EXPO REAL-SPECIAL

"EINE VERÄNDERUNG DER MARKTSTRUKTUR ERREICHT MAN NICHT ÜBER NACHT"

Michael Spiegel, Foto: Capveriant

Der Begriff "Plattformökonomie" ist derzeit in aller Munde und selbst vor der Kommunalfinanzierung macht er nicht Halt. Diverse Fintechs haben es sich dabei zum Ziel gesetzt, institutionelle Kapitalgeber wie Banken und Versicherungen mit öffentlichen Kapitalnehmern auf einem virtuellen Marktplatz effizient und transparent zusammenzubringen. Dazu gehört die Capveriant GmbH, ein Tochterunternehmen der Deutschen Pfandbriefbank, die seit gut einem Jahr den deutschen Markt bearbeitet. Im Redaktionsgespräch mit I & F zieht der Geschäftsführer Michael Spiegel ein erstes Zwischenfazit, das durchaus positiv ausfällt: Viele Kunden konnten gewonnen werden und die Zahl der Kreditanfragen steige beständig an. Red.

Herr Spiegel, die Capveriant ging Anfang 2018 an den Start. Wie verlief der Start und wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung in den vergangenen Monaten?

Wir sind im Mai 2018 zunächst technisch gestartet. Unsere Vertriebsaktivitäten haben wir bewusst erst danach intensiviert - wer in einem etablierten Markt Prozesse und Strukturen verändern will, tut gut daran, die Innovation auch zeigen zu können. Seitdem haben wir viele Kunden gewonnen, und die Zahl der Kreditanfragen auf Capveriant steigt beständig an. Erwartungsgemäß entwickelt sich der Markt langsam, sollte dann aber exponentiell zulegen.

Wie hoch ist das abgewickelte Volumen? Wie weit sind Sie noch von den gesetzten Zielen entfernt?

Es ist gängige Praxis, keine Volumina zu nennen.

Wie viele Kommunen haben Sie bereits von einer Zusammenarbeit überzeugen können?

Aktuell sind zirka 80 Kommunen und Investoren bei Capveriant zugelassen, die Mehrzahl davon Kommunen. Darüber hinaus befindet sich eine Reihe im Zulassungsprozess, der nach bankähnlichen, also hohen Standards insbesondere mit Blick auf das Know-your-Customer-Prinzip erfolgt.

Ist eine Plattform wie Capveriant ein Weg, den Investitionsstau der öffentlichen Hand in Deutschland ein Stück weit zu lindern?

Capveriant zielt darauf ab, die Effizienz der Kommunalfinanzierung zu verbessern, indem wir Angebot und Nachfrage durch digitale Reichweite vergrößern und Prozesse durch intelligente IT-Lösungen vereinfachen. Insofern können wir sicherlich einen Bei trag leisten. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass aktuell die Verfügbarkeit der Mittel die Investitionen der öffentlichen Hand beschränkt, sondern eher die finanzielle Situation vieler Kommunen. Hinzu kommen lange, sehr formelle Ausschreibungsprozesse und die Schwierigkeit, passende Auftragnehmer zu akzeptablen Preisen für die Durchführung zu finden.

Kommunalfinanzierung ist ein margenarmes Geschäft, aus dem sich viele Anbieter zurückgezogen haben: Bleibt durch die Digitalisierung ausreichend "hängen"?

Eine Plattform profitiert selbstverständlich von Skaleneffekten, aktuell befinden wir uns bei Capveriant in der Investitionsphase. Perspektivisch wollen und müssen wir Geld verdienen. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass die pbb als Muttergesellschaft von den Erfahrungen von Capveriant profitiert - wir sind gewissermaßen das Fintech in der Bank.

Wie viel hat die pbb bislang in den Ausbau der Capveriant GmbH investiert?

Wir bewegen uns hier im niedrigen einstelligen Millionenbereich.

Was unterscheidet Sie von anderen Anbietern wie Loanboox oder Komuno, was ist der USP von Capveriant aus Sicht der Kommunen, aber auch aus Sicht der Investoren? Gibt es irgendeine Art von Exklusivität?

Unsere Wettbewerber leisten gute Arbeit. Wir unterscheiden uns im Wesentlichen durch die Unabhängigkeit und Offenheit von Capveriant, denn unsere Plattform steht allen Kommunen und kommunalnahen Unternehmen sowie allen Investoren offen. Wir sind kein Vertriebskanal für einen Investor oder eine bestimmte Gruppe von Investoren, deshalb tritt die pbb auch nicht selbst als Anbieter auf der Plattform auf. Außerdem legen wir einen klaren Fokus auf die Finanzierung der öffentlichen Hand und Zusatzdienstleistungen, die dies unterstützen.

