Schwerpunkt Wohnungs- und Städtebaupolitik

"Vorrang des Neubaus vor Preisregulierung"

Seit Monaten wird in Deutschland wieder über Wohnungsnot und teilweise deutliche Mietpreissteigerungen in Ballungsgebieten debattiert. Die SPD, Bündnis 90/ Die Grünen, aber auch die CDU/CSU fordern daher eine stärkere Begrenzung von Mieterhöhungen. Gleichzeitig sind die Preise für Wohnimmobilien - vor allem Mietwohnungen - nach einer langen Durststrecke wieder im Aufwind. Einige Marktbeobachter sehen sogar bereits die Gefahr einer Immobilienpreisblase.

Im Mai 2013 überraschte das Statistische Bundesamt mit ersten Ergebnissen des Zensus 2011. Danach leben in der Bundesrepublik mit 80,2 Millionen Menschen rund 1,5 Millionen Personen weniger als bisher angenommen. Gleichzeitig wurden 41,3 Millionen Wohnungen gezählt, dies sind 500 000 Wohnungen mehr als bisher in der amtlichen Statistik ausgewiesen. Hat sich damit die Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt schlagartig entspannt?

Tatsächlich ist der Wohnungsneubau nach langen Jahren der Krise wieder in Gang gekommen: 2011 sind insgesamt 183 000 Wohnungen fertig gestellt worden (die Daten für 2012 liegen noch nicht vor). Für 2012 und 2013 rechnet der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie mit einem Anstieg auf 230 000. Dies wären 45 Prozent mehr als zum Tiefpunkt der Wohnungsbaukrise im Jahre 2009 (siehe Abbildung 1).

Renaissance des Wohnungsneubaus

Der Wohnungsneubau ist vor allem in den Ballungsgebieten wieder "angesprungen": In den drei Stadtstaaten lag das Wachstum der Genehmigungen von 2008 bis 2012 zwischen 58 Prozent in Berlin und 117 Prozent in Hamburg deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 37 Prozent (Fertigsstellungsprognosen werden nur auf Bundesebene erstellt). Unter den Flächenländern kam es vor allem in Niedersachsen und Bayern zu einem starken Genehmigungsschub. Dagegen lagen die Genehmigungen 2012 in Nordrhein-Westfalen, dem größten deutschen Wohnungsteilmarkt, gerade einmal um elf Prozent über dem Niveau des Jahres 2008.

Diese auf den ersten Blick positive Entwicklung darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass wir von einem bedarfsdeckenden Fertigstellungsniveau von jährlich mindestens 250 000 neuen Wohnungen (Wohnungen in Einfamilien-, Zweifamilien-, Mehrfamilienhäusern) nach wie vor weit entfernt sind. Warnrufe kommen vor allem aus den großen Städten:

Bereits heute melden die zehn größten deutschen Städte einen jährlichen Neubaubedarf von mindestens 130 000 neuen Mietwohnungen - etwa doppelt so viele wie derzeit realisiert werden. Gleichzeitig melden die fünf größten Städte zunehmende Engpässe im Bereich des preisgünstigen Wohnraums. Die Zahl der Sozialwohnungen sei seit 2002 um rund ein Drittel auf weniger als 1,5 Millionen Wohnungen zurückgegangen.

Daran werden auch die Ergebnisse der Volkszählung nichts ändern können. Zwar weist der Zensus für die Städte Hamburg und Köln einen höheren Wohnungsbestand aus; dafür stehen aber in Frankfurt am Main, München und Berlin weniger Wohnungen zur Verfügung als ursprünglich angenommen.

Im gesamtdeutschen Durchschnitt lag 2011 die Leerstandsquote bei 4,4 Prozent. Darin spiegeln sich vor allem aber die hohen Leerstandsquoten ostdeutscher Großstädte wieder, die teilweise zweistellige Werte aufweisen. In den fünf größten deutschen Städten lag die Leerstandsquote dagegen nur bei 2,4 Prozent.

Mit anderen Worten: Deutschland wird - trotz eines höheren Wohnungsbestandes nach der Volkszählung und trotz eines wieder anspringenden Neubaus - auf absehbare Zeit mit einem engen Wohnungsmarkt leben müssen. Dies gilt sicherlich nicht für alle Regionen und alle Marktsegmente; es gilt aber auf jeden Fall für großstädtische Ballungsgebiete und dort insbesondere für das Marktsegment der preisgünstigeren Wohnungen.

