Im Blickfeld

Wüstenrot: nachlassende Dynamik

Dass der Wettbewerb im Bausparen intensiv bleibt, zeigen auch die jüngsten Neugeschäftszahlen. Während Wüstenrot bis 2006 noch Marktanteile verloren hatte, holten die Ludwigsburger in den folgenden Jahren dank rascher und erfolgreicher Restrukturierung wieder auf und eilten mit ihren Wachstumsraten anderen Bausparkassen teils deutlich voraus. Heute betont die W&W-Tochtergesellschaft gerne ihre wiedergewonnene Marktstärke, die sie vor dem BHW, aber hinter Schwäbisch Hall auf Platz zwei unter den privaten Bausparkassen rangieren lässt.

Die jetzt bekannt gegebenen Zahlen lassen jedoch auch erkennen, dass Wüstenrot an Dynamik eingebüßt und bei den Zuwächsen die Spitzenposition abgegeben hat. Gemessen am ersten Quartal 2009 stieg zwar das Volumen der zwischen Januar und März 2010 neu abgeschlossenen Bausparverträge um beachtliche 18,3 Prozent von 2,4 auf 2,8 Milliarden Euro, doch enthält die vorjährige Vergleichszahl noch nicht das Bruttoneugeschäft der inzwischen übernommenen Vereinsbank Victoria Bauspar AG (VVB). Diese hatte in der Vergangenheit jährlich Abschlüsse in Höhe von rund einer Milliarde Euro produziert. Unter der Annahme, dass sich dieses Volumen über die Quartale gleich verteilt, beliefe sich das pro forma gebündelte Abschlussvolumen von VVB und Wüstenrot in den ersten drei Monaten des Vorjahres auf 2,6 Milliarden Euro. Im Quartalsvergleich fiele dann das Neugeschäftswachstum mit 7,1 Prozent deutlich geringer aus.

Gerne sähe man in Stuttgart und Ludwigsburg auch, wenn zum Neugeschäftsergebnis für das erste Quartal 2010 die Abschlüsse der jüngst erworbenen Allianz Dresdner Bausparkasse (ADB) hinzugerechnet würden. Gegenüber den ersten drei Monaten des Vorjahres, das nur Wüstenrot (ohne VVB und ADB) umfasst, käme dann nämlich ein Neugeschäftszuwachs von mehr als 20 Prozent heraus. Schwäbisch Hall hat während der ersten vier Monate dieses Jahres sein Bruttoneugeschäft - allein durch organisches Wachstum - um gut 23 Prozent auf knapp 9,4 Milliarden Euro gesteigert.

Ebenso wächst der Marktführer in der Baufinanzierung, die sowohl die Auszahlung von Bauspardarlehen als auch die Zusage von außerkollektiven Vor- und Zwischenfinanzierungen umfasst, schneller als die Ludwigsburger Bausparkasse. Hatten die Haller im ersten Drittel des laufenden Jahres 13 Prozent Wachstum auf 1,9 Milliarden Euro Finanzierungssumme, so nahmen die Baufinanzierungen bei Wüstenrot im ersten Quartal 2010 um neun Prozent auf 1,2 Milliarden Euro zu.

Dass Wüstenrot nach jahrelangen Marktanteilsverlusten kräftig gewachsen sind, verdient Respekt. Allerdings konnte nicht erwartet werden, dass dieses hohe organische Wachstumstempo über längere Zeit anhält. Die jüngsten Zukäufe bescheren dem Ludwigsburger Baufinanzierer zwar attraktive neue Vertriebskanäle und damit künftiges Neugeschäftspotenzial, doch beansprucht die Übernahme von Bausparkassen erhebliche Ressourcen. Wüstenrot muss die hinzugewonnenen Bausparkollektive integrieren, und gleichzeitig gilt es, mit den neuen Vertrieben eine gemeinsame Sprache zu finden. Beides verlangt viel Aufmerksamkeit und Energie, die im Wettbewerb um den Kunden fehlen. In der Stuttgarter W&W-Zentrale ist man sich der Herausforderung bewusst, denn dort wird nur dezent formuliert, dass sich Wüstenrot auf einem "stabilen Weg" befinde. L. H.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X