Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft

Ist der Markt reif genug für Proptechs?

Michael Wohlleben

Eine scharfe Trennung zwischen digitaler und realer Welt wird immer schwieriger. Die persönliche Face-to-Face-Kundenbeziehung verliere zunehmend an Bedeutung, so die Autoren. Im Zuge dieser Entwicklung gewännen Fintechs und Proptechs neben den klassischen Finanzinstituten immer mehr Aufmerksamkeit. Im vorliegenden Beitrag werden als Beleg für die erfolgreiche Arbeit im Finanzierungsbereich Beispiele aus den USA und Großbritannien aufgeführt. Hierzulande sei die Entwicklung durch Regeln ausgebremst und behindert. Außerdem benötigten alle im Bereich der Immobilienfinanzierung enorme liquide Mittel. Proptechs müssten es zukünftig schaffen, die Prozesssicherheit und die strengen Anforderungen an den Datenschutz zu gewährleisten und damit das Vertrauen der Nachfrager und des Gesetzgebers zu gewinnen. Denn: Das Vertrauen in den Finanzdienstleistungssektor befände sich seit der Finanzkrise auf einem Tiefstand. Red.

Die Welt befindet sich im stetigen Wandel der Zeit. Wurden früher klassische Bankgeschäfte zunächst mit dem Berater des Vertrauens vor Ort, später dann per Telefon getätigt, so werden diese heutzutage zunehmend online von zu Hause oder per Smartphone-App vorgenommen. Daher ist die Bankenwelt gefordert, neue, smarte, flexible und schlanke Lösungen für immer anspruchsvoller werdende Kunden anzubieten. An dieser Stelle spielt die moderne Informationstechnologie eine entscheidende Rolle und lässt Menschen, Informationen und Ideen ganz neu interagieren.

Die scharfe Trennung zwischen digitaler und realer Welt verschwimmt immer mehr. Der Kunde informiert sich heute vorab über das Internet, welcher Anbieter die für ihn besten Konditionen hat und erhält über die digitalen Medien in Echtzeit einen transparenten Überblick über den Markt. Demzufolge verlangt der Kunde einen ausgezeichneten Service sowie intuitive und benutzerfreundliche Anwendungen/Apps mit kurzen Kommunikationswegen. Außerdem erwartet er, dass der Anbieter die Sicherheit gewährleistet und die Daten jederzeit verfügbar sind. Die persönliche Face-to-Face-Kundenbeziehung verliert zunehmend an Bedeutung. Im Zuge dieser Entwicklung gewinnen Fintechs neben den klassischen Finanzinstituten immer mehr Aufmerksamkeit.

Fintechs - Alternative zur Filialbank?

Fintechs oder FinanzTechnologie-Startups sind neu gegründete Unternehmen mit dem Fokus auf Finanzdienstleistungen. Meist handelt es sich um relativ kleine Firmen, die Teilprozesse aus dem Finanzbereich als webbasierte, innovative Lösungen für Darlehensnehmer, Banken oder Investoren zur Verfügung stellen. Diese neuen Player versuchen die Finanzwelt einfacher, schneller, schlanker und benutzerfreundlicher zu gestalten. Zudem unterliegen Fintechs meist nicht den strengen, regulatorischen Vorschriften, denen Banken unterworfen sind, da nur ein kleiner Teil der Finanzprozesse abgebildet wird. Die Konzentration auf die Entwicklung spezialisierter Lösungen ist daher einfacher und meist auch kosteneffektiver umzusetzen. Beispiele hierfür sind E-Wallets, Peer-to-Peer-Kredite, Spenden- oder Spar-Apps.

Der Immobilienmarkt war lange Zeit nicht von Innovationen, die die heutige Technologiewelt mit sich bringt, betroffen. Dieser Zustand wird sich schnell ändern. Denn nun treten auch die sogenannten Proptech-Unternehmen, die "Property" und "Technology" vereinen und sich mit Fragen und Angelegenheiten rund um das Thema Immo bilien ge schäft/-finanzierung beschäftigen, in die Start-up-Arena.