Wer sind typische Investoren, die Interesse an der Plattform zeigen?

Wir stoßen hier auf breites Interesse bei Banken, Pensionskassen, Versicherungen und Vermögensverwaltungen. Auch für die Investoren ist Reichweite attraktiv, die Capveriant bietet. Das gilt sowohl für Investoren, die bereits in der Kommunalfinanzierung aktiv sind: Sie können bestimmte Prozesse digitalisieren und die Kosten ihrer Kundenakquisition reduzieren. Neue Investoren sehen die Plattform oft als Chance und bereiten so den Einstieg vor, was allerdings auch Zeit in Anspruch nimmt. Der Markt für Kommunalfinanzierung ist nach wie vor eher lokal organisiert und relativ fragmentiert - über Capveriant erhalten Investoren einen leichteren Zugang zu diesem Markt.

Das Versprechen ist mehr Transparenz. Reicht es aus, die Kommunen mit einer reinen Plattform zu unterstützen? Oder brauchen die nicht noch viel mehr Dienstleistungen?

Wir bieten Transparenz und Effizienz bei den Prozessen und der Preisbildung. Das sind Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Plattform in der Kommunalfinanzierung. Darüber hinaus gibt es viele Zusatzdienstleistungen, die wir teilweise auch anbieten wollen und werden. Wir sind überzeugt, dass dieser Zusatznutzen ein wichtiges Element ist.

Prüft Capveriant die Vertrauens- und Kreditwürdigkeit der Plattformnutzer?

Wir nehmen selbstverständlich die einschlägigen Prüfungen im Sinne des Know-your-Customer-Prinzips vor, bevor wir einen Investor oder eine Kommune auf Capveriant zulassen, und stellen sicher, dass nur autorisierte Personen die Plattform nutzen.

Gibt es ein Garantieversprechen seitens der Plattform? Was ist, sollte ein Deal platzen?

Der Kreditvertrag kommt zwischen den Parteien zustande, Capveriant fungiert als Vermittler. Auch die pbb als Muttergesellschaft tritt nicht als Kreditgeber auf.

Sind Sie BaFin-reguliert?

Da wir die Tochter einer Bafin-regulierten Bank sind, müssen wir diverse Regularien auch heute schon erfüllen. Außerdem orientieren wir uns an den Standards einer Bank. Wir prüfen außerdem, ob eine Anlagevermittlerlizenz für Capveriant zusätzlichen Nutzen stiftet.

Wie lange dauert ein durchschnittlicher Abschluss?

Die Dauer einer Ausschreibung bestimmt die Kommune als Kreditgeber. Während der Ausschreibung können Investoren Angebote abgeben. Capveriant bereitet die Angebote nach definierten Kriterien für die Kommune auf mit dem Ziel, Vergleichbarkeit herzustellen und den Entscheidungsprozess zu unterstützen. Insgesamt vereinfachen wir den Prozess also deutlich.

Erfolgt der Abschluss schon volldigital, oder müssen Kreditgeber und Kreditnehmer noch klassisch miteinander verhandeln?

Kreditgeber und Kreditnehmer werden nicht automatisch zusammengeführt wie Käufer und Verkäufer an einer Börse. Eine eigentliche Verhandlung der Konditionen sollte allerdings nicht mehr nötig sein. Und natürlich braucht es einen Darlehensvertrag. Der kann, muss aber nicht standardisiert sein - wir haben jedoch Standardverträge hinterlegt.

Nach Deutschland folgte der Marktstart in Frankreich: Wie sind hier die ersten Erfahrungen?

Die Erfahrungen sind sehr positiv. Aber selbstverständlich gilt auch für Frankreich, dass wir mit Capveriant die bestehende Marktstruktur verändern - solche Veränderungen erreicht man nicht über Nacht.

Ist der "Export" in weitere Länder geplant?

Wir können uns gut vorstellen, Capveriant in weiteren Ländern auszurollen - aktuell konzentrieren wir uns aber auf Deutschland und Frankreich.

ZUR PERSON MICHAEL SPIEGEL, Geschäftsführer, CAPVERIANT GmbH, Garching
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