Im Blickfeld

Verlorene Werte

Es ist diese wohlige Empörung, von der vor allem der Boulevard so herrlich lebt, und der sich hin und wieder auch Wirtschaftsnachrichten nicht entziehen können oder wollen. So hätte vermutlich kaum eine Gazette davon Notiz genommen, dass ein lediglich 300 Millionen Euro kleiner Fonds, den gerade einmal rund 50 Anleger (ausschließlich professionelle Investoren) gezeichnet haben, sein Immobilienvermögen um 13,8 Prozent und inklusive Leverage-Effekt sein Fondsvermögen um 21,6 Prozent abwerten musste. Solche Zahlen sind im aktuellen Markt längst keine Seltenheit mehr. Allerdings handelt es sich beim betroffenen Degi Global Business um einen Offenen Immobilienfonds und bei diesen sind derartige Korrekturen bislang selten zu sehen. Lediglich der österreichische Real Invest Europa und der P2 Value von Morgan Stanley mussten bislang Abwertungen in solchen Größenordnungen vornehmen. Erwartungsgemäß bemüht sich der Branchenverband BVI nach Kräften, diese Ereignisse als Einzelfälle hinzustellen.

Im Allgemeinen ist von Wertkorrekturen bei deutschen Offenen Immobilienfonds nur sehr wenig zu hören. Das heißt freilich nicht, dass es sie nicht gibt. Und so vermag in der Dunkelheit eben auch ein kleines Aufflackern hell zu leuchten. Es stellt sich die Frage, ob Offene Immobilienfonds nicht doch stärker vom Marktabschwung betroffen sind, als es die Performance-Zahlen bisher zeigen. In den ersten Krisenjahren 2008 und 2009 haben sicherlich die Bruttomieten noch vieles aufgefangen, was an Objektwerten abgeschrieben werden musste. Doch jetzt wird das Vermieten schwieriger, Nutzer optimieren ihre Flächen und verhandeln nach Möglichkeit ihre Mieten nach. Mancher Mieter fällt auch ganz aus. Dem können sich die Offenen Immobilienfonds nicht entziehen.

So kam es jetzt auch beim Degi Global Business: 65 Prozent der Abwertungen entfielen auf zwei Fondsimmobilien - ein Shoppingcenter in Zagreb, das Kunden und damit Umsatz an neu errichtete Einkaufszentren in unmittelbarer Nähe verloren hat, und ein Bürogebäude in Bukarest, dessen Hauptmieter ausfiel. Weil beide Objekte 30 Prozent des Fondsvermögens ausmachen, traf deren Abwertung den gesamten Fonds massiv. Verschärft wird die Situation dadurch, dass der Fonds mit einer Fremdkapitalquote von über 40 Prozent der nach dem Investmentgesetz zulässigen Höchstquote von 50 Prozent bedenklich nahe kommt. Sinken die Objektwerte, ohne dass die Kredite in gleichem Umfang zurückgeführt werden, steigt zwangsläufig der Fremdkapitalanteil.

Vor Panikmache sei jedoch nachdrücklich gewarnt. Denn der Degi Global Business ist zwar ein Offener Immobilien-Publikumsfonds, doch verhält er sich wie ein Immobilien-Spezialfonds. Seine Anlegerschar ist überschaubar und professionell. Zudem investiert der Fonds im Gegensatz zu Vehikeln für private Anleger bewusst auch in risikoreicheren Standorten. Dieser Fonds ist damit tatsächlich ein Einzelfall. Dennoch wächst die Nervosität in der Fondsbranche spürbar und der Ton unter den Kollegen wird rauer. So ätzte der Aufsichtsratsvorsitzende der TMW Pramerica Property Investment GmbH, Klaus Trescher: "Es ist mir völlig unverständlich, wie ein turnusmäßig bewertetes Portefeuille derart schlagartig implodieren kann". Tatsächlich?

Es ist wohl weniger echte Unkenntnis über die Notwendigkeit von Nachbewertungen bei groben Marktverwerfungen, die den TMW-Kontrolleur zu dieser Aussage veranlasste. Vielmehr sucht er nach Schuldigen dafür, dass der TMW Weltfonds nur knapp drei Monate nachdem die Rücknahme von Anteilscheinen wieder möglich war, erneut wegen massiver Mittelabflüsse schließen musste. "Wir fühlen uns in Sippenhaft genommen, da unser Portfolio keine Klumpenrisiken aufweist und in Core-Immobilien weltweit, nicht jedoch in Osteuropa, investiert ist", lässt er sich zitieren. Dabei wird freilich ignoriert, dass die Anleger nicht erst seit der Degi-Meldung ihr Geld aus dem Fonds abziehen. Und TMW ist nicht allein. Auch Anteile des Axa Immoselect, des Morgan Stanley P2 Value, des Kanam US-Grundbesitz und der beiden großen Aberdeen-Fonds Degi Europa und Degi International werden derzeit nicht zurückgenommen.

Angesichts der relativ hohen Zahl eingefrorener Fonds, deren Anteilsrückgabe teilweise seit Oktober 2008 gestoppt ist, bleibt es unverständlich, warum sich das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und die Aufsicht auf der einen Seite sowie der BVI und die Offenen Immobilienfonds auf der anderen Seite nicht längst auf eine Novelle des Investmentgesetzes verständigten. Derweil ergehen sich beide Parteien in gegenseitigen Schuldzuweisungen - zum Schaden der Anleger.

So wirft das Ministerium dem BVI vor, er habe sich bei der letzten Novelle des Investmentgesetzes noch gegen Reformvorhaben gesträubt, die Fondsschließungen aufgrund von Liquiditätsengpässen hätten vermeiden können. Jetzt halten die Fonds dem BMF vor, dass es bereits seit Februar 2009 die Vorschläge des BVI auf dem Tisch habe. Woraufhin aus Berlin gekontert wird, dass die Vorschläge erst dann abschließend bewertet werden könnten, wenn der Verband bei der praktischen Machbarkeit seiner Vorschläge wie gefordert nachbessere.

Viel Zeit, um eine Einigung zu erzielen, ist nicht mehr. Denn die nächste Gelegenheit, das Investmentgesetz zu ändern, steht unmittelbar bevor, wenn die europäische Richtlinie zu Alternativen Investmentfonds Managern (AIFM) in nationales Recht umgesetzt werden muss. Davon sind auch die Offenen Immobilienfonds betroffen. Bis dahin muss in Frankfurt, Berlin und Bonn noch intensiv und vor allem konstruktiv gearbeitet werden. Darauf zu hoffen, dass sich das Problem über den Marktzyklus schon irgendwie lösen werde, reicht nicht. Denn das Schlimmste ist an den Immobilienmärkten noch längst nicht überstanden.

Wertkorrekturen und Anlegerflucht werden die Offenen Immobilienfonds noch eine Weile beschäftigen. L. H.

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