, da eine schnelle und häufigere Ansprache des Schuldners oft zum schnelleren Begleichen der Forderung führt. Die Fallzahlen pro Sachbearbeiter können erhöht und damit der eigene Aufwand deutlich reduziert werden.

Reflektiert man in der aktuellen Situation auch die Diskussion über die Bewertungsansätze der zweifelhaften oder auch gekündigten Kreditengagements und deren Sicherheiten, so bleibt hier nur zu konstatieren, dass auf Basis einer bereits vorhandenen IT-Lösung die segmentierte Differenzierung der Prozesse einen stärkeren Fokus auf bewertungsintensive Engagements ermöglichen kann. Vor dem Hintergrund aktueller Tendenzen ist auch eine Intensivierung der Risiko-/Chancenbewertung im Rahmen der Kreditabwicklung und der Risikovorsorge unter konsequenter Anwendung einer auf den Barwert der Sicherheiten und Objekte ausgerichteten Betrachtung zu erwarten.

Eine Fortführung der Diskussion über die ertragsoptimale Gestaltung des Forderungsmanagements in den Banken ist zu erwarten. So wurden die Anforderungsprofile für IT-Systeme in der jüngeren Vergangenheit bereits dahingehend ausgeweitet, dass zukünftig eine hochflexible Prozessgestaltung, von der Forderungsabgabe bis zur mandantengestützten Abwicklungsplattform auch aus und über ein System abbildbar ist. Gegenwärtig verfügbare IT-Systeme stellen sicher, dass die Standardisierung dem Wunsch nach Individualität nicht im Wege steht.

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