Banken-Software

Forderungsmanagement: Kunden nicht vorschnell abschreiben

In Kreditinstituten sind die Prozesse oft stark automatisiert. Das damit verfolgte Ziel, Bankprozesse hoch effizient abzuwickeln, wird zwar erfüllt, das daneben bestehende Ziel der Kundenzentrierung aber häufig nicht. Dabei sind diese Ziele nicht konkurrierend, sondern können durchaus gleichzeitig erreicht werden - der Schlüssel dazu liegt in der präzisen und effektiven Kundensegmentierung.

Ein typisches Beispiel dafür ist das Forderungsmanagement. Banken, die die möglichen Ursachen von Zahlungsrückständen nicht ergründen und differenziert bearbeiten, verpassen die Chance, auch mit säumigen Kunden den Umgang zu optimieren. Die Anwendung standardisierter Mahnprozesse kann zum Beispiel dazu führen, dass jene Kunden, bei denen nur vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten vorliegen, verärgert werden und die gesamte Kundenbeziehung auflösen. Dabei kann es durchaus rentabel sein, Beziehungen zu Kunden mit Zahlungsstörungen weiterzupflegen. Angesichts der hohen Kosten in der Neukundengewinnung bietet sich solch eine Strategie für den hart umkämpften Kreditmarkt an. Voraussetzung dafür ist jedoch die Einführung risikodifferenzierter Prozessketten. IT-Lösungen, die solche Strategien unterstützen und mit deren Hilfe sich Kundenbeziehungen vom Kreditantrag bis zur Beitreibung optimieren lassen, gibt es bereits.

Konto im Soll, Kundenwert im Haben

Mit Hilfe analytischer Verfahren ist es heutzutage möglich, sehr genau zu berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein differenzierter Umgang mit Kreditnehmern zur Minimierung von Ausfällen und somit von Risikokosten beitragen kann. Hat ein Kunde zum Beispiel bis dato seine Raten zuverlässig gezahlt und führt er weitere Konten bei der Bank, sollte dieses in der Ansprache berücksichtigt werden. Ein kurzer Anruf kann schon Klarheit schaffen. Denn auch wenn bei der Bedienung der Kreditraten vorübergehend Rückstände eingetreten sind, kann der gesamte Kundenwert durchaus noch deutlich auf der Habenseite sein.

Für die Umsetzung solch einer Strategie ist jedoch eine Gesamtsicht auf die Kundenbeziehung notwendig. Die eingesetzten Systeme müssen dazu sämtliche relevante Daten zu einem Kunden verarbeiten und sowohl die Vergangenheit (Kontohistorie), die Gegenwart (aktuelle Salden) als auch die Zukunft (prädiktive Scores) abbilden können. Nur so ist eine Optimierung der Kundenbeziehung über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg möglich.

Vernetzte Entscheidungen über alle Systeme

Ein modernes Customer-Management-System kann die notwendige Gesamtsicht über den Status aller Konten eines Kunden bereitstellen und ist mit den Systemen des Forderungsmanagement und der Beitreibung integriert. Es erlaubt diejenigen Konten zu identifizieren, die bearbeitet werden sollen. Fortschrittliche Lösungen sind außerdem in der Lage zu erkennen, welche Konten voraussichtlich bald in Verzug geraten werden. So können frühzeitig Kommunikationsmaßnahmen eingeleitet und Zahlungsstörungen im Vorfeld vermieden werden.

Kunden, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, reizen erfahrungsgemäß häufig zuerst alle verfügbaren Kreditlinien aus. Bis zum Ausfall können so mehrere Monate vergehen. Mit geeigneten Systemen kann diese Entwicklung frühzeitig erkannt und mit einer passenden Strategie gegengesteuert werden. Bei der Auswahl von Maßnahmen gilt es, das wahrscheinliche Verhalten des Kunden möglichst genau zu antizipieren.

Kurzfristige Prognosen für notleidende Kredite

Hierzu bietet sich der Einsatz von Analysemodellen (Predictive Analytics) und Prognosesoftware an. Die Software berechnet anhand komplexer statistischer Modelle für jeden Kunden eine Kennzahl (Score). Der sogenannte Verhaltens-Score beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate ausfallen wird. Auf Basis beobachteter Veränderungen des Verhaltensscores lassen sich Strategien aufbauen, um Kunden zu segmentieren und individuelle Maßnahmen zu definieren. Diese reichen von der frühzeitigen Ansprache zur aktiven Restrukturierung der Kreditbeziehung bis hin zur Rückführung des Exposures und frühzeitigen Beitreibung, um den eigenen Anteil an den vom Kunden insgesamt noch leistbaren Zahlungen zu maximieren.

Ist ein Kunde bereits rückständig geworden, ist es notwendig, das Verhalten innerhalb eines kürzeren Prognosezeitraums vorhersagen zu können. Hier wirken speziell für das Forderungsmanagement und die Beitreibung entwickelte Scores. Diese basieren auf einem kürzeren Prognosehorizont und geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kunde in die nächste Mahnstufe übergehen wird. Aber auch der erwartete Beitreibungsbetrag kann mit solchen Modellen prognostiziert werden. Durch die scorebasierte Segmentierung können die Kundengruppen klarer unterteilt und Maßnahmen und Ressourcen gezielter geplant werden.

So lassen sich für jedes Konto die geeigneten Maßnahmenbündel zusammenstellen. Um treffsichere Prognosen zu erstellen, müssen die Analysesysteme jedoch auf eine relativ große Menge an Kundendaten zur Auswertung zurückgreifen können.