In Großbritannien und in den USA ist das Thema bereits sehr populär und wird aktiv vom Staat sowie von Kreditinstituten und Unternehmen gefördert und nachgefragt. Hypothekenverwalter und Eigentümer benutzen aktiv digitalisierte Servicelösungen, die komplexe Prozesse vereinfachen und damit Organisationsprobleme beseitigen.

Digitale Servicelösungen

Ein Beispiel hierfür ist das amerikanische Unternehmen "Opendoor". Deren Plattform ermöglicht es, einen Immobilienkauf und -verkauf innerhalb von drei Tagen direkt über "Opendoor" vollständig abzuwickeln. Unter anderem verkauft das Unternehmen Häuser auch direkt an ihre Kunden. Dabei können registrierte Nutzer mittels eines Zugangscodes eine Immobilie jederzeit besichtigen, ohne zuvor einen Maklertermin vereinbart zu haben. "All Day Open House Feature" wird das in Amerika genannt.

Wenn es um Immobilienfinanzierung geht, ist das Geschäftsmodell der britischen Firma "Wigwamm" in Großbritannien bereits etabliert. "Wigwamm" versucht, die Lücke zwischen Mieten und Eigentum zu schließen. Zentrale These hierbei ist: Kann sich jemand die Miete leisten, so ist er auch in der Lage die Immobilie zu finanzieren.

Hierbei erwirbt ein Pensionsfonds als Co-Investor die Immobilie zu 95 Prozent des Kaufpreises. Die restlichen fünf Pro zent sind neben den monatlichen Mieten als Eigenkapital des Mieters aufzubringen. Der Eigentumsanteil des Mieters kann jedoch nach und nach bis zum vollständigen Erwerb erhöht werden. Bei Auszug beziehungsweise Verkaufswunsch seiner Anteile kümmert sich "Wigwamm" um die Immobilienbewertung und den Verkauf.

Unbürokratische Finanzierungen ohne Banken

Eine weitere Option, der Traumimmobilie näherzukommen, bietet das in London gegründete Start-up "Lendinvest". Das Unternehmen bietet Finanzierungen ohne das Einwirken von Banken an. Als Finanzierer dienen hierbei Investoren, die Darlehensnehmern schnell und unbürokratisch Anschluss- oder Überbrückungsfinanzierungen anbieten. Alle Prozessschritte inklusive Antrag und Beratung werden online durchgeführt und können in Echtzeit nachverfolgt werden.

In Deutschland spielen Proptechs als Teilbereich der Fintechs eine bisher untergeordnete Rolle. Ursächlich hierfür sind unter anderem die Einstellung der in Deutschland lebenden Kreditnehmer zum Thema Datenschutz und Datensicherheit, aber auch die strengen regulatorischen Anforderungen bei der Kreditvergabe im Rahmen der Baufinanzierung.

Strenge Regulation in Deutschland

Sowohl aus Sicht der Proptechs als auch der Investoren ist der deutsche Markt im Vergleich zum angelsächsischen viel zu stark reguliert, um die Digitalisierungswelle erfolgsversprechend voranzutreiben. Beispielsweise ist das Geschäftskonzept von "Wigwamm" aufgrund der Gesetzgebung in Deutschland bislang nicht umsetzbar, denn § 93 BGB lässt kein Teileigentum im Rahmen eines Finanzierungsmodells von Immobilien zu. Ein erster Versuch neue Ansätze zu implementieren wurde bereits 2009 und 2012 gestartet.

Unter Beteiligung namhafter Experten wurde auf der Islamic Finance Konferenz die Basis für die Etablierung schariakonformer Anlageprodukte in Deutschland diskutiert. Ziel war es, das im islamischen Bankwesen vorgeschriebene allgemeine Zinsverbot sowie das Verbot der Spekulation und des Glücksspiels mit der deutschen Gesetzgebung in Einklang zu bringen.