Ballungszentren: Bedarf übersteigt Fertigstellung

Vieles deutet sogar darauf hin, dass sich diese Wohnungsengpässe in den nächsten Jahren noch verschärfen werden: Die Nettozuwanderung nach Deutschland hat sich seit einigen Jahren wieder beschleunigt. Setzt sich diese Entwicklung fort, wären vor allem die Ballungszentren betroffen.

Die Zahl der Haushalte nimmt mit dem Alterungsprozess der Bevölkerung zu, das auch vor allem in den Ballungszentren. Spätestens im Jahr 2030 werden in Deutschland barrierefreie Wohnungen für 3,5 Millionen ältere und möglicherweise auch pflegebedürftige Mitbürger benötigen. Nach einer Untersuchung des Pestel-Instituts werden bereits in den kommenden acht Jahren rund 2,5 Millionen zusätzliche Seniorenwohnungen gebraucht. Auch diese - mit Blick auf die soziale Lage der Rentner - möglichst zu niedrigen Mieten (siehe Abbildung 2).

Neubauten in den Fokus stellen

Mehr Wohnraum in Ballungsgebieten, aber bezahlbar - das ist die Herausforderung, vor der heute die Wohnungsbaupolitik in Deutschland steht. Mit ihren Plänen zur Begrenzung von Wiedervermietungen bei Mieterwechsel haben die politischen Parteien im Deutschen Bundestag sicherlich keine adäquate Antwort auf diese Herausforderung gefunden. Wer auf die Mietpreisbremse tritt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass er damit den Wohnungsneubau ausbremst und die Wohnungsknappheit weiter verschärft. Auch das in Zeiten niedriger Kapitalmarktrenditen wiedererwachte Interesse vieler Anleger an der Immobilie könnte unter diesen Bedingungen schnell wieder "erkalten".

Die Politik sollte sich deshalb darüber im Klaren sein, dass die Beseitigung der Wohnungsknappheit nur über eine Ausweitung des Neubaus geht. Deshalb sollten alle auf die Ankurbelung des Wohnungsneubaus gerichteten Maßnahmen absoluten Vorrang vor Preisregulierungen genießen. Dazu gehören

- bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Erhöhung der linearen AfA von zwei auf vier Prozent,

- der Verzicht auf weitere Grund- und Grunderwerbssteuererhöhungen, wie sie derzeit beispielsweise das Land Berlin anstrebt,

- die Bereitstellung von Bauflächen zu günstigen Preisen im Gegengeschäft zur Zusicherung sozialverträglicher Mieten,

- aber auch der Verzicht auf überzogene - energetische Standards in der Energieeinsparverordnung, damit die Baukosten nicht noch stärker belastet werden.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen stabilen Aufwärtstrend im Wohnungsneubau sind auch heute noch günstig: Nach wie vor verharren die Kreditzinsen auf einem historisch niedrigen Niveau. Viele private Anleger suchen nach wie vor händeringend nach rentablen Anlagemöglichkeiten. Politik, Wohnungs- und Bauwirtschaft sind aufgerufen, diese Chance auch zu nutzen.

Noch ein Wort zu den Befürchtungen einer Wohnimmobilienpreisblase in Deutschland: Trotz der Preissteigerungen der vergangenen Jahre lag 2012 bundesweit das Preisniveau nominal nur leicht über dem Wert von 1995. Von überzogenen oder gar gefährlichen Preissteigerungen kann daher keine Rede sein. Im Übrigen sind steigende Preise keineswegs per se Ausdruck einer Immobilienblase, vor allem dann nicht, wenn die Mieten - also der Preis für die Nutzung einer Wohnung - ebenfalls steigen und damit die Ertragskraft der Wohnungen erhöhen. In Deutschland ist jedoch die für eine Immobilienblase typische Überhitzung des Marktes mit Kaufpreisen, die deutlich stärker steigen als die Mieten, nicht zu beobachten. Auch nicht in den großen Städten. Mit anderen Worten: Von einer Wohnimmobilienblase wie in Spanien oder Irland sind wir in Deutschland nach wie vor weit entfernt. Die Preisanstiege am deutschen Markt sind nach wie vor durch eine steigende Nachfrage aufgrund eines noch immer nur sehr langsam steigenden Angebots begründet.

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