Verfügt ein Institut über eine entsprechende Datenmenge, lassen sich auf dieser Basis Scoringmodelle entwickeln. Stehen nicht die notwendigen Datenmengen zur Verfügung, um ein statistisches Modell zu entwickeln, können dazu sogenannte Expertenmodelle genutzt werden. Diese beruhen auf Erfahrungswerten aus verschiedenen vergleichbaren Projekten. Um die Expertenmodelle an die individuellen Bedürfnisse eines Kreditinstituts anzupassen, werden anschließend permanent Echtdaten aus dem laufenden Betrieb in das System eingespeist. Auf dieser Informationsbasis lassen sich dann immer genauere Analysen, Prognosen und Strategien erstellen.

Strategien regelmäßig anpassen

Um sowohl dem Ziel Kundenbindung als auch dem Ziel der Ausfallminimierung im Forderungsmanagement und in der Beitreibung gerecht zu werden, gilt es, beide permanent gegeneinander auszubalancieren. Änderungen in der Produktgestaltung, der Marketingstrategie oder der Wettbewerbsposition können dazu führen, dass sich die Kundensegmentierungen verschieben. Die Strategie muss also während des laufenden Geschäfts immer wieder überprüft und angepasst werden.

Die eingesetzten Systeme sollten daher eine einfache Simulierung von Alternativstrategien auf Basis der eigenen Portfoliodaten ermöglichen. Hierzu ist es notwendig, die Produktionsdaten im System vorzuhalten, um so die Auswirkungen von Alternativstrategien abschätzen zu können. Ist dann eine geeignete Alternativstrategie gefunden, kann diese mit Hilfe des sogenannten Champion-/Challenger-Verfahrens zunächst für ein Teilportfolio getestet werden. Dazu wird parallel zum Hauptprozess (Champion) ein Alternativprozess (Challenger) in der operativen Umgebung eingeführt. Übertrifft eine Challenger-Strategie die bestehende Strategie, kann diese in den Champion-Status erhoben und für das gesamte Portfolio eingesetzt werden.

Menschenkenntnis und Diplomatie gefragt

Die menschliche Beziehung zwischen Berater und Kunde kann eine Softwarelösung natürlich nicht komplett ersetzen. Fortschrittliche Systeme im Forderungsmanagement geben dem geschulten Personal jedoch einen detaillierten Überblick über die gesamte Kundenbeziehung sowie Hinweise zum Umgang mit dem Kunden. Aus den im System vorgehaltenen Informationen kann der Berater zum Beispiel ersehen, zu welchem Segment der Kunde gehört und wie er ihn am besten ansprechen sollte. Dazu ist im Idealfall ein Gesprächsleitfaden im System hinterlegt. Das System bietet dem Berater außerdem die notwendigen Grundlagen, um die Ergebnisse seiner Kundenkontakte strukturiert und vollständig zu dokumentieren, sodass diese zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung stehen.

Gerade im Forderungsmanagement ist aber auch ein besonderes Maß an Diplomatie und Einfühlungsvermögen gefragt. Regelmäßige Trainings für die Kundenbetreuer sind deshalb unerlässlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kunde nicht mehr von seinem persönlichen Kundenberater, sondern von einem Mitarbeiter einer zentralen Einheit für Forderungsmanagement kontaktiert werden soll. Diesen Übergang gilt es besonders sensibel zu gestalten, um die Kundenbindung nicht zu belasten und damit eine Beendigung der gesamten Geschäftsbeziehung zu riskieren. Eine nahtlose Übergabe der Kundendaten ist natürlich auch hier erforderlich.

Kreditinstitute, in denen das Forderungsmanagement noch wenig zentralisiert ist, tendieren jedoch weiterhin dazu, zumindest teilweise Aufgaben aus dem Forderungsmanagement den Beratern zu übertragen. Den Kundenberatern fehlt infolgedessen nicht nur die Zeit für den Aufbau und die Pflege originärer Kundenbeziehungen. Die dadurch entstehenden Probleme können auch bestehende Kundenbeziehungen gravierend gefährden. Durch den Einsatz moderner IT-Systeme können die Ressourcen im Forderungsmanagement dagegen effektiv eingesetzt und Beraterressourcen für das originäre Kundenmanagement und den Vertrieb freigesetzt werden.

Vielerorts ist der Gedanke der Kundenbeziehungspflege im Forderungsmanagement noch nicht vollständig umgesetzt. Sobald erste Zahlungsstörungen auftreten, gerät der Kunde in einen hoch automatisierten, einheitlichen Mahnprozess, der vielfach mit dem Ende der Geschäftsbeziehung endet. Angesichts der hohen Kosten in der Neukundengewinnung lohnt es sich jedoch, über eine Flexibilisierung der Mahnprozesse nachzudenken. Denn so mancher Kunde mit aktuellen Zahlungsstörungen zählt in späteren Lebensabschnitten zu den Wunschkunden.

Es ist deshalb entscheidend, stets den Customer-Lifetime-Value im Auge zu behalten. Integrierte Softwarelösungen für Customer Management verschaffen hierzu den notwendigen Überblick über sämtliche Konten eines Kunden und erlauben es, verschiedene Strategien zu testen; Analytiksoftware ermöglicht es, Kundenverhalten zu prognostizieren und Kundengruppen zu segmentieren.

Für die Definition grundlegender Kundenbeziehungsstrategien und Prozesse ist jedoch weiterhin die Expertise der Mitar beiter in den Fachabteilungen gefragt. Den persönlichen Kontakt zum Kunden können IT-Systeme nicht komplett ersetzen. Sie können den Mitarbeitern aber Hinweise dazu geben, wann ein Kunde in welcher Form angesprochen werden sollte.

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