Als mittelbare Lösung wurde unter anderem der Erwerb der Immobilie über eine Zweckgesellschaft mit Teileigentumsherrschaft des Kreditinstitutes und Darlehensnehmers entwickelt. Darüber hinaus sind bis heute nicht alle erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden.

Obwohl die Legislative bestrebt ist, die Attraktivität Deutschlands im globalen Finanzsektor weiter auszubauen und Finanzinstitute mit alternativen Finanzierungsmodellen für Deutschland zu gewinnen, sind die regulatorischen Voraussetzungen bis heute noch nicht vorhanden.

Eine weitere Barriere für Proptech-Financing in Deutschland stellt das Kreditwesengesetz (KWG) dar. Demnach dürfen nur Banken mit Sitz im Inland und mit Erlaubnis der EZB beziehungsweise BaFin Kredite vergeben.

Kreditwesengesetz als Hemmschuh

Allein der Erwerb der Banklizenz ist für viele Fintechs beziehungsweise Prop-Techs schon aus finanziellen Gründen nicht möglich. Zudem benötigen alle Beteiligten im Bereich der Immobilienfinanzierung enorme liquide Mittel. Sei es das Unternehmen, um seine Dienstleistungen anbieten zu können, oder der Kunde, um die "größte, private Investition seines Lebens" anzugehen.

Neben dem Anpassungsbedarf der Regularien ist die Sichtweise der Darlehensnehmer von großer Bedeutung. Das Vertrauen in den Finanzdienstleistungssektor befindet sich seit der Finanzkrise 2008 auf einem Tiefstand. Die Mehrheit der Finanzierungssuchenden begegnet neuen Medien mit Skepsis und tut sich mit der Annahme moderner Produkte und Lösungen schwer. Der "Neue Markt" vom Ende des vorherigen Jahrhunderts wird dem einen oder anderen Finanzierungsbedürftigen noch negativ im Gedächtnis sein.

Trotz aller Hemmnisse sind Fintechs außerhalb des Baufinanzierungssektors teilweise sehr erfolgreich. Der zunehmende Konkurrenzdruck durch die neuen Fintechs zwingt daher auch die "klassischen" Banken, zu reagieren und auf die Digitalisierungswelle aufzuspringen. Dabei stellt die Kooperation mit Fintechs nicht nur die Möglichkeit einer Kostensenkung dar, sondern auch die Chance, eigene Prozesse und Services zu verbessern.

Synergien mit erfahrenen Playern

Die deutschen Kreditinstitute sind sich dieser Chancen bewusst. Sie beteiligen sich bereits aktiv an den neuen Trends und treiben diese voran. So hat beispielsweise die Deutsche Bank neue innovative Produkte eingeführt wie den "Fingerprint Login" oder "Photo TAN" für Smartphones. Die Commerzbank wiederum unterstützt Start-ups und Unternehmer im Fintech-Bereich mit ihrem Tochterunternehmen "Main Incubator". Auch die Loancos-Gruppe benutzt bereits diverse Fintech-Lösungen zur Optimierung ihrer Prozesse.

Damit Proptechs künftig Erfolg haben, ist neben den erforderlichen gesetzlichen Änderungen auch das Timing entscheidend. Der digitale Strukturwandel erfolgt nicht nur technologisch, sondern auch in unseren Köpfen. Es wird sich zeigen, ob Proptechs es künftig schaffen, die Prozesssicherheit und strengen Anforderungen an den Datenschutz zu gewährleisten und damit das Vertrauen der Nachfrager zu gewinnen.

Die Autoren Michael Wohlleben Head of Portfolio Management Oksana Panova Portfolio Manager Ali Yilmaz Manager Business Development & Implementation, Servicing Advisors Deutschland GmbH, Frankfurt am Main